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Koalitions-„Simpl“

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Im Parlament waren die Demo-kratie-Parodisten am Werk. Das Vaterland war, wenn man ihnen Glauben schenkt, wieder einmal ernsthaft in Gefahr. Der Anlaß: Verkehrsminister Lanc möchte die Verträge des ÖBB-Vorstands nicht mehr erneuern.

Die ÖVP qualifiziert das als Teil eines sozialistischen Programms, sämtliche Spitzenpositionen mit linientreuen Genossen zu besetzen und alle „bürgerlichen“ Elemente auszuschalten. Sie weist auch darauf hin, daß den angeblich grundlos gefeuerten Vorstandsdirektoren Millionenabfertigungen und Monsterpensionen bezahlt werden müssen, was im schärfsten Kontrast mit den seit neuesten üblichen verbalen Sparbeteuerungen der Bundesregierung stünde.

Verkehrsminister Lanc legt daraufhin die Glacehandschuhe ab und attestiert dem bisherigen, Vorstand Unfähigkeit, weshalb der Wunsch, ihn auszutauschen, durchaus sachliche Motive habe. Und ÖBB-Gewerk-schaftsboß Ulbricht, der es meisterhaft versteht, etwas Simpl-Atmo-sphäre in die stocknüchternen Sitzungssäle des Parlaments zu bringen, berichtet — Diskretion ist eben Ehrensache — von einem Gespräch mit Kalz, wonach dieser bereit wäre, auch drei statt zwei, sozialistische Vors'tandsdirektoren zu akzeptieren, solange nur er selbst den Generaldirektorensessel behalten dürfe.

Der Fernseher, dem solcherlei ins Haus geliefert wird, wendet sich mit Grausen.

Kein Zweifel, daß die SPÖ ziemlich brutal und hemdsärmelig Personalpolitik betreibt. Aber wird dieses Problem wirklich erst virulent, wenn es um den Sessel eines parteimäßig gut verankerten Generaldirektors geht? Solche parteipolitischen Schachzüge konnten bisher doch schon ziemlich unangefochten in Ämtern, Schulen und Staatsbetrieben durchgeführt werden, ohne daß sich die Opposition sonderlich exaltierte. Wenn schon Personaldebatte, dann auf breiterer Basis und prinzipieller.

Übrigens, so ganz rein ist die personalpolitische Weste der ÖVP auch nicht. Gewiß, sie trieb es in der Zeit ihrer Alleinregierung bei weitem nicht so eindeutig, aber auch sie ließ mehr als einmal die gebotene Sachlichkeit vermissen und lieferte damit den Sozialisten den Prätext für massive Retourkutschen.

Und wenn heute die ÖVP darüber jammert, daß Abfertigungen und Pensionsansprüche der Vorstandsdirektoren Millionen kosten, so kann man ihr den Vorwurf nicht ersparen, daß sie selbst zum Entstehen solcher Zustände beigetragen hat, auf Grund deren bei jedem Austauschen von Männern in Spitzenpositionen Millionen locker gemacht werden müssen. Gewiß, die Sozialisten treiben es nicht anders und außerdem ist die Ubersättigung von Vorstandsdirektoren mit Pensions- und Abfertigungsansprüchen in der Privatwirtschaft schon früher eingerissen.

Derlei im Rahmen der Staatsbetriebe nachzuahmen, wäre zwar nicht gerechtfertigt, aber doch verständlich, diente es dazu, um Spitzenkräfte aus der Wirtschaft heranzuholen, die moderne Managementmethoden einführten. Was für einen Sinn haben sie aber, wenn man dann erst hauseigene Bürokraten in die Direktorensessel beruft, die gewiß sehr ehrenwerte Männer und in ihrer Weise fleißig und tüchtig sind, aber eben doch nicht ganz von jenem ma-riatheresianischen Kanzleistil wegkommen, von dem ihre bisherige Berufslaufbahn geprägt war.

Ist nun der Wunsch von Minister Lanc nach einem Revirement des ÖBB-Vorstandes berechtigt oder nicht? Die Antwort fällt nicht leicht. Gewiß, aus der groß angekündigten ÖBB-Reform der ÖVP-Regierung ist rein gar nichts geworden, die Defizite und die Personalstände der Bundesbahn wachsen munter weiter.

Aber ist das Problem, so dringend seine Bewältigung ist, wirklich damit gelöst, daß man den Vorstand austauscht? Wieweit sind überhaupt die Vorstandsdirektoren an der Misere schuld? Was hätte umgekehrt ein moderner Manager, wäre er auf den Generaldirektorensessel gesetzt worden, wirklich erreichen können, eingeklemmt zwischen einem politisierenden Minister und einer allmächtigen Gewerkschaft? Und garantieren am Ende neue Vorstandsdirektoren, die erst wieder aus der hauseigenen Beamtenschaft stammen, jene organisatorische Effektivität und Rationalität, die das Unternehmen so dringend brauchte?

Das Problem der ungenügenden Leitung ist schließlich nicht nur ein Problem der ÖBB, sondern sämtlicher Staatsbetriebe, wobei die Frage offenbleibt, wieweit die Misere auf Vorstands- und wieweit auf Ministerniveau verursacht wird. Gewisse Zahlen geben zu denken:

Der ÖVP-Regierung ist es immerhin gelungen, das Defizit sämtlicher Bundesbetriebe von 3 Milliarden Schilling 1968 auf 1,7 Milliarden Schilling 1969 zu verringern. 1970 — im ersten Jahr der SPÖ-Regierung — lag es schon wieder bei 3 Milliarden und 1973 war es sogar schon auf 6,8 Milliarden Schilling geschnellt, also auf das Vierfache von 1969.

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