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UBER DEN MARKT STEUERN

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Überregionaler Wettbewerb und Arbeitsteilung sind zwei Ecksäulen, auf denen der Wohlstand der modernen Industriegesellschaft ruht. Voraussetzung dafür waren der Abbau der Binnen- und Außenzölle aber auch die Senkung der Transportkosten. Transportkosten und Verkehrsbehinderungen wirken sich nämlich auf die Intensität des nationalen und internationalen Güteraustauschs ähnlich aus wie Gewichtszölle und nichttarifari-sche Handelshemmnisse. Der Staat hat daher, um gesamtwirtschaftliche Entwicklungen zu beschleunigen, das Verkehrswesen in hohem Maße gefördert. Er finanzierte den Ausbau und die Erhaltung von Straßen und Wasserwegen ebenso wie die Verluste der Bahnverwaltungen.

Man sollte sich aber dessen bewußt sein, daß eine andauernde Subventionierung des Verkehrs zu suboptimalen Wirtschaftsstrukturen führt. Niedrige Transportkosten blähen die Nachfrage nach Verkehrsleistungen auf, es werden Produktivkräfte im Verkehr gebunden, die anderswo einen höheren Beitrag zum Sozialprodukt leisten könnten.

Sinnloser Verkehr

Die Wirtschaft versucht ihre Produktionskosten zu senken, indem sie mehr Transportleistungen nachfragt. Man muß dazu nicht unbedingt das bekannte Beispiel der Erdäpfel erwähnen, die angeblich von Deutschland nach Italien - oder umgekehrt -zum Waschen transportiert werden. Es genügt darauf hinzuweisen, daß jährlich über eine Million Tonnen Schrott, großteils per Lkw, von Deutschland an italienischen Stahlwerke geliefert und dort zu Baustahl verarbeitet werden, der dann wieder nach Deutschland zurückgeführt wird. Bei höheren Transportkosten würde sich diese Baustahlproduktion in Deutschland rechnen.

Die aktuellen verkehrsintensiven Produktions-, Güterverteilungs- und Konsumstrukturen stützen ein Verkehrswesen, dessen Kosten in hohem Maße die Gesellschaft trägt. Dabei geht es nicht nur um die sogenannten Wegekosten des Straßen- und Schiffsverkehrs und die Subventionierung des Bahnbetriebes. Transporte verursachen Lärm, Abgase und Verkehrsunfälle. Die damit verbundenen Kosten werden ebenfalls großteils sozialisiert. Das führte nicht nur zu suboptimalen Wirtschaftsstrukturen, sondern auch zum Widerstand breiter Bevölkerungsschichten gegen das Verkehrswachstum. Die Verlagerung von Gütertransporten auf Schiene und Schiff wird zwar begrüßt, der Bau

von neuen Bahntrassen, Containerterminals und Verschubbahnhöfen stößt aber ebenso auf umweltpolitischen Widerstand wie der Ausbau der Wasserstraßen und Hafenanlagen.

Das zunehmend „verkehrsfeindliche" Klima hat mit dazu beigetragen, daß die realen Investitionen in den Straßenbau in den letzten zehn Jahren jährlich um durchschnittlich fast fünf Prozent geschrumpft sind und auch die Bahninvestitionen leicht rückläufig waren.

Bei fallenden Treibstoff preisen und stagnierenden Bahnfrachttarifen ist aber die Transportnachfrage in den achtziger Jahren laufend gestiegen. Der Straßengüterverkehr hat zwar an Dynamik verloren, gegenüber der Bahn befindet er sich nach wie vor auf der Überholspur. Die Wachstumseinbußen im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr sind durch die zurückhaltendere Vergabe der Fahrgenehmigungen zu erklären. Die Bahn mußte im Inlandverkehr starke Rückgänge hinnehmen. Jedoch im grenzüberschreitenden Verkehr waren die Wachstumsraten mehr als doppelt so hoch wie in den siebziger Jahren.

