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Kreisky, Kreisky und sein Team

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Knapp bevor Nationalratspräsident Anton Benya die Abgeordenten mit den besten Wünschen für einen erholsamen Urlaub entließ, passierte noch ein dicker Brocken das Hohe Haus. Ein Gesetz, das wahrlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als in der allgemeinen Aufbruchsstimmung zu erübrigen war; das Bundesministeriengesetz 1973.-

Der Artikel 77 der Bundesverfassung bestimmt, daß die Zahl der Bundesministerien, ihre Einrichtung und ihr Wirkungsbereich durch ein eigenes Bundesgesetz zu regeln sind. Diese Verfassungsbestimmung aus dem Jahr 1920 fand also nun, 53 Jahre später, in der letzten Sitzung der Frühjahrssession 1973 ihre gesetzliche Ausführung. Bis heute hatte man sich mit Allerhöchsten Entschließungen aus dem vorigen Jahrhundert beholfen und, was die organisatorische Gliederung betraf, Verwaltungsanordnungen der Monarchie übernommen, die fallweise den jeweiligen Bedürfnissen angepaßt wurden. Darüber hinaus steht einiges, wenn auch wenig genug, über den inneren Aufbau der Verwaltung, der Ministerien, in der Bundesverfassung selbst. Das sind Sachverhalte, die nicht für den Juristen allein von Interesse sein können; schließlich geht es um das Korsett der gesamten staatlichen Verwaltung.

Inhaltlich brachte das Bundesministeriengesetz, das am 1. Jänner 1974 in Kraft treten wird, jedoch einiges mehr als die Sanierung eines faktischen Zustandes und die (teilweise)

Bereinigung des Kompetenzwirrwarrs.

• Alle Verkehrsagenden wurden dem Verkehrsminister untergeordnet, der nunmehr Herr über Schiene und Straße ist;

• Energie- und Preiskompetenzen rückten ins Handelsministerium, das diese unangenehmen Dinge in Zukunft allein zu verdauen hat;

• Der Landwirtschaftsminister reichte das landwirtschaftliche Schulwesen an das Unterrichtsministerium und

• der Justizminister das Arbeitsrecht an das Sozialministerium.

• Einige wenige Agenden der Ge-sundheits- und Umweltschutzpolitik werden Dr. Leodolter übertragen.

Der Bundeskanzler selbst stärkte durch das Kompetenzgesetz seine Position: Die einzelnen Bundesminister sind verhalten, „laufend und freiwillig“ den Bundeskanzler über ihre Arbeiten zu informieren. Dieser Ausbau der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers bedeutet einen weiteren, vielleicht den entscheidenden Schritt in Richtung einer „Kanzlerdemokratie“. Ob das verfassungsrechtliche Institut der „Ministerverantwortlichkeit“ davon wirklich völlig unberührt bleibt, wie die Regierungspartei versichert, darf bezweifelt werden. Tagespolitisch ausgedrückt: Kreisky, Kreisky und sein Team. Wobei des Kanzlers gestärkte Richtlinienkompetenz das besitzanzeigende Fürwort in ein neues Licht rückt.

Wesentlicher Kritikpunkt der großen Oppositionspartei, die das Gesetz insgesamt auch ablehnte, war freilich jene Bestimmung (§ 7/12), die die Möglichkeit vorsieht, in den einzelnen Ressorts „sonstige organisatorische Einrichtungen“ zu schaffen. Mit dieser Generalklausel ist die gesetzlich fixierte Geschäftseinteilung jederzeit wieder abänderbar. Auch die nunmehr im Gesetz ausdrücklich festgehaltene Bestimmung, daß dem Minister politische Berater beigegeben werden können, ändert das bisherige System der Bundesverwaltung ganz entscheidend. An die Seite der Berufsbeamten treten politische Beamte. Beamte auf Zeit.

Die starke Abhängigkeit der Höchstgerichte vom Kanzleramt hingegen wird auch vom „Ministeriengesetz 1973“ nicht abgebaut. Auch nach dem 1. Jänner 1974 werden diese Ämter der Kontrolle weiterhin vom Kontrollor abhängen.

Der einfache Staatsbürger wird durch das Kompetenzgesetz mit dem Grundsatz der behördlichen Auskunftspflicht beschenkt. Bei aller Wahrung der Amtsverschwiegenheit hat der einzelne einen Rechtsanspruch auf Auskunft durch die Behörde. Eine grundsätzliche Regelung, die zu begrüßen ist. Nicht nur deshalb, weil es seit 1970, seit Kreiskys Regierungsantritt, bei einer großen Zahl Beamten mehr, viel mehr zu erfragen gibt: Bei 8 Prozent mehr Sektionen, bei 31 Prozent mehr Gruppen, bei 14 Prozent mehr Abteilungen, bei 25 Prozent mehr Referenten. Bei insgesamt 6500 Beamten mehr.

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