Österreich steht heute wieder an einem Wendepunkt seines sozialen Aufbaues. Tiefgreifende strukturelle Änderungen durch die sozialpolitische Gesetzgebung stehen bevor, die ihren sichtbaren Ausdruck in der Verstaatlichung, den Werkgenossenschaften und dem neuen Betriebsrätegesetz finden werden. Diese sozialen Reformen fallen zusammen mit der Hundertjahrfeier der ersten entscheidenden Bestrebungen in dieser Richtung. Hundert Jahre zähesten Ringens und Kampfes der Arbeiterschaft um ihre soziale Gleichberechtigung in den Betrieben — eine harte, mit vielen Rückschlägen verbundene Arbeit,
Da Österreich im Begriffe steht ein sehr großzügiges Sozialisierungsprogramm zu verwirklichen, sind die Erfahrungen, die eben jetzt andere Staaten mit verwandten Unternehmungen machen, aufschlußreich und nützlich. Denn es ist im allgemeinen Neuland, das die Sozialreform hier betritt, und nichts wäre dem Vorhaben abträglicher, als~ konstruktive Fehler in den Anfängen des neuen Aufbaues, hervorgerufen aus dem Mangel an Vorsicht. Die in Frankreich gewählte Zielstellung zeigt gewisse Parallelen zu den österreichischen Sozialisierungsplänen. Die Anlage der französischen Neugestaltung — an Mißdeutungen hat es auch bei uns nicht gefehlt — und ihr Beginn geben wichtige Beobachtungspunkte. Der großen volkswirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Gegenstandes entspricht die ausführliche Darstellung des geschätzten Verfassers, das Ergebnis einer jüngst in Frankreich persönlich gemachten Erkundung. „Die Furche“
Es ist eine eigenartige und wohl in der schöpