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Zwei Entwürfe

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Als im Jahre 1946 die Frage der Umwandlung der Bundesbahnen in einen Wirtschaftskörper aufgeworfen wurde, wurden zwei Entwürfe erstellt, die beide, obgleich die Geschäftsführung an die Weisungen des Bundesministeriums für Verkehr gebunden bleiben sollte, die Bundesbahnen als juristische Persönlichkeit vorsahen. Nach beiden Entwürfen sollte ein Direktorium für die Betriebsverwaltung verantwortlich sein. In dem einen Fäll war zudem ein Aufsichts-rat vorgesehen, dem die Überwachung der Geschäftsführung der Unternehmung „österreichische Bundesbahn“ bei gleichzeitiger Wahrung allgemeiner Interessen obliegt, während in dem anderen Fall die Errichtung eines Eisenbahnrates zur Wahrung der öffentlichen Interessen und zur Beratung des Bundes-miriisteriums für Verkehr und der Unternehmung „österreichische Bundesbahnen“ vorgeschlagen wurde. ' Der eine Entwurf, der den Aufsichtsrat vorsieht, wurde von den zuständigen Kammern übereinstimmend dahin begutachtet, daß die letzte Entscheidung über die Einführung eines selbständigen Wirtschaftskörpers auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden solle, bis eine Normalisierung der Verhältnisse in Österreich eingetreten sei. Die Bundesregierung gelangte damals auf Grund dieser Berichte zu dem Beschluß, daß die Bildung eines Wirtschaftskörpers derzeit nicht realisierbar, aber immerhin für späterhin ins Auge zu fassen sei. Das deutsche Bundesbahngesetz vom 15. Dezember 1951 weist nunmehr den Weg, auch in Österreich die Bundesbahnverwaltung auf eine neue Grundlage zu stellen.

Gleich dem österreichischen Bundesgesetz vom 19. Juli 1923 über die Bildung eines Wirtschaftskörpers „österreichische Bundesbahnen“, das seither leider außer Kraft getreten ist, weist auch die deutsche Bundesbahnverwaltung nachstehende Organe auf: erstens den Vorstand, zweitens den Verwaltungsrat. Der Vorstand besteht aus 4, der Verwaltungsrat aus 20 Mitgliedern. Dem Verwaltungsrat, der von der Bundesregierung ernannt wird, gehören je 5 Mitglieder des Bundesrates, der Gesamtwirtschaft und der Gewerkschaften an. Die Vollmachten und die starke Stellung des Verwaltungsrates legen seinen Mitgliedern eine große Verantwortung auf. „Die Bahn braucht einen starken Verwaltungsrat, dem die volle Kompetenz in den geschäftlichen und den betriebswirtschaftlichen Fragen einzuräumen ist“, meint dazu der frühere Generaldirektor der Deutschen Bundesbahn, Fritz Busch.

Das Deutsche Bundesbahngesetz enthält auch Bestimmungen über das Tarifwesen, denen eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Gegensatz zur österreichischen Gesetzgebung ist die Regelung des Tarifwesens der parlamentarischen Einflußnahme entzogen. Alle Änderungen der Normaltarife und Aus-nahmetarife bedürfen nur mehr der Genehmigung des Bundesyerkehrsministers. Eine gleiche Bestimmung ist auch im schweizerischen Bundesbahngesetz vom 13. Juni 1944 enthalten.

Bei seinem letzten Besuche in Wien meinte der USA-Minister F o s t e r in einer Pressekonferenz, daß das österreichische Verstaatlichungssystem den Unternehmungsgeist und den freien Wettbewerb hemme. Die „New York Times“ fügte dieser Erklärung an, daß Österreich zu jenen drei Ländern gehöre, die trotz der Marshallhilfe die geringste Produktivität entwickelt haben. Dies, obwohl die USA seit 1945 Österreich 30 Milliarden Schilling Wirtschaftshilfe haben zukommen lassen.

Es dürfte daher einer der vordringlichsten Aufgaben des neuen Nationalrates nach den Wahlen sein, das deutsche Vorbild eingehend zu prüfen und auch bei den österreichischen Bundesbahnen eine Lage zu schaffen, die eine Steigerung sowohl der Produktion wie der Produktivität verbürgt.

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