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Am 15. Juni soll für die österreichischen Bundesbahnen eine neue Zeitrechnung beginnen: die der wirtschaftlichen Betriebsführung. Mit diesem Datum nämlich wird der im neuen Bundesbahngesetz vorgesehene ÖBB-Vorstand seine Arbeit aufnehmen und versuchen, das defizitärste Sorgenkind des Verkehrsressorts außerhalb der politischen Streitereien, die bislang um diesen größten Verkehrsträger der Alpenrepublik immer wieder entbrannten und die einen nicht geringen Teil der Schuld tragen, daß der jährliche Betriebsabgang schön fünd vier Milliarden Schilling beträgt, auf eine wirtschaftliche Betriebsführung umzustellen. Fehlplanungen en gros und mangelndes wirtschaftliches Verständnis kann man der „Bundesbahnpolitik“ der bisherigen Bessortchefs von Ubeleis bis Probst vorwerfen. Erst Verkehrsminister Weiß nahm die Generalreform der Bahnen in Angriff und sicherte sich damit gleich von allem Anfang an das Veto der zu 84 Prozent roten Eisenbahnergewerkschaft, die sich gegen das neue Bundesbahngesetz stellte. Es wurde daher im Nationalrat nur mit den Stimmen der ÖVP-Abgeordneten durchgedrückt. Einen Monat nach seiner Verlautbarung im Bundesgesetzblatt — sie erfolgte am 14. Mai — muß der neue Wirtschaftskopf der Bahnen, der Vorstand, bestellt sein. Verkehrsminister Dipl.-Ing. Weiß wird als dessen Vorsitzenden den derzeitigen Bahngeheraldirektor Hofrat Dr. Karl Kalz und zu dessen Stellvertreter den derzeitigen Generaldirektorstellvertreter Dipl.-Ing. Dultinger der Regierung zur Ernennung vorschlagen. Weitere Mitglieder des vierköpfigen Vorstandes werden der jetzige Personaldirektor der Bahnen, Hofrat Dr. Platz, und der derzeitige Beschaffungsdirektor, Dipl.-Ing. Geißler, sein. Uber Aufgaben und Ziele des neuzuernennenden ÖBB-Vorstandes sprachen wir mit dem designierten Vorstandsvorsitzenden, dem „ÖBB-General“ Dr. Karl Kalz.

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Am 15. Juni soll für die österreichischen Bundesbahnen eine neue Zeitrechnung beginnen: die der wirtschaftlichen Betriebsführung. Mit diesem Datum nämlich wird der im neuen Bundesbahngesetz vorgesehene ÖBB-Vorstand seine Arbeit aufnehmen und versuchen, das defizitärste Sorgenkind des Verkehrsressorts außerhalb der politischen Streitereien, die bislang um diesen größten Verkehrsträger der Alpenrepublik immer wieder entbrannten und die einen nicht geringen Teil der Schuld tragen, daß der jährliche Betriebsabgang schön fünd vier Milliarden Schilling beträgt, auf eine wirtschaftliche Betriebsführung umzustellen. Fehlplanungen en gros und mangelndes wirtschaftliches Verständnis kann man der „Bundesbahnpolitik“ der bisherigen Bessortchefs von Ubeleis bis Probst vorwerfen. Erst Verkehrsminister Weiß nahm die Generalreform der Bahnen in Angriff und sicherte sich damit gleich von allem Anfang an das Veto der zu 84 Prozent roten Eisenbahnergewerkschaft, die sich gegen das neue Bundesbahngesetz stellte. Es wurde daher im Nationalrat nur mit den Stimmen der ÖVP-Abgeordneten durchgedrückt. Einen Monat nach seiner Verlautbarung im Bundesgesetzblatt — sie erfolgte am 14. Mai — muß der neue Wirtschaftskopf der Bahnen, der Vorstand, bestellt sein. Verkehrsminister Dipl.-Ing. Weiß wird als dessen Vorsitzenden den derzeitigen Bahngeheraldirektor Hofrat Dr. Karl Kalz und zu dessen Stellvertreter den derzeitigen Generaldirektorstellvertreter Dipl.-Ing. Dultinger der Regierung zur Ernennung vorschlagen. Weitere Mitglieder des vierköpfigen Vorstandes werden der jetzige Personaldirektor der Bahnen, Hofrat Dr. Platz, und der derzeitige Beschaffungsdirektor, Dipl.-Ing. Geißler, sein. Uber Aufgaben und Ziele des neuzuernennenden ÖBB-Vorstandes sprachen wir mit dem designierten Vorstandsvorsitzenden, dem „ÖBB-General“ Dr. Karl Kalz.

