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Die Elektrizität im Dienste der Bundesbahnen

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Die Elektrizität spielt heutzutage im Betrieb einer Eisenbahn eine ständig wachsende Rolle, genau so wie dies in allen anderen Zweigen der Wirtschaft der Fall ist. Die ersten elektrischen Geräte, die im Bahnbetrieb zur Anwendung kamen, waren wohl die elektrischen Telegraphen, die zur Regelung und Sicherung des Zugverkehrs benützt wurden. Bald kam das Telephon dazu, dann elektrische Läutesignale und Blockapparate, also zusammengefaßt das Sicherungs- und Fernmeldewesen der Eisenbahnen. Daneben entwickelte sich als zweites großes Anwendungsgebiet der Elektrizität das Beleuchtungswesen und die elektromotorischen Antriebe in Werkstätten, für Pumpen, Drehscheiben und ähnliche Einrichtungen. In dieser Entwitklungsreihe das jüngste, rasch aber das am bedeutsamsten gewordene Glied ist die elektrische Zugförderung.

Schon im Jahre 1905 schufen die österreichischen Staatseisenbahnen ein eigenes Studienbüro für die elektrische Zugförderung, das wertvolle Grundlagen für die weitere Entwicklung auf diesem Gebiete ausarbeitete. Als erste Versuchsstrecken in Österreich wurden noch vor dem ersten Weltkrieg einige betrieblich besonders schwierige Lokalbahnlinien: die Mariazellerbahn 1911, die Karwendel- und Außerfernbahn 1912 und die Preß- burgerbahn 1914 mit elektrischer Zugförderung ausgestattet.

Die guten Erfahrungen, die man auf diesen Bahnlinien mit der neuen Traktionsart machen konnte, und die Vorarbeiten des erwähnten Studienbüros gestatteten nach dem Ende des ersten Weltkrieges den Entschluß, zur Bekämpfung der durch den Zerfall des Wirtschaftsgebietes der alten Donaumonarchie aufgetretenen, für Österreich bisher unbekannten Kohlennot die Bundesbahnen zu elektrifizieren und diese Arbeiten sofort zu beginnen. Bis zum Jahre 1930 war das erste Elektrifizierungsprogramm der Bundesbahnen im wesentlichen abgeschlossen. Sodann trat unter dem Einfluß wirtschaftlicher Gegenkräfte eine mehrjährige Unterbrechung der Arbeiten ein. Nachdem dann im Jahre 1935 der elektrische Betrieb auf der Tauernbahn aufgenommen worden war. konnte im Jahre 1936 ein neues großes Elektrifizie- rungsprogramm der Bundesbahnen begonnen werden, das hauptsächlich die Westbahn bis Wien umfaßte. Leider unterbrach schon nach wenigen Jahren der zweite Weltkrieg diese Arbeiten.

Als die österreichischen Bundesbahnen im Jahre 1945 wiedererstanden, fanden sie in ihrem Netz von rund 6000 km Betriebslänge fast genau 1000 km elektrisch betriebener Strecken vor. Die Energieversorgung dieser Strecken besorgten damals die fünf den Bundesbahnen gehörenden Wasserkraftwerke Spulleisee in Vorarl-berg, Schönberg in Tirol, Enzingerboden und Schneiderau in Salzburg sowie Ober- Velläch in Kärnten, ferner Bahnmaschinensätze in den bahnfremden Wasserkraftwerken Achensee, Steeg und Wienerbruck sowie eine Umformeranlage im Dampfkraftwerk- Simmering.

Die Verkehrsentwicklung nach dem Wirtschaftszusammenbruch des Jahres 1945 zeigte klar die außerordentliche Überlegenheit der elektrischen Zugförderung, soweit sie sich auf Wasserkräfte stützt. Diese Erfahrungen und die Koh- lennot der Nachkriegszeit gaben dem Gedanken der Weiterführung der Elektrifizierungsarbeiten der Bundesbahnen kräftigen Auftrieb. Trotz aller zeitbedingten Hindernisse konnten die Arbeiten schon Anfang 1946 in Angriff genommen werden. Sie haben inzwischen zur Einführung der elektrischen Zugförderung auf den Strecken Attnang — Linz — Am- stetten, Bregenz — St. Margarethen, Bi schofshofen — Eben und Spittal — Villach, mit einer Betriebslänge von über 200 km, geführt. Ein sechstes Bahnkraftwerk wurde in Uttendorf in der Nachkriegszeit erbaut und bereits in Betrieb genommen sowie bisher 16 neue Elektrolokomotiven in Dienst gestellt.

