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„ÖBB vom Minus befreien...“

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FURCHE: Die österreichischen Bundesbahnen sind seit März 1969 ein selbständiger Wirtschaftskörper. Vor kurzem wurde nunmehr der im ÖBB-Gesetz vorgesehene Verwaltungsrat bestellt. Eine der wesentlichen Aufgaben des Verwaltungsrates, dessen Präsident Sie sind, ist es, Vorschläge für Rationalisierungs- und Sanierungsmaßnahmen an den Vorstand heranzutragen. Was hat der Verwaltungsrat bisher unternommen?

WEISER: Es wurden sofort drei Ausschüsse für grundsätzliche Probleme gegründet. Dem Ausschuß für Rationalisierung und Budgetpolitik wurde bereits das Investitionsprogramm für die nächsten fünf Jahre zugewiesen. Das heißt eigentlich das Investitionskonzept für die Jahre 1971 bis 1974, da wir das vor uns liegende Jahr nicht mehr einer Untersuchung unterziehen können, weil das Budget schon fest steht. Dennoch sollen 1970 jene Investitionen vorgezogen werden, die einer echten Rationalisierung dienen.

FURCHE; Und die weiteren Ausschüsse ... ?

WEISER: Einer ist für die Finanzpolitik und einer für Tarif- politik. Wir denken jedoch auch daran, einen vierten Ausschuß, für Marketing und Werbemaßnahmen, zu gründen. Der Ausschuß für Finanzpolitik soll für die bestmögliche Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel sorgen. Audi er arbeitet bereits intensiv.

FURCHE: Zur Tarifpolitik ...

WEISER: Es ist uns bewußt, daß man die vielen derzeitigen sozialen Begünstigungen nicht wegnehmen kann. Nur 18 Prozent der Reisenden zahlen den vollen Fahrpreis. Man wird daher zuerst rationalisieren und die Bundesbahnen komfortabler machen müssen. Und erst dann wird man untersuchen können, was in dem einen oder anderen Fall gemacht werden kann. Ein Beispiel: Bei Flugreisen gibt es • kombinierte Preise für Flug und Hotelaufenthalt. Man könnte einen ähnlichen Kundendienst bei den ÖBB einführen.

FURCHE: Und die Subventions- tarife bei Gütertransporten?

WEISER: Sie sind ein sehr heikles Problem. Wir sind im Verwaltungsrat der Meinung, daß man den Gütertransport nicht belassen soll wie bisher. Das heißt, daß man wartet, bis die Kunden zur ÖBB kommen. Eine Stelle bei den ÖBB sollte sich mit den potentiel len Kunden befassen und sie in Transportfragen beraten. Die Bundesbahn muß flexibler werden. Sie muß etwas unternehmen, muß an die Kunden herantreten, für sich werben. Auf diese Weise können neue Möglichkeiten erschlossen wenden, und das führt dann zwangsläufig im Laufe der Zeit zu einer Überprüfung der Tarifpolitik.

FURCHE: Wird man zu kostendeckenden Tarifen kommen?

WEISER: Zuerst muß man die echten Kosten erfassen, dann kann man zu kostendeckenden Tarifen finden. Man kann die Gesundung der ÖBB nicht von heute auf morgen durchführen, aber bei einem entsprechenden kostenbewußten Aufbau der ÖBB sollte es mojįličh sein, nach und nach aus der gewaltigen Schere, hier Belastung durch Personal- und Pensionskosten, dort stagnierende Einnahmen, herauszukommen und die Bundesbahnen von dem finanziellen Minus zu befreien.

FURCHE: Der Personalstand bei den ÖBB ist ein schwerwiegendes Problem. Zur Zeit beschäftigen die Bundesbahnen 73.600 Beamte und Teilzeitbeschäftigte. Wohl konnte der Aktivstand an Beamten seit 1966 von 64.700 auf unter 60.000 gesenkt werden, aber...

WEISER: Bei dem Personalpro blem sticht vor allem die Belastung durch die Pensionisten ins Auge. Ihre Zahl beträgt derzeit 82.000 und ist somit größer als der Aktivstand. Hier wurden bereits energische Schritte eingeleitet. Uns geht es vor allem um den Aktivstand. Hier müßte vielleicht eine beweglichere Personalpolitik innerhalb der ÖBB ermöglicht werden. Soweit bis jetzt zu sehen ist, gibt es Vorschriften, die dem Vorwärtskommen der Tüchtigen widersprechen. Im engsten Einverständnis mit der Gewerkschaft und mit größter Vorsicht wird man hier gangbare Wege finden müssen.

FURCHE: Wie sollen die Vorschläge in die Tat umgesetzt werden?

WEISER: Wir werden uns intensiv den vielen Fragenkomplexen widmen. Bis jetzt steht fest, daß man den Bundesbahnen nach neuen Gesichtspunkten Möglichkeiten geben muß, damit in der Öffentlichkeit in Zukunft von diesem Leistungsbetrieb anders als bisher gesprochen wird. Von seifen der Bahn wird dazu ein entsprechendes Service angeboten werden müssen. Wir brauchen ein neues Gesicht, ein neues Image, vmd das muß sukzessive aufgebaut werden unter den Gesichtspunkten „Sicher, schnell, pünktlich und komfortabel.“

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