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Das große Nationalisierungsunternehmen Frankreichs

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Da Österreich im Begriffe steht ein sehr großzügiges Sozialisierungsprogramm zu verwirklichen, sind die Erfahrungen, die eben jetzt andere Staaten mit verwandten Unternehmungen machen, aufschlußreich und nützlich. Denn es ist im allgemeinen Neuland, das die Sozialreform hier betritt, und nichts wäre dem Vorhaben abträglicher, als~ konstruktive Fehler in den Anfängen des neuen Aufbaues, hervorgerufen aus dem Mangel an Vorsicht. Die in Frankreich gewählte Zielstellung zeigt gewisse Parallelen zu den österreichischen Sozialisierungsplänen. Die Anlage der französischen Neugestaltung — an Mißdeutungen hat es auch bei uns nicht gefehlt — und ihr Beginn geben wichtige Beobachtungspunkte. Der großen volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Gegenstandes entspricht die ausführliche Darstellung des geschätzten Verfassers, das Ergebnis einer jüngst in Frankreich persönlich gemachten Erkundung. „Die Furche“

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Da Österreich im Begriffe steht ein sehr großzügiges Sozialisierungsprogramm zu verwirklichen, sind die Erfahrungen, die eben jetzt andere Staaten mit verwandten Unternehmungen machen, aufschlußreich und nützlich. Denn es ist im allgemeinen Neuland, das die Sozialreform hier betritt, und nichts wäre dem Vorhaben abträglicher, als~ konstruktive Fehler in den Anfängen des neuen Aufbaues, hervorgerufen aus dem Mangel an Vorsicht. Die in Frankreich gewählte Zielstellung zeigt gewisse Parallelen zu den österreichischen Sozialisierungsplänen. Die Anlage der französischen Neugestaltung — an Mißdeutungen hat es auch bei uns nicht gefehlt — und ihr Beginn geben wichtige Beobachtungspunkte. Der großen volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Gegenstandes entspricht die ausführliche Darstellung des geschätzten Verfassers, das Ergebnis einer jüngst in Frankreich persönlich gemachten Erkundung. „Die Furche“

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Der jetzigen Nationalisierungsepoche in Frankreich ist in beschränktem Rahmen eine Periode der Wirtschaftsverstaatlichung vorausgegangen. Auch sie wurde als ein Unternehmen zum Abbau der privatkapitalistischen Wirtschaft gedeutet. Diese Verstaatlichungsperiode begann nach dem ersten Weltkrieg und dauerte bis zur Befreiung Frankreichs im Jahre 1944. Die größte dieser Aktionen war die Verstaatlichung der Eisenbahnen, die im Jahre 1937 durch die damalige sozialistische Regierung vollendet wurde. Der Staat übernahm 52 Prozent der Aktien der alten Gesellschaften, 48 Prozent blieben in den Händen der bisherigen Aktionäre. Die nunmehrige Verwaltung der verstaatlichten Eilenbahnen SNCF (Societe nationale des chemins de fer francaises) wird durch einen Verwaltungsrat von 20 Mitgliedern geführt. Diese setzen sich zusammen aus: 10 Mitgliedern als Vertretern des Staates, 5 Mitgliedern als Vertretern der früheren Privatgesellschaften, 5 Mitgliedern als Vertretern der Arbeiter- und Angestelltens.chaft. Der Präsident wird aus den Vertretern des Staates auf Vorschlag des Ministers für Arbeiten und Finanzen durch den Ministerrat ernannt.

Ein Teil der Gewinne wird zur Zurückzahlung der staatlichen Vorschüsse verwendet, der Rest als Reserve. Doch werden aus den Gewinnen Erfolgsprämien an die Arbeiter- und Angestellten sowie an den Verwaltungsapparat proportional zu allfälligen kaufmännischen und technischen Betriebserfolgen ausbezahlt.

Verstaatlicht wurden ferner die Luft-rüstungsindustrien, die ja in der Tat fast ausschließlich Lieferanten des Staates waren. Man vereinigte sie in sechs regional gegliederte Gesellschaften, die zu 90 Prozent dem Staate gehören, der einen amtlichen Vertreter in den Verwaltungsrat entsendet und zwei Drittel der Verwaltungsräte ernennt. Die restlichen Verwaltungsräte werden von den ehemaligen Gesellschaften gestellt. Die Gewinne werden nach den Grundsätzen der Aktiengesellschaften aufgeteilt.