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FURCHE: Das neue Bundesbahn-gesetz gibt den Bahnen die Rechtsgrundlage für eine beweglichere Betriebsführung; die wirtschaftlichen Maßnahmen selbst hat der ÖBB-Vorstand zu treffen und zu verantworten. Wie stellen Sie sich eine wirtschaftliche Führung dieses großen Verkehrsunternehmens vor? KALZ: Wir werden unser bisheriges ,3ahn“-Denken neu ausrichten müssen. Kaufmännische Erwägungen müssen in Zukunft Vorrang haben. Dies ist vor allem deshalb notwendig geworden. weil die Eisenbahn ihre bisherige Monopolstellung unter den einzelnen Verkehrsträgern verloren hat. Sie steht in einem so starken Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern, daß sie nur mit modernsten Methoden der Geschäftsführung erfolgreich bestehen können wird. Wir werden auf Grund der Bestimmungen des Bundesbahngesetzes innerhalb der Generaldirektion der österreichischen Bundesbahnen einige organisatorische Veränderungen vornehmen, die auch schon 1967 im ÖBB-Berieht der zehn unabhängigen Hochschulprofessoren angeregt wurden: Wir werden eine Marktforschungsstelle einrichten und den Wettbewerbsdienst der Bahnen ausbauen. In Zukunft wird bei den Bahnen „Kundendienst“ großgeschrieben. Wir werden eigene „Wettbewerbsbeamte“ einsetzen, welche die Kunden über alle Vorteile und Möglichkeiten des Bahnverkehrs informieren werden. Der Bahnbetrieb soll in Zukunft nicht mehr so gestaltet werden, wie ihn wir „Eisenbahner“ wollen, sondern wie ihn der Kunde will.

Sinn des Bundesbahngesetzes ist: mehr wirtschaftliche Autonomie der Bahnen. Während diese Autonomie anderen Bahnverwaltun-gen schon längst eingeräumt wurde, haben wir diesen Schritt erst jetzt getan. Die Generaldirektion der österreichischen Bundesbahnen wird nun aus dem Ministerium „ausgegliedert“ und in Zukunft wie Führungsspitzen anderer Wirtschaftsunternehmen organisiert sein.

FURCHE: Wird der neue Vorstand ein Programm über die von ihm geplanten Maßnahmen ausarbeiten und es auch der Öffentlichkeit zur Diskussion stellen?

KALZ: Ein Grundsatzprogramm des ÖBB-Vorstandes wird voraussicbtlich Mitte Juni der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Es wird jene konkreten Wege aufzeigen, die die Bundesbahnen in Zukunft „fahren“ werden. Dabei allerdings wird der neue Bundesbahnvorstand sicher Hoffnungen an das Gesamtverkehrskonzept der österreichischen Bundesregierung knüpfen: daß die Betriebs- und die Beförderungspflicht der Bahnen gelockert wird, der ja auch die anderen Verkehrsträger nicht unterliegen, und daß das Wegekostenproblem gelöst wird, damit endlich das ÖBB-Defizit beseitigt werden kann.

FURCHE: Sie hoben den starken Wettbewerb der Bahnen mit den anderen Verkehrsträgern und den Verlust ihrer Monopolstellung hervor. Wo sehen Sie dann für die Bahnen Zukunftschancen?

KALZ: Die Bahn muß dort ansetzen, wo die Konkurrenten der Schiene nicht mitkönnen. Im Reiseverkehr wird die Bahn in der Zukunft Chancen haben, wenn sie rasche Verbindungen zwischen Städten herstellen kann, die etwa 500 bis 600 Kilometer auseinanderliegen. Die österreichischen Bundesbahnen werden daher ihr Städte-Schnellverbindungssystem großzügig ausbauen. Aber auch der Personentransport über weitere Entfernungen wird den Bahnen verbleiben, wenn sie in der Lage sind, besonders attraktive und bequeme Verbindungen herzustellen und die Reisegeschwindigkeiten noch entsprechend zu steigern. Bahntagesverbindungen sind wegen des geringeren Fahrpreises auch gegenüber dem Flugzeug noch immer attraktiv. Im Nachtverkehr wird die Bahn dem Flugzeug überhaupt gewachsen sein, weil sie bequemere Ruhemöglichkeiten schafft; in Amerika beispielsweise wird dafür sogar ein höherer Fahrpreis in Kauf genommen als beim Flugzeug.

Im Güterverkehr liegt die Zukunft der Bahnen in der Schnelligkeit und Sicherheit der Beförderung großer Mengen. Wir werden daher dem Ausbau der internationalen Güterzugsverbindungen entsprechendes Augenmerk zuwenden. Für Österreich wird ier Grundsatz gelten: „Heute aufgegeben, morgen abgeliefert.“ Weiters gilt es auch, durch moderne Methoden den An-ichlußbahnverkehr auszubauen und die Techniken des Haus-Haus-Verkehrs den Bahnen dienstbar zu machen, wie dies bereits durch Container- und Huckepackverkehr geschieht. Da-t>ei werden sich die österreichischen Bundesbahnen an einer Gesellschaft beteiligen, welche die Akquisition eines solchen Verkehrs übernehmen wird.

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