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Politisches Nagelbrett

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„War es nur der Ruf aus Kärnten, der zu einer Ablöse Frühbauers führte, oder sind nicht auch Schwierigkeiten im Verkehrsressort für seinen Abgang maßgebend?“ fragte; dieser Tage VP-Obmann Schleinzer. Die Frage ist nicht ganz unberechtigt, ist doch unter der Ägide Früh-bäuers das Bundesbahndeflzit von

1.6 Milliarden Schilling (1970) auf

3.7 Milliarden Schilling (1973) gestiegen.

Allein schon die Berufung Frühbauers, der, wenn auch Bahnbediensteter, seine Führungsqualifikationen ausschließlich in Gewerkschafts- und Parteiarbeit erworben hatte, zeigte, daß von allen Anfang an keine einschneidenden organisatorischen Maßnahmen geplant waren. Für diesen Zweck hätte sich eher ein anderer Kandidat — der damalige Finanzdirektor der Bundesbahnen, etwa Dr. Dultinger, der als der sozialistische Bahnfachmann galt — geeignet. Dultinger kam nicht zum Zug und wurde sogar während der Ära Frühbauer — angeblich wegen Zerwürfnissen mit Finanzminister Androsch — aus dem Vorstand der ÖBB hinaus auf den Präsidentenstuhl der Tauern-Autobahn AG komplimentiert.

Mit Frühbauer — einer Schirokaja Natura, wie die Russen sagen würden — wurde ganz bewußt ein typischer Personalvertreter zum Ressortchef gemacht, teils, um im ersten Siegesjubel recht deutlich zu demonstrieren, daß nun „das Volk“ die Sache selbst in die Hand nehme und die „Großkopferten“ ausgespielt haben, teils aus innerparteilichen Proporzüberlegungen, aber nicht zuletzt auch in der Hoffnung, daß der Gewerkschaftsmann Frühbauer die etwas schwierige Eisenbahnergewerkschaft am besten an die Kandare nehmen könnte.

Seither war es sehr still um das Verkehrsministerium, was nicht unbedingt als Zeichen gewertet werden muß, daß dort ohnehin alles in Ordnung wäre, sondern eher darauf zurückzuführen war, daß sich der Ressortchef peinlich aller reformerischen Aktivitäten enthielt, die, wenn sie wirkungsvoll wären, seiner Popularität kaum zuträglich gewesen wären.

Ganz wohl scheint sich der Vollblutpolitiker Frühbauer auf seinem eher Managerqualitäten erfordernden Posten nie gefühlt zu haben.

Prinzipiell scheint er also nicht ungern in die Landespolitik hinüberzuwechseln. Ob freilich das Angebot, Vizelandeshauptmann zu werden, ganz seinen Ambitionen entsprochen hat und ob er sich längerfristig mit der Rolle des zweiten Mannes begnügen wird, sei dahingestellt.

Der neue Mann in Wien, Erwin Lanc, ist — nicht nur vom Typus her — das genaue Gegenteil seines Vorgängers: Er stammt aus Wien, nicht aus den Bundesländern, hat mehr eine Partei- als eine Gewerkschaftskarriere durchlaufen, er ist bahnfremd und kommt aus dem Bankwesen. Daher die Vermutung Schleinzers, Lanc sei deswegen zum Zuge gekommen, weil er „viel Verständnis für die finanziellen Aspekte aufbringt“.

Dies freilich hieße, daß Lanc von Anfang an der Favorit des Kanzlers gewesen wäre, dieser den Posten den anderen Kandidaten nur pro forma angeboten, ihre Absage geradezu provoziert hätte. Andere Vermutungen gehen dahin, daß Lanc, der ziemlich abrupt in die Ministerriege katapultiert wurde, eine Verlegenheitslösung sei, nachdem die übrigen Prätendenten wenig Lust für das politische Nagelbrett eines Verkehrsministers ' verspürten. Wie immer dem sei, Lanc ist ein energischer, intelligenter und ehrgeiziger Repräsentant der jüngeren sozialistischen Garde, und man wird sehen, ob und wie er sich zu profilieren versteht.

Sein Verständnis für finanzielle Aspekte dürfte allerdings, dies steht zu vermuten, nicht so weit führen, daß er zu gründlichen Reformen des schwerfälligen und überbesetzten Verwaltungs- und Betriebsapparats bei Bahn und Post schreiten wird, da ihn dies unweigerlich in Konflikt mit den Gewerkschaften bringen würde. Wenn er Mut zur Unpopularität hat, so steht zu befürchten, daß dessen Stoßrichtung eine ganz andere sein wird.

Ab 1. Jänner 1974 erhält das Verkehrsressort vom Handelsministerium auf Grund des neuen Ministeriengesetzes die Kompetenzen über den Straßenverkehr. Die Versuchung wird groß sein, die Bahn — getreu dem Motto, daß Verkehrsbetriebe nicht wirtschaftlich geführt werden können — dadurch zu „sanieren“, daß man den Straßenverkehr, gleichgültig, ob privat oder gewerblich, steuerlich stärker belastet und außerdem gewisse Verkehrssubstrate zwangsweise auf die Bahn verlagert. Die Pläne der deutschen Verkehrsminister Leber und Lauritzen mögen da durchaus zum Vorbild dienen. In die gleiche Richtung weist auch eine Wiener Verkehrsstudie, worin es heißt, die „Attraktivität“ der Stra-

ßenbahn müßte (beileibe nicht durch eine Verbesserung des Service, sondern) durch zusätzliche Besteuerung des Individualverkehrs gehoben werden.

Gewiß lassen sich teilweise auch objektive Gründe für ein Neuüberdenken der Beziehungen Schiene-Straße anführen — etwa, daß die Bahnverwaltung tatsächlich in viel höherem Maß für den Bau und die Erhaltung ihrer Verkehrswege zu sorgen hat als die Straßenbenützer, und daß gewisse Transporte — zumindest im Langstreckenverkehr — vielleicht doch gefahrloser auf der Schiene gemacht werden können. (Die kürzliche Katastrophe eines öl-zugs bei Mixnitz läßt da allerdings wieder Zweifel aufkommen.)

Dies alles heißt aber nicht, daß man deswegen den Schlendrian bei den Staatsbetrieben (nicht nur bei der Bahn) ad infinitum fortsetzen und die „Sanierung“ kurzerhand mit dirigistischen und fiskalen Maßnahmen gegen die private Konkurrenz herbeiführen könne. Alle Steuerbelastungen sollten von einer objektiven Kostenrechnung und nicht von der Erwägung ausgehen, wie man auf bequeme Weise die Konkurrenzfähigkeit der Staatsbetriebe auf Kosten anderer verbessert.

Es ist nur zu hoffen, daß der neue Verkehrsminister mehr Aktivität entfaltet als der alte — aber auch, daß seine Aktivitäten sachlich und nicht „gesellschaftspolitisch“ orientiert sind.

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