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Rasche Lösung im Interesse aller

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Auch diese eben erwähnten Bestim-nungen hat der Verfassungsgerichts-lof aufgehoben. Damit fehlt für den “inanzminister der Weg zur Geld-leschaffung für die vom Staat durchführenden Investitionen, zum Beispiel bei der Post (Ausbau des Fernsprechnetzes), bei der Bundesbahn (Fertigstellung der Elektrifizierung), für den Wohnhauswiederaufbaufonds (Wohnhauswiederaufbauanleihe)... Als Begründung für die Aufhebung führte der Verfassungsgerichtshof im wesentlichen an, daß die betreffenden Bestimmungen dem Finanzminister bei der Geldbeschaffung zu freie Hand ließen und eine eingehendere Regelung erforderlich sei. Diese Ansicht des Verfassungsgerichtshofs ist rechtstheoretisch sicherlich vertretbar, aber wirtschaftlich sehr problematisch. Es ist nun einmal so, daß ein ausländischer Geldgeber nicht so lange mit seinem Anbot zuwartet, bis der Nationalrat mit seiner Beratung über das Kreditangebot zu Ende ist. Da die hier zu beschaffenden Gelder jedoch dringend zur Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung und zur Durchführung einer vernünftig terminisierten Investitionspolitik erforderlich sind, also Angelegenheiten betreffen, die beiden Koalitionsparteien am Herzen liegen, sollte auch hier im Intersse des allgemeinen Wohls bald eine verfassungskonforme, allgemein annehmbare Lösung gefunden werden können. Dieser Gesichtspunkt muß auch bei der Ersetzung der aufgehobenen Bestimmung über die Veräußerung von Bundeseigentum gelten. (Mit der Genehmigung des Abverkaufs einer alten Amtsschreibmaschine den Nationalrat zu befassen, wäre abwegig.)

Schließlich hat der Verfassungs-perichtshof den Artikel VI des Bun-desfinanzgesetzes 1962 als verfassungswidrig aufgehoben. Hier stoßen die Richtlinien, die nach der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes bei der Auffassung gesetzlicher Ermächtigungen zu beachten sind, ebenfalls sehr hart zusammen mit dem Erfordernis einer praktikablen Gestaltung des

Budgets im Sinne einer Verwaltungsvereinfachung und einer Verwaltungsbeschleunigung. Der eben erwähnte Artikel handelt von Verfügungen über bewegliches und unbewegliches Bundeseigentum. Zu derartigen Verfügungen wird das Bundesministerium für Finanzen — innerhalb gewisser Wertgrenzen und unter Ausschluß bestimmter Vermögensobjekte — ermächtigt. Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß es in einem Rechtsstaat ein Ding der Unmöglichkeit ist, daß über Staatsvermögen nach Willkür verfügt wird. Aber in diesem Sinne wurde die Ermächtigung des Artikels VI nie aufgefaßt. Es handelte sich hier vielmehr um die Durchführung von Geschäften, die sich aus dem Zusammenhang gesetzlich geregelter Tätigkeit ergeben. Hierunter fällt zum Beispiel der Verkauf unbrauchbar gewordener Amtsschreibmaschinen oder ein beim Straßenbau erforderlicher Tausch von Liegenschaften. Die Natur der Sache läßt auch hier eine baldige Neuregelung zu.

Nach Wortlaut der Verfassung,..

Abschließend muß noch auf zwei Dinge hingewiesen werden, die, wie schon eingangs erwähnt, über den Anlaßfall hinausgehend von allgemeiner staatspolitischer Bedeutung sind. Zunächst: Der Verfassungsgerichtshof hebt in seinem Erkenntnis hervor, daß es nicht angeht, bei Lösung von Rechtsfragen über den eindeutigen Wortlaut der Bundesverfassung hinwegzugehen. Das ist eine deutliche Mahnung, die Verfassung wieder mit allem Ernst als allseitig verbindliches Wort zu betrachten, die klaren Bestimmungen über die Grenzen der einfachen Gesetzgebung zu beachten und nicht auf kaltem Wege eine Änderung der verfassungsrechtlichen Grundordnung zu versuchen, indem auf dem Umweg über Nebenregierungen und Nebenparlamente die legitime und allein dem Volk voll verantwortliche Regierung geschwächt wird. Wir müßten dabei ruhig gelten lassen, daß gerade auf dem Gebiet der Wirtschaftsverwaltung die Verfassungsrechtslage nicht mehr ganz der Verfassungswirklichkeit entspricht und sich daraus gewisse Fehler im Gesell-schaftsgefüge ergeben, denen jedoch mutig durch entsprechende Gesetzesvorlagen begegnet werden sollte. Damit sind wir bereits beim anderen: Der Verfassungsgerichtshof hob Bestimmungen, die eine sinnvolle Ordnung des Gemeinwohls bezwecken, auf, weil sie zu allgemein gehalten waren. Wir wissen freilich auch, daß bestimmte wirtschaftliche Vorgänge sich einer eingehenden gesetzlichen Regelung entziehen und in diese Richtung gehende Versuche in Vermachtung und Ungerechtigkeit enden (MM. 57). Die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Budgethoheit des Parlaments neuerlich gestellte Frage nach dem Ausmaß der wirtschaftspolitischen Aktivität des Staates fordert eine Antwort. Wir sollten uns bereithalten, sie im Sinne eines sozial aufgeschlossenen Subsi-diaritätsprinzips (MM. 58) im Spannungsfeld der Gemeinwohlgerechtigkeit zu suchen.

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