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Wo bleibt der Verkehrsrat?

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In der „Furche“ vom 14. November v. J. wurde dagegen Stellung genommen, daß der Hauptausschuß des Nationalrates dem Antrag der Regierung zur Erhöhung des Personen- tarifes der Bundesbahnen um 25 Prozent ab 1. Jänner 1954 seine Zustimmung erteilt hat. Von der Absicht geleitet, die Aktion des Verkehrsministers zu unterstützen, haben auch die Vertreter der Sozialdemokratischen Partei der Erhöhung zugestimmt.

Wenngleich die Haltung des Hauptausschusses in dieser Frage auch dadurch beeinflußt wurde, daß im Budgetentwurf für das Jahr 1954, der einen Abgang von 930 Millionen Schilling plus 57 Millionen gegenüber dem Vorjahr aufweist, ein Mehrertrag von 150 Millionen Schilling in Rechnung gestellt wurde, so hat die seitherige Entwicklung der Einnahmen aus dem Personenverkehr gezeigt, daß die Haltung des Hauptausschusses in dieser Frage mehr von politischen als von sachlichen Erwägungen beeinflußt war. Die verspätete Veröffentlichung der Einnahmen der Bundesbahnen aus dem Personenverkehr im Jänner 1954 weist nämlich gegenüber dem Monat Jänner 1953 eine Abnahme um mehrere Millionen Schilling auf. Während die Einnahmen im Jahre 1952 von 654 auf 776 Millionen Schilling gestiegen sind, haben sich die Einnahmen des Jahres 1953 nur von 776 auf 800 Millionen Schilling erhöht. Die Anzahl der verkauften Fahrkarten ist von 5,7 Millionen im Dezember des Vorjahres im Monat Jänner auf 4,5 Millionen gesunken. Anstatt einer grundsätzlichen Reform der Tarifgrundlagen näherzutreten, hat der Hauptausschuß einer generellen Erhöhung des Personentarifes zugestimmt. Der finanzielle Erfolg einer Erhöhung des Personentarifes hängt aber nicht so sehr von der Höhe der Fahrpreise ab als von der Ausnützung der Sitzplätze. Der Personenverkehr der Eisenbahnen hat mit einem festen Fahrplan zu rechnen. Hieraus ergibt sich, daß innerhalb eines gewissen Verkehrsumfanges ein großer- Teil der Betriebskosten ganz gleich bleibt. Aufgabe der Tarifpolitik ist es, die Voraussetzungen für eine möglichst große Ausnützung der Sitzplätze zu schaffen, zu welchem Zwecke die in fast allen anderen Staaten bestehende völligeGleich Stellung der Personenzug- und Schnellzugtaxen anzustreben wäre.

Einen wesentlichen Bestandteil der Ver-waltungsreform müßte die Frage bilden, ob eine politische Institution, wie der Hauptausschuß des Nationalrates, überhaupt berufen ist, sich mit der Behandlung von Fachfragen zu befassen, wie sie sich aus der Verwaltung der Bundesbahnen ergeben. Es gibt heute kaum einen Staat, der auf eine ständige Vertretung der wirtschaftlichen Interessen bei den Staatsbahnen verzichten würde. Man hat dabei die Erfahrung gemacht, daß ein fachlicher Beirat sich als das beste Mittel erweist, um bei der Eisenbahnverwaltung das Verständnis für die Bedürfnisse der Wirtschaft zu fördern. Die Frage der Schaffung eines Verkehrsrates hat die Regierung schon seit mehreren Jahren beschäftigt, ohne daß sie bisher konkrete Gestalt angenommen hätte. Es wäre Vorsorge zu treffen, daß die Verwaltung der Bundesbahnen in Zukunft ihre besondere Aufmerksamkeit auf innerbetriebliche Rationalisierungsmaßnahmen lenkt, wofür sie durch das jüngst beschlossene Anlehen von 600 Millionen Schilling zum Wiederaufbau von Bahnhöfen und zur Elektrifizierung die erforderliche Unterstützung findet.

Das Tätigkeitsfeld des Verkehrsrates — Nachfolger des einstigen Eisenbahnrates — müßte aber auch auf andere Gebiete ausgedehnt werden, so die Post, die Wasserstraßen, den Fremdenverkehr, das Kraftfahrwesen und die Zivilluftfahrt. Aus der Mitte des Verkehrsrates wäre ein ständiges Komitee von Fachleuten zu bilden, das die Bundesverwal- tung in ihren Bemühungen, die finanziellen Interessen der Bundesbahnen mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang zu bringen, zu unterstützen hätte.

In einer jüngst erschienenen aufschlußreichen Studie über den Autonomiegedanken der Staatsbahnen in Europa ist der Generalsekretär der schweizerischen Bundesbahnen, Dr. Wanner, zu nachstehender Schlußfolgerung gelangt: „Soll der Staat seine Funktionen gegenüber den Staatsbahnen mit politischer und sachlicher Autorität ausüberi können, so genügen Parlament und parlamentarische Kommissionen nicht mehr. Vielmehr wird es notwendig sein, der obersten Verkehrsbehörde durch Schaffung eines Verkehrsrates ein ständiges Experten- und Konsultationsorgan zur Verfügung zu stellen.“

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