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Budget und Parlament

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Mit deutlichem Unbehagen sehen informierte Beobachter den kommenden Budigetberatumgen des Nationalrates entgegen. Schon die bisher bekanntgewordene Zeiteintei-lung läßt darauf schließen, daß Arbeitskraft und Nerven der Abgeordneten wieder einmal bis zum Rande der Erschöpfung strapaziert werden dürften: Erst am 23. Oktober wird Bundesminister Dr. Schmitz den Bundesvoranschlag für 1968 dem Nationairat mit einer einbegleitenden Rede vorlegen.

Man darf nun nicht glauben daß das innerparteiliche Ringen der ÖVP um einen angemessenen Haushaltsplan für das kommende Finanzjahr auf die Auseinandersetzung zwischen Regierungsmehrheit und Opposition im Parlament keine Konsequenzen haben wird. Es ist das gute Recht maßgeblicher ÖVP-Pölitiker, die Schwierigkeiten bei der Erstellung des Bundesbudgets auf die Koalitionszeit zurückzuführen, Ebenso ist es das Recht der Opposition, auf dem Forum des Parlaments die faulen Kompromisse anzuprangern, die nunmehr innerhalb der ÖVP bzw. innerhalb der Bundesregierung vom Fmanzmiinristar mit seinen Regierungskollegen ausgehandelt werden mußten. Für solch scharfe Auseinandersetzungen ist es keinesfalls günstig, wenn Ausschuß- oder Plenarsitzungen des Nationalrates ohne Unterbrechung bis in die späten Abendstunden geführt werden.

Die zahllosen Meldunigen von der Budgetfront, Diskussionsbeiträge, Kritiken und Anregungen haben im übrigen etwas in den Hintergrund treten lassen, worum es gegenwärtig auch oder vielleicht sogar in erster Linie geht. Die Nachrichten der letzten Woche erwecken den Eindruck, als ob -das Buinidesbudget vor allem ein wirtschaftspolitisches Instrument zur Regulierung der Konjunktur sei. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß gerade der Bunidesrninister für Finanzen jüngst im Parteiorgan der ÖVP feststellte: „Eine antizyklische Finanzpolitik hat sich in Österreich infolge 'des hohen Anteils der gesetzlichen Verpflichtungen am Budget in der Hochkonjunktur fast als undurchführbar erwiesen... Neben den Zielen der Budgetpouiitik, wie Konjunkturpolitik und Wachstumsförderung, Geldwerterhaltung, Vollbeschäftigung, bessere Einkommensverteilung, bleibt das erste Ziel die Finanzierung der Aufgaben des Staates!“ Tatsächlich sind ja jeweils etwa 70 bis 80 Prozent der Budgetauagaben gesetzliche Verfechtungen. Hier liegt ein echter Zielkonflikt zwischen Wirtschaftspolitik und RechtspoMtik vor: Wirtschaf tspoli-tisch wäre eine möglichst große Flexibilität des Staatshaushaltes er-

wünscht; rechtspolitisch aber darf das Staatshandeln nur innerhalb der von Gesetzen vorgezeichneten Bahnen erfolgen.

Regierung und Parlament haben sich bisher über diesen Zielkonflikt vor allem durch Ermächtigungen an den Bundesmiinisiter für Finanzen hinwegzuhelfen versucht. Bereits im Dezember 1962 hat der Verfassungsgerichtshof bekanntlich zahlreiche Bestimmungen des Bundesfinanz-gesetzes für das Jahr 1962 als verfassungswidrig aufgehoben. Mit einem weiteren Erkenntnis vom Dezember 1966 entschied derselbe Gerichtshof über die Verfassungs-widriigkeit einiger im Bundesfinanz-gesetz 1966 enthaltener Ermächtigungen an den Bundesminister für Finanzen; und schließlich hat die Wiener Landesregierung auch das Bundesfinanzgesetz für das laufende Jahr beim Verfassungsgerichtshof angefochten.

In dieser Situation entschloß sich die Bundesregierung zu zwei Maßnahmen: Sie arbeitete zur Neuordnung des HauSbaltsrechtes des Bundes ein Bundesverfassungsgesetz aus, durch welches die Artikel 42 und 51 unserer Bundesverfassung abgeändert und ergänzt werden sollen; ferner ließ sie den Entwurf eines Bun-deshaushalltsgesetzes dem Begutachtungsverfahren unterziehen. Nach Ansicht der Bundlesregierung soll die Neuordnung des HaushaHsrechts des Bundes — also die Verfassungsänderung — die bisher stets möglich gewesene Diskussion darüber, ob die konkreten, im jährlichen Bundesfinanzgesetz enthaltenen Ermächtigungen an den Bundesminister für Finanzen verfassungsmäßig sind oder nicht, entbehrlich machen. Hingegen soll ein neues Bundeshaushaltsgesetz die derzeit das Haiushaltswesen des Bundes regelnden Bestimmungen in einem einzigen Gesetz in übersichtlicher Weise zusammenfassen und teilweise neu gestalten. Nach Ansicht der Bundesregierung soll die Verfassungsänderung wohl zweckmäßig, jedoch nicht notwendig sein und das neue Bundeshaushaltsgesetz auch auf dem Boden des geltenden Ver-fassunjgsrechtes erlassen werden können.

Für die Öffentlichkeit sind manche diffizile Einzelprobleme juristischer Art in diesem Zusammenhang kaum verständlich. Aber es genügt festzustellen, daß schon jetzt gewichtige Bedenken gegen die dargestellte Rechtsansicht der Bundesregierung vorgebracht werden. Keinesfalls kann es angehen, mit dem neuen Haushaltsgesetz und mit dem jährlichen Haushaltsplan des Bundes so zu experimentieren, daß immer wieder Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof möglich sind. Anderseits kann das Haushaltsrecht des Bundes nicht so umgestaltet werden, daß das Budgetrecht der Volksvertretung — eines der ältesten und wichtigsten parlamentarischen Rechte überhaupt — entscheidende Emschränkungen

erfährt. Der Rechtsstaat birgt eben die Tragödie der Pflicht, auf den einfachsten, bequemsten und kürzesten Weg der Macht, die Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit diktiert, zu verzichten, um im Schweiße seines Angesichts den mühsamen und beschwerlichen Weg der Rechtmäßigkeit aller Handlungen und Unterlassungen unter die Füße zu nehmen! (Rene? Marcic)

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