Die Elektrifizierungsarbeiten der Bundesbahnen sind derzeit in vollem Gange. Die Fahrleitungsausrüstung auf der Strecke Wien — Amstetten samt den Anlagen für ihre Energieversorgung, es sind dies die Unterwerke Amstetten, St. Pölten und Baumgarten sowie der Speisepunkt Rekawinkel mit den zugehörigen Speiseleitungen, sind im Bau und sollen noch heuer betriebsbereit werden. Auf der Strecke. Villach—Tarvis wird die Fahrleitungsausrüstung ebenfalls weitergeführt; der Teilbetrieb bis Arnoldstein wurde bereits vor kurzem aufgenommen. Das Bahnkraftwerk Braz bei Bludenz, das als erstes Bahnkraftwerk in Österreich als Kavernenkraftwerk mit einem vollständig im Berg liegenden Maschinensaal ausgeführt wird, steht vor der Fertigstellung. Im Stubachtale wird der 2250 m hoch gelegene Weißsee als Speicher für die Bahm kraftwerke Enzingerboden, Schneiderau und Uttendorf ausgebaut. Um diesen See, der in Zukunft wichtige Betriebsaufgaben zu erfüllen hat, zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung sicher zugänglich zu machen, wurde vom Kraftwerk Enzingerboden, bis zu dem eine ganzjährig befahr-, bare Autostraße führt, bis zum Weißsee eine Seilschwebebahn erbaut. Diese wird neben ihren Aufgaben zur Sicherung des Kraftwerkbetriebes auch dem allgemeinen Personenverkehr dienen und dadurch ein neues schönes Wintersportgebiet der Allgemeinheit bequem zugänglich machen. Um die Energieversorgung der Westbahn bis Wien einwandfrei sicherzustellen, wird in Auhof bei Hütteldorf ein großes Umformerwerk im Anschluß an das neue Umspannwerk West der Wiener städtir. sehen Elektrizitätswerke errichtet Dieses Umformerwerk wird es außerdem ermöglichen, Uberschußenergie aus dem Bahnnetz in das Landesversorgungsnetz und umgekehrt zu führen und wird so auch eine Störungsreserve für beide Netze bilden. Außerdem stehen derzeit 44 elektrische Lokomotiven bei österreichischen

Firmen in Bau. Alle drei bis vier Wochen wird eine von ihnen neu in Dienst gestellt werden können.

Im Jahre 1951 wurden für den elektrischen Zugbetrieb der Bundesbahnen rund 325 Millionen kWh an elektrischer Energie verbraucht: derzeit beträgt der Tagesbedarf der elektrischen Zugförderung etwa 1 Million kWh. Durch den elektrischen Zugbetrieb konnten im Jahre 1951 rund 630.0001 Steinkohle erspart werden, deren Einfuhr sonst unser ohnehin schmales Devisenbudget belastet hätte. Welche Bedeutung im Bundesbahnbetrieb schon heute der elektrischen Zugförderung zukorrimt, kann daraus entnommen werden, daß auf den ungefähr 20 Prozent der Bundesbahnstrecken, die heute elektrisch betrieben werden, im Jahre 1951 etwa 35 Prozent der gesamten Verkehrsleistungen der Bundesbahnen gefahren wurden. Im Schnellzugverkehr der Bundesbahnen sind die elektrisch gefahrenen Verkehrsleistungen heute schon höher als die mit Dampf geführten. Durch die Aufnahme des elektrischen Betriebes auf der gesamten Westbahn werden sich diese Verhältnisse noch stärker zugunsten des elektrischen Betriebes verschieben, der damit in der gesamten Betrieb- führung der Bundesbahnen schon eine sehr wesentliche Rolle spielen wird.

Neben dem elektrischen Zugbetrieb gewinnt aber die Elektrizität auch in den anderen Dienstzweigen der Bundesbahnen immer mehr an Wichtigkeit. Die mechanischen Stellwerke, Signalanlagen und Schrankenantriebe werden in steigendem Maße durch die wirtschaftlicheren und dabei größere Sicherheit bietenden elektrischen Anlagen verdrängt. Die Beleuchtungsanlagen werden ständig vervollkommnet, wobei die modernen Leuchtröhren immer stärker in den Vordergrund treten.

Dieser kurze Überblick zeigt, daß heute aus dem Betrieb der Bundesbahnen die Elektrizität nicht, mehr wegzudenken ist. Sie hilft den Bahnbetrieb zu rationalisieren und ist damit eine der wichtigsten Waffen im Kampf gegen das Defizit der Bundesbahnen geworden.

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