400 Milliarden einsparen

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40 Prozent unseres Einkommens geben wir für den Verkehr aus - zu viel, zu teuer, für die falschen Verkehrsmittel, so das Ergebnis einer Studie über die Kosten des Verkehrs.

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40 Prozent unseres Einkommens geben wir für den Verkehr aus - zu viel, zu teuer, für die falschen Verkehrsmittel, so das Ergebnis einer Studie über die Kosten des Verkehrs.

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Debatten über die Verkehrspolitik spielen sich meist als ideologische Kriege ab: Autofahrer gegen Rest der Welt. Dieser Streit verschleiert ein Grundproblem: Der Verkehr kostet uns insgesamt zu viel, phantastische 1.032 Milliarden Schilling! Das errechnete jedenfalls der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) in einer kürzlich erschienenen Studie. Noch nie sei so viel für Verkehrsleistungen ausgegeben worden: Vor der Motorisierung habe man etwa sechs Prozent des Einkommens für die Mobilität ausgegeben. Heute seien es im Durchschnitt 15 und in Haushalten mit mehr als einem Auto sogar 21 Prozent.

335 Milliarden der Verkehrsausgaben seien nicht in den Preisen berücksichtigt, schätzt der VCÖ. Sie werden ausgeblendet. Die Ökonomen nennen das externe Kosten: beispielsweise Verkehrslärm oder Abgase. Beides bringt der Volkswirtschaft Nachteile, beeinträchtigt Gesundheit und Wohlbefinden, belastet aber nicht die Brieftasche jener, die Verkehrsleistungen in Anspruch nehmen, etwa den Frächter oder den Autofahrer.

Der Verkehr trägt somit nicht alle Kosten, die er erzeugt. Der Marktmechanismus liefert aber nur dort effiziente Ergebnisse, wo der Preis der Güter und Leistungen auch all deren Kosten widerspiegelt. Werden Kostenpositionen ausgeblendet, entsteht ein "Dumping-Preis". Das Gut wird verschleudert, zu viel davon nachgefragt. Und genau das geschieht auf dem Verkehrssektor Wie setzen sich nun diese Kosten von 1.032 Milliarden zusammen? Die größte Brocken sind die laufenden Aufwendungen für den Fahrzeugbetrieb (Fahrzeuge, Treibstoffe, Personal): 460 Milliarden Schilling. Knapp zehn Prozent davon entfallen auf den Bahn- und sechs auf den Flugverkehr. Alles übrige wird für den Straßenverkehr aufgewendet.

Als zweitgrößte Position scheinen die Zeitkosten für private und geschäftliche Wege in den Berechnungen auf: beachtliche 230 Milliarden Schilling. Wieviele Stunden verbringt der Normalverbraucher in Verkehrsmitteln: am Weg zur Arbeit, zum Shopping, zum Heurigen ... Und diese Zeit kann man bewerten. Im Berufsverkehr werden Arbeitskosten, in der Freizeit sogenannte Opportunitätskosten herangezogen. Bei diesen setzt man ein, was Menschen eine Stunde Freizeit wert ist. Das versuchen besondere Erhebungen zu erfassen, die zu Werten von 60 bis 100 Schilling pro Stunde kommen.

Viel Geld für Straßen Ins Gewicht fällt auch der Aufwand für die Verkehrsinfrastruktur, für die 106.000 Kilometer Straßen, das Schienennetz von 6.200 Kilometern, die Flugplätze und Bahnhöfe ... Er beläuft sich auf rund 105 Milliarden Schilling, wovon etwa 60 Milliarden in den Straßenverkehr wandern. Damit wendet Österreich einen größeren Teil seines Inlandsprodukts für Straßen auf als Deutschland oder die Schweiz.

Eine weitere Kategorie sind die Umwelt- und Gesundheitskosten des Verkehrs, dessen Emissionen nicht nur den menschlichen Organismus, sondern auch die natürliche Umwelt und die Bauwerke schädigen. Die Verkehrsunfälle (1996 Kosten von über 50 Milliarden Schilling) fallen ebenso in diese Rubrik wie die Lärmschäden (16 Milliarden) und die schwer abschätzbaren Folgen der Verkehrsabgase für das Klima. Bleibt noch eine Kostenposition von 130 Milliarden, die man als Anteil des Verkehrs an den Aufwendungen der allgemeinen staatlichen Aufgaben, beispielsweise im Gesundheitswesen, ansehen muß.

Eine wirtschaftlich sinnvolle Verkehrspolitik müßte dafür sorgen, daß möglichst alle diese Kosten bei der Inanspruchnahme des Verkehrssystems tatsächlich spürbar werden: Kostenintensiver Verkehr soll auch teuer sein. Davon sind wir derzeit jedoch weit entfernt. So nützen beispielsweise die Verbrennungsmotoren die Luft gratis. "Hier wäre ein Eingriff des Staates erforderlich, um einen fehlenden Marktmechanismus in Gang zu setzen," meint der VCÖ. Weitgehend unberücksichtigt bleiben auch die Unfall- oder Lärmkosten.

Marktverzerrende Effekte entstehen sogar durch staatliche Regulierungen. Typisch dafür die Pendlerförderung: sechs Milliarden für öffentliche Verkehrsmittel, 1,4 Milliarden für das "große Pendlerpauschale". Das bedeutet verzerrte Preise beim Berufsverkehr. Pendeln wird zuungunsten lokaler Aktivitäten gefördert.

Den meisten ist wohl auch nicht bewußt, daß das (überwiegend) kostenlose Parken auf öffentlichen Flächen, eine Subvention darstellt. Würde man es in Rechnung stellen, ergäbe das Kosten von 18 Milliarden Schilling.

Die Studie ist also insofern interessant, als sie den Verkehr konsequent auf alle seine Folgen abklopft und diese wirtschaftlich bewertet. So etwa auch das Stauproblem (Kosten von rund 90 Milliarden Schilling jährlich, vor allem verwartete Zeit). Die Benützung bestimmter Straßen sei zu billig, was zu dem übergroßen Andrang führt. Statt Geld durch "Absitzen von Zeit" zu vergeuden, wäre es sinnvoller, eine Maut für solche neuralgischen Verkehrswege einzuheben, lautet die Forderung.

Maut statt Stau Wie positiv sich dies auswirken kann, zeige die Bemautung des "Nam Sam"-Tunnels, eines Verkehrsengpaß in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul (siehe Graphik). Seit 1996 zahlen dort Pkw für die Tunnelbenützung - allerdings ausschließlich jene, in denen nur der Fahrer unterwegs ist. Busse, Taxis, Fahrgemeinschaften benützen den Tunnel gratis. Die Folgen: weniger Verkehr und dennoch mehr Reisende sowie eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit.

Einen weiteren Vorschlag unterbreitet die Studie: "Parkplätze zahlen statt suchen," heißt die Devise. Zeit und Geld im Gesamtwert von 14 Milliarden Schilling würden jährlich für die Parkplatzsuche aufgewendet, rechnet der VCÖ. Nur weniger als ein Fünftel davon wird derzeit an Parkgebühren eingehoben. Zu wenig, meint die Studie, denn schon jetzt kostet das Parken mehr als der Fahrer merkt: Er "ersitzt" sich während Parkplatzsuche den Parkplatz, verbraucht Treibstoff, statt für die Leistung zu zahlen.

Gibt es eine Alternative? Die systematische Bewirtschaftung öffentlicher Stellflächen, also noch weitaus mehr Parkgebühren. "Schrecklich, noch mehr zahlen!", werden die Autofahrerclubs aufschreien. Sie hätten recht, wenn das auf diese Weise lukrierte Geld einfach zum Stopfen von Budgetlöchern herhalten muß. Der VCÖ schlägt jedoch vor, es "jährlich zu gleichen Teilen auf die Bewohner der Gemeinde oder bei Großstädten auf die Bewohner des bewirtschafteten Stadtviertels" aufzuteilen. Eine Umschichtung der Mittel: Wer parkt, zahlt für die Inanspruchnahme der Leistung, und wer nicht Auto fährt, bekommt eine Abgeltung dafür, daß er die Straßen nicht als Parkraum verwendet. Für den einen oder anderen ein Anstoß, auf das kaum benützte Auto zu verzichten.

Die auf viele Detailfragen eingehende Studie appelliert insgesamt, die marktverzerrenden Wirkungen im Verkehrssektor abzubauen. Dabei ließen sich langfristig bis zu 400 Milliarden Schilling pro Jahr einsparen, meint der VCÖ - ein enormer Betrag, dreizehnmal höher als die geplante Steuerreform.

Leistungsfähiger Verkehr durch effiziente Preisgestaltung, VCÖ-Schriftenreihe, 64 Seiten, zahlreiche Graphiken, öS 240,

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