Das ungebremste Wachstum des Personen-und Güterverkehrs auf der Straße bei gleichzeitig rückläufigem Straßenausbau wird zu vermehrten Stauungen führen. Politische Interventionen zur Lösung des Stauproblems zielen meist auf den Güterverkehr ab. An Sonn- und Feiertagen bestehen bereits seit längerem Fahrverbote für Lkw. Weitere temporäre

Fahrverbote und Transporteinschränkungen für bestimmte Güter auf besonders überlasteten Straßen sind nicht auszuschließen.

Zwangsläufig muß die Wirtschaft dann auf die Bahn ausweichen, die aber ebenso bald ihre Kapazitätsgrenzen erreichen wird. Die neuen Konzeptionen für den Bahnausbau deuten darauf hin, daß auch hier dem Personenverkehr der Vorrang vor dem Güterverkehr gewährt wird. Es zeichnet sich also im Güterverkehr eine Angebotsverknappung ab. Bisher führten Nachfrageüberhänge im Verkehr zu Stauungen beziehungsweise veränderter Transportdauer. Zielführender wäre freilich eine marktwirtschaftliche Steuerung der Verkehrsnachfrage. Wie fast überall in der Wirtschaft sollten auch im Verkehr Preismechanismen dafür sorgen, daß eine knappe Kapazität ökonomisch genutzt wird.

Konkret würde dies frequenzabhängige Straßenbenützergebühren für notorisch überlastete Straßenabschnitte und nachfrageangepaßte Bahntarife bedeuten. Durch die Einführung von Wettbewerbselementen - wie die Benützung des Schienenweges durch mehrere Bahngesellschaften - könnten im Bahnverkehr Effizienzsteigerungen erzielt werden. Wenngleich eine ökonomischere Nutzung der bestehenden Verkehrskapazitäten noch Wachstumsreserven für den Güterverkehr eröffnet, könnten Engpässe im Transportwesen langfristig doch erhebliche Friktionen in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auslösen. Es gilt daher die gesellschaftlichen Widerstände gegen den Verkehr abzubauen, um rechtzeitig den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur einleiten zu können.

Verkehr wieder gesellschaftlich akzeptabel machen: Dazu ist es notwendig, die sozialen Kosten des Verkehrs zu senken. Die Umweltverträglichkeit des Straßengüterverkehrs läßt sich durch technische Maßnahmen wesentlich verbessern. Verschärfte Normen für Emissionen bringen Entlastungen. Wichtig ist eine Senkung des Treibstoffverbrauchs und damit der C02-Emissionen. Zusätzlich fördern Abgaben auf Ankauf, Haltung und Betrieb von Lkw einen „umweltfreundlicheren" Fuhrpark und seinen „umweltschonenden" Einsatz. Die Unfallkosten lassen sich durch verbesserte Sicherheitsstandards senken.

Bei der Bahn ist es vor allem das Lärmproblem, das den Unwillen der Anrainer auslöst. Es ist durch technische Maßnahmen am rollenden Material, am Oberbau und durch Lärmschutztunnel zu lösen. Ein umweltschonender Ausbau des Straßen- und Schienennetzes ist teuer. Die Finanzierung der Infrastruktur durch die Benutzer, die Neutralisierung der Umwelt- und Unfallkosten durch Auflagen und Abgaben ist im Sinne einer gesamtwirtschaftlichen optimalen Nutzung der Ressourcen.

Verteuert sich der Verkehr, so wird sich die Güterproduktion umstrukturieren, die Transportnachfrage wird langsamer wachsen. Sowohl die verkehrspolitischen Intentionen der Bundesregierung als auch die jüngsten Richtlinien des Verkehrsministerrates der EG lassen eine Entwicklung in diese Richturig erwarten, eine rasche Umsetzung ist zu erhoffen.

Der Autor ist Verkehrsreferent im Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung.

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