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Autobahndilemma prolongiert

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Kürzlich beschloß die ÖVP-Bundes- parteileitung, nach der Budgeteinigung keine weiteren Belastungen der Bevölkerung zuzuiassen. Mit Ausnahme geringfügiger Tarifregu- lierungen bei den Bundesbahnen wird es daher in nächster Zeit weder zu einer Zuckerpreiserhöhung noch zur Einführung einer Fettsteuer kommen.

Für den Bereich der Landesverteidigung, wo in letzter Zeit wiederholt von einer Wehrsteuer oder Wehranleihe die Rede war, kam man im Gegensatz zu dieser Generallinie jedoch überein, weitere Beratungen auch mit den Oppositionsparteien aufzunehmen.

In einen Topf

Pech hatte allerdings Bautenmini- ster Dr. Kotzina, dessen Vorschläge zur Sanierung der unzulänglichen Straßenbaufinanzierung zusammen mit der Zuckerpreisfrage und der Fettsteuer einfach in den Topf der unzumutbaren Belastungen geworfen worden waren.

Die Ablehnung dieses als sinnvoll und notwendig anerkannten Konzeptes dürfte freilich der schmerzhafte Tribut gewesen sein, den die ÖVP für die Abwehr der Zuckerpreiswünsche der Industrie und der Fettsteuergelüste der Landwirtschaft zu leisten hatte.

Seit Jahren steht nämlich fest, daß die Neuordnung der Straßenbaufinanzierung angesichts der ständig sprunghaft steigenden Anforderungen an den Straßenbau ein wirklich dringendes Problem darstellt. Schon im Sommer 1965 präsentierte Doktor Kotzina, damals noch Staatssekretär im alten Hanidelsmini- sterium, der Regierung und dem Parlament eine Reihe von Sanierungsvorschlägen. "Als dann im heurigen Frühjahr mit der Bundesstraßengesetznovelle 1968 die Ausweitungen des geplanten Autobahnnetzes von 1090 Kilometer auf 1780 Kilometer beschlossen wurde, sah sich das Bau- tenministerium zum drastischen Hinweis veranlaßt, daß ohne Erschließung zusätzlicher Einnahmen an den Baubeginn neuer Vorhaben nicht zu denken sei. In der Folge verstärkte Dr. Kotzina in den zuständigen Parteigremien und in ten doch Fachleute errechnet, daß für die Fertigstellung des geplanten Autobahnnetzes Gesamtkosten von 56 Milliarden Schilling erwachsen werden. Bei gleichbleibender Dotierung ergibt sich daraus für das geplante Netz eine Bauzeit von 30 Jahren. Österreich würde demnach erst 20 Jahre nach der Errei- chung der Vollmotorisierung über die bereits jetzt beschlossenen Femver- kehrsrouten verfügen.

Das von Bautenminister Dr. Kotzina präsentierte Konzept sah die Ausschöpfung der im Dieselpreis enthaltenen Reserven vor, womit jährlich zusätzliche Einnahmen von 500 Millionen Schilling gewonnen und die Fertigstellungszeiten der gegenwärtig laufenden Vorhaben auf die Hälfte reduziert werden könnten. Für das Gesamtnetz von 1780 Kilometern hätte sich eine Bauzeitverkürzung von 30 auf 20 Jahre ergeben.

Schlummernde Reserven

Neben der Regulierung des Dieselpreises hat Dr. Kotzina noch vorge- schlagen, daß zur Straßenbaufinanzierung künftig nur noch jene Treibstoffverbraucher herangezogen werden sollten, die am Verkehrs - geschehen tatsächlich beteiligt sind. Dieser Teil des Konzeptes sah nämlich vor, der Landwirtschaft und jenem Zweig des gewerblichen Maschinensektors, der keine Transportaufgabe zu erfüllen hat, künftig die Heizölkonditionen mit einem Literpreis von 1.70 Schilling einzuräumen. Damit hätte eine weitere landwirtschaftliche Subvention abgebaut werden können. Gegenwärtig zahlt nämlich die Landwirtschaft den vollen Dieseltreibstoffpreis von 2.50 Schilling, erhält aber im Subventionsweg eine Rückvergütung. Für den Plan, die im Dieselpreis schlummernden Reserven für den Straßenbau zu mobilisieren, gibt es übrigens eine Fülle handfester Argumente:

• Der Endverbrauchspreis für Dieseltreibstoff liegt in Österreich weit unter den Preisen vergleichbarer Staaten Europas. (Österreich:2.50 Schilling, Italien: 3.12 Schilling, Frankreich: 3.46 Schilling, Schweiz: 3.83 Schilling, Deutschland: 3.97 Schilling.)

Auch nach der Erhöhung würde der Dieseltreibstoffpreis immer noch unter den Vergleichspreisen liegen.

Die Kilometerkosten sind beim Dieselfahrzeug um 50 Prozent niederer als beim benzinbetriebenen Kraftfahrzeug. Dem Dieselfahrer erwächst nicht nur wegen des niedrigeren Treibstoffpreises ein Vorteil, er fährt auch zufolge des geringeren Verbrauches weit billiger.

Obwohl der mit Dieseltreibstoff fahrende Schwerverkehr die Kosten für den Bau und die Erhaltung von Straßen beachtlich in die Höhe treibt, ist der Dieseltreibstoff an der Aufbringung der Straßenbaumittel nur mit 26 Prozent, das Ben-, zin hingegen mit 74 Prozent beteiligt.

Auf dem Dieseltreibstoff ruht eine Steuerlast von 39 Prozent, beim Benzin sind es hingegen 57 Prozent.

Die einer Subvention gleichkommende Begünstigung des Schwerverkehrs bei der Aufbringung der Straßenbaumittel stellt nicht nur eine unbegründete Diskriminierung der Pkw-Fahrer dar, sondern verzerrt auch die Konkurrenzverhältnisse von Schiene und Straße.

Noch nicht das letzte Wort!

Obwohl es in der Bundesparteileitungssitzung kaum Stimmen gegeben haben soll, die sich diesen Argumenten verschlossen hätten, konnte man sich schließlich wegen der anderen gleichzeitig erhobenen Forderungen nach Einführung der Fettsteuer oder Anhebung des Zuckerpreises nicht dazu entschließen, diesen Weg auch wirklich zu gehen.

Öle Bemühungen vdKI,nsÖSUfen- minister Dr. Kotzina scheinen allerdings doch nicht völlig vergebens gewesen zu sein. Die Bundesparteileitung hat nämlich nach eingehender Debatte beschlossen, daß über die Finanzierung des Straßenbaues nunmehr intensiv innerhalb der Regierung beraten werden soll. Wer sich dennoch in diesen Tagen auf unzulänglichen Straßen und mit rauchender Kupplung hinter einem „dicken Brummer“ in der Kolonne abquält, dem bleibt bei allem Ärger immer noch der Trost auf die nun angekündigten Konsultationen.

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