Der Verstaatlichung verfiel auch die Nachrichtenagentur „Agence Havas“ durch die Vichy-Regierung, die damit den Nachrichtenapparat unter staatliche Kontrolle brachte; das neue mit Rechtspersönlichkeit und Finanzautonomie ausgestattete öffentliche Institut wurde “nach der Befreiung Frankreichs in die AFP (Agence France presse) umgewandelt, schon mit der Absicht, diesen Betrieb zu vergenossenschaftlichen. Die Reklameabteilung des Instituts wurde bereits in eine Genossenschaft umgewandelt: Sämtliche Mitglieder der Verwaltung werden von der Regierung ernannt.

Die Verstaatlichungsaktion hatte somit in Frankreich bis zur Befreiung im Jahre 1944 nur recht geringen Umfang und blieb weit hinter den Ausmaßen der österreichischen Planung zurück. Die wirtschaftlichen Ergebnisse sind nur bei den Eisenbahnen positiv zu bewerten.

Der soziale Ertrag dieser Verstaatlichungen war so gering, wenn überhaupt von einem solchen gesprochen werden konnte, daß das Verlangen nach einer ernsteren Reform sich immer lauter erhob. Die Pläne beschäftigten schon geraume Zeit vor Kriegsende weite Kreise Frankreichs, vor allem die führende Schichte der Widerstandsbewegung, aber auch die provisorische Regierung des Generals de Gaulle, die in London ihren Sitz hatte. Die Bestrebungen verliefen nicht mehr in den Geleisen der bisherigen Verstaatlichung.

Die führenden Männer der christlichdemokratischen Republikanischen Volksbewegung (MRP), die alle in der Widerstandsbewegung tätig waren, sowie auch die Führer der christlichen Gewerkschaften gingen bei ihren Planungen von dem Grundsatze aus, die angestrebte struktuelle Änderung dürfe nicht darin bestehen, daß an Stelle des liberalen Kapitalismus ein Staatskapitalismus, das heißt eine kollektivistische Wirtschaftsform trete. In einer solchen, in entscheidender Weise vom Staate geführten Wirtschaft, sinke die Stellung des Arbeiters zu einem Unertanen des Staates herab, das heißt an Stelle des privaten Unternehmers trete der Staat, der genau so seine Wirtschaftsmethoden von dem Rentabilitätsprinzip leiten lasse, wie das private Unternehmen, nur viel größere Gewalt gegen den Arbeitnehmer besitze. Die Männer der MRP und die christlichen Gewerkschafter sahen die Lösung in einer Reform, die in der neuen Organisationsform neben dem Staate von der Bevölkerung und den Berufsorganisationen mitverwaltet werden. Das Eigentum dieser Betriebe sowie deren Verwaltung solle nieht verstaatlicht, sondern „nationalisiert“, werden, das heißt, der Allgemeinheit gehören und von ihr auch verwaltet werden.

Die Nationalisierung erfaßt sämtliche Kohlengruben, die Banken und Kreditinstitute, die Renault-u n d die Flugmotorenwerke Gnome & Rhone, die Luftfahr-und die Gas- und Elektrizitätsgesellschaften sowie die privaten Versicherungsanstalten.

Sämtliche Kohlengruben werden künftig von öffentlich-rechtlichen Nationalorganisationen, mit Rechtspersönlichkeit und finanzieller Autonomie verwaltet. Dem dient ein doppelter Verwaltungsorganismus, ein zentraler und ein regierender:

„C h a r b o n a g e de France“ ist der zentrale Organismus sämtlicher Kohlengruben, ein übergeordneter Leitungsapparat, der die Aufgaben der verschiedenen Kohlenbecken zu koordinieren, einen allgemeinen Produktionsplan der Regierung vorzulegen und die Preiskalkulation und Verkaufspreise gleichfalls der Regierung zu unterbreiten hat. Ihr obliegt es, die wissenschaftliche Forschung zu leiten, zu entwickeln und zu koordinieren und die Berufsausbildung sicherzustellen und einen allgemeinen Kontenplan für alle Grubenbetriebe aufzustellen.

„H ouilleres de bassi n“, örtlich zu einer fiinheit zusammengefaßte Kohlenbecken, sind die örtlichen Produktions- und Verkaufsorganisationen. Ihnen fällt es zu, die Produktion zu entwickeln, für die beste technische Auswertung der Gesamtwirtschaft anzupassen, und für eine aktive Produktionsbilanz zu sorgen, sich unter der Kontrolle der Charbonage de France, jedoch selbständig, die notwendigen Finanzmittel zur Bewältigung der gestellten Aufgaben zu beschaffen. Sie unterliegen der Kontroll des örtlichen Vertreters des Rechnungshofes. Die Verwaltungsorgane

Bei der Charbonage de France besteht ein Verwaltungsrat aus 18 Mitgliedern, die durch den Ministerrat ernannt sind und zwar:

6 Vertreter des Staates, wovon 2 vom Minister für nationale Produktion, 1 vom Wirtschaftsministerium, 1 vom Finanzministerium, 1 vom Arbeitsministerium und

1 vom Verkehrsministerium vorgeschlagen werden.

6 Vertreter der Konsumentenschaft, wovon 3 den hauptsächlichsten Verbraucherindustrien und 3 den Haushaltsverbrauchern zu entnehmen sind (einer wird von der nationalen Organisation der Familie und

2 von den Gewerkschaften in Vorschlag gebracht).

6 Vertreter der Arbeiter- und Angestelltenschaft, die von den Gewerkschaften nach Berufsgruppen in Vorschlag zu bringen (also nicht frei zu wählen), sind (Arbeiter, Angestellte, Ingenieure, leitendes Personal und so weiter).

Der Generaldirektor der Charbonage de France wird auf Vorschlag des Verwaltungsrates durch den Ministerrat ernannt. Die Präsidenten der Verwaltungsräte der örtlichen Kohlengruben können an den Versammlungen der Verwaltungsräte der Charbonage de France mit konsultativer Stimme teilnehmen, soweit Fragen erörtert werden, die ihr Kohlenbecken direkt berühren.

Bei den Houilleres debassin wird jedes örtliche Köhlenbecken von einem Verwaltungsrat von 19 Mitgliedern verwaltet, die vom Produktionsminister ernannt werden Der Verwaltungsrat setzt sich wie folgt zusammen:

6 Vertreter der „Charbonage de France“ auf Vorschlag des Verwaltungsrates der Charbonage. Der Verwaltungsrat darf dabei nur Personen in Vorschlag bringen, die nachweisliche Eignung für die Führung von Grubenbetrieben und eine solide Kenntnis der industriellen Geschäftsführung besitzen.

6 Vertreter der Konsumentenschaft; 2 dieser Vertreter sind durch die örtliche Handelskammer für die Industrieabnehmerschaft, 2 Vertreter für die örtliche Haushaltabnehmerschaft durch den örtlichen staatlichen Verwaltungsapparat in Vorschlag zu bringen und 2 Vertreter als Interessenvertreter der gesamtfranzösischen Konsumentenschaft durch das Produktionsministerium zu nominieren.

7 Vertreter der Arbeiter- und Angestelltenschaft, die ebenfalls nach Berufsgruppen aufgeteilt und durch die Gewerkschaften in Vorschlag gebracht werden.

Der Generaldirektor der örtlichen Kohlenbecken wird auf Vorschlag des Verwaltungsrates durch den Produktionsminister ernannt.

Durch die Gesetze vom 2. Dezember 1945, 8. April 1946 und die beiden Gesetze vom 17. Mai 1946 wurden die Banque de France als Notenbankinstitut und die Banque d'Al-gerie als Notenbankinstitut für Algerien, sowie die Credit Lyonnais, die Societe Generale, das Comptoir d'Escompte, die Banque nationale pour le commerce et l'indu-strie nationalisiert. Diese Maßnahme geschah, um den Wiederaufbau des Landes und seiner Industrie in geeigneter Weise lenken zu können und das Bank- und Kreditwesen dem allgemeinen Wirtschaftsplan einzuordnen.

Der NationalratfürdasKredit-wesen, der sich aus 38 Mitgliedern zusammensetzt (10 Mitglieder aus den großen wirtschaftlichen, industriellen, Handeis- und landwirtschaftlichen Organisationen, 7 Mitglieder aus den Gewerkschaften, 7 Mitglieder aus den wichtigsten Ministerien, 7 Vertreter der Banker und 7 Vertreter der wichtigsten staatlichen Finanzeinnchtungen.) Dieser Nationalf bildet aus sich heraus wieder 4 Ausschüsse für Kreditpolitik, für langfristige, kurzfristige, mittelfristige Anlagen und für den Außenhandel. Der Nationalrat für Kreditwesen hat die Richtlinien für die gesamte Kreditpolitik des Landes festzulegen und zu überwachen. Ihm obliegt es im besonderen, die Wirtschaft mit ausreichendem Kredit zu versorg en und die für den Wiederaufbau einzelner Wirtschaftszweige notwendigen Kreditmittel zur Verfügung zu stellen.

Der Präsident des Nationalrates für Kreditwesen wird von den Mitgliedern des Rates gewählt und vom Finanzminister bestätigt.

Der Bankenkontrollkommission kommt unter dem Vorsitz des Gouverneurs der Banque de France die Kontrolle der Banken über die Einhaltung der vom Nationalrat für Kreditwesen herausgegebenen Richtlinien zu.

Der Verwaltungsrat der einzelnen Banken setzt sich zusammen aus:

4 Vertretern, die vom Wirtschaftsminister bestimmt werden aus den Kreisen der Industrie, Landwirtschaft und des Handels,

4 Vertretern der Gewerkschaften, wovon 2 der Gewerkschaft der Angestellten aus den nationalisierten Banken angehören müssen,

4 Vertretern, die durch den Finanzminister bestimmt werden.

Der Verwaltungsrat wählt seinen Präsidenten, der vom Finanzminister bestätigt wird.

Im übrigen wurde für die Banken eine genaue Abgrenzung ihrer Arbeitsgebiete festgelegt, nach Art ihrer Einlagen (kurzfristige, mittelfristige, langfristige). An den Rechten und der Art der Entlohnung des Bankpersonals wurde bisher noch nichts geändert.

Banque de France: Die bisherigen Aktionäre der Bank erhielten amortisable Obligationen mit einer Verzinsung von drei Prozent, die innerhalb von 50 Jahren amortisiert werden müssen. Sämtliche leitende Funktionäre der Bank werden vom Ministerrat bestellt. Dasselbe gilt für die Banque d'AlgeVie, die in Algerien dieselbe Stelle einnimmt, wie die Banque de France in Frankreich.

Auf Grund der Gesetze vom 16. Jänner 1944 und vom 18. Juli 1945 wurden die Louis Renault gehörenden „Renault-Werke“ unter dem Titel „Regie nationale des usines Renault“ nationalisiert. Als Grund der Nationalisierung wird die deutsch-freundliche Haltung Renault während des deutschfranzösischen Waffenstillstandes bezeichnet.

Die Regie nationale wird von einem Generaldirektor geleitet, dr vom Wirtschaftsministerium ernannt wird. Der Verwaltungsrat schlägt dem Finanzminister den Gneraldirektor vor. Der Verwaltungsrat besteht aus 15 Mitgliedern, und zwar aus 7 Vertretern der einzelnen Ministerien, 2 Vertretern der Hauptabnehmerorganisationen, 6 Vertretern der Arbeiter- und Angestelltenschaft. Neben diesem Verwaltungsrat steht ein örtlicher und ein zentraler Betriebsausschuß.

Die Gewinne werden zwischen dem Staat, den sozialen Einrichtungen und der Belegschaft nach einem erst gesetzlich festzulegenden Schlüssel aufgeteilt.

Auf Grund des Gesetzes vom 29. Mai 1945 wurde die genannte Gesellschaft nationalisiert, da sie als wichtiger Erzeuger von Flugmotoren eigentlich bereits in den Rahmen der schon verstaatlichten Luftrüstungsindustrien gehört habe und weil das Verhalten der Leiter der Gesellschaft besonders staatsfeindlich gewesen. Die Bestimmungen über die Verwaltungsform der Gesellschaft und über die Ablöse der bisherigen Aktionäre liegen noch nicht vor.

Auch für die erfolgte Nationalisierung der Luftfahrtgesellschaften: Air France, Air bleu usw., fehlen noch Ausführungsbestimmungen

Auf Grund des Gesetzes vom 8. und 9. April 1946 wurden alle Gas- und ElektrizitStsgesellschaften nationalisiert. Ein Zusatzgesetz, das vor dem 31. März 1947, von der Nationalversammlung beschlossen werden muß, hat die noch offenen Einzelheiten zu bestimmen.

Electricite de France, Service nationale, hat die Führung sämtlicher nationalisierter Elektrizitätsgesellschaften zu übernehmen. Die Electricite de France wird von einem Verwaltungsrat von 18 Mitgliedern geleitet, von denen 6 Vertreter der verschiedenen Ministerien, 6 Vertreter der Stromabnehmer, wie Industrie usw., und 6 Vertreter der Belegschaft sind. Der Generaldirektor wird durch den Ministerrat bestellt und muß seine Fachbefähigung nachweisen.

Neben der Electricite de France wurden die Services regionaux als örtliche Betriebsorganisation geschaffen, die durch einen Verwaltungsrat geführt werden, der durch das Service nationale bestimmt wird. Er umfaßt 4 Vertreter des Service nationale, 6 Vertreter der Belegschaft, 8 Vertreter der Stromabnehmer, die von deren Organisation vorzuschlagen sind. Der Generaldirektor der örtlichen Gesellschaften wird vom Service nationale auf Vorschlag des örtlichen Verwaltungsrates bestellt.

Die bisherigen Aktionäre der Gesellschaften erhalten Obligationen, die 50 Jahre laufen und eine dreiprozentige Verzinsung bringen.

Die erzielten Gewinne werde zum Teil auf Neu Investitionen, der Rest einem nationalen Elektrizitätsfonds zur Verfügung gestellt, der von den drei derzeitigen Regierungsparteien verwaltet wird.

Für die Nationalisierung der Versicherungsgesellschaften bietet das Gesetz vom 25. April 1946 die gesetzliche Grundlage. 34 der größten Gesellschaften wurden ab 1. Juli 1946 nationalisiert und die Aktien dem Staat übertragen. Dies traf auch ausländische Versicherungsgesellschaften, soferne sie über einen Versicherungstock in Frankreich und in den Kolonien verfügen.

Es wird ein Nationalrat für Versicherungswesen geschaffen, dem angehören:

7 Vertreter des Staates,

7 Vertreter der Versicherten, und zwar der beiden Gewerkschaften der Handels- und der Handwerkskammer, der Handelskammer im Ausland und der Familienorganisation,

7 Vertreter der verschiedenen Berufsorganisationen.

Innerhalb jeder Versicherungsgesellschaft hat sich der Verwaltungsrat zusammenzusetzen aus

3 Vertretern, die durch den Na t ion a 1-rat für Versicherungswesen bestimmt werden, 3 Vertretern des Staates, 1 Vertreter der Angestelltenschaft, 1 Vertreter des leitenden Personals, 1 Vertreter der Agentenschaft, 3 Vertretern der bei der jeweiligen Gesellschaft Versicherten.

Es wird ferner eine Zentralkasse für Rückversicherungen geschaffen, dpren Verwaltungsrat

3 Vertreter (Fachvertreter, durch den Finanzminister bestellt), 3 Vertreter des Staates, 1 Vertreter der Angestelltenschaft, 1 Vertreter des leitenden Personals, 1 Vertreter der Agentenschaft, 3 Vertreter der Versicherten umfassen soll

Auch hier erhalten die bisherigen Aktionäre Obligationen, die dreiprozentig verzinst, und innerhalb von 50 Jahren amortisiert werden. Der rechtliche Status der Ange-stelltcnschaft bleibt vorläufig unverändert.

Eine abschließende Beurteilung der Nationalisierung in Frankreich, ihrer praktischen Durchführung und ihrer Aussichten, kann im Augenblick nicht gegeben werden, da die gesamten Maßnahmen erst im Anlaufen und naturgemäß viele Schwierigkeiten vorhanden sind. Zweifellos ist der von der MRP vertretene Gedanke, weite Volkskreise an der Verwaltung von Unternehmen, die für die Allgemeinheit von entscheidender Bedeutung sind, teilnehmen zu lassen und zu vermeiden, daß der Staat allein das entscheidende Wort zu führen hat, richtig. Das Gelingen des Versuches hängt davon ab, ob die führenden Stel-lnngenwirklich nurFachleuten fibertragen werden und deren Rechtsbefugnis gegenüber der Allgemeinheit m eindeutiger Weise festgelegt wird. Wichtig ist es ferner, daß ein schlagkräftiger und von allen Einflüssen unabhängiger Kontrollorganismus erstellt wird, dem die Leiter der nationalisierten Unternehmungen verantwortlich sind, und daß ferner die finanzielle Selbständigkeit jedes Unternehmens erhalten bleibt. Vorläufig sind die nationalisierten Unternehmungen der Kontrolle der Rechnungsprüfer; des Rechnungshofes und des Parlaments verantwortlich. Die endgültige Regelung ist jedoch erst in Vorbereitung.

Viel, vielleicht alles wird darauf ankommen, daß es ein Ausweichen vor der größten Gefahr gilt, vor der Gefahr nämlich, daß die nationalisierten Betriebe Schauplätze der Parteienkämpfe werden. Dieses Unheil hat schon bisher die Wirtschaft Frankreichs arg verheert.

Für Österreich ergibt sich aus den Wahrnehmungen, die das französische Sozialisie-rungsunternejimen vermittelt, eine warnende Erfahrung. Wenn nicht vom Anfang an kritische Risse das große Konzept stören sollen, ist es notwendig, rechtzeitig alle gesetzlichen und verwaltungstechnischen Einzelheiten für die Verwaltung tmd Leitung der verstaatlichten Betriebe nach genauer Abwägung aller wirtschaftlich möglichen Auswirkungen festzulegen. Dann erst sollen die Betriebe ihre ersten Schritte machen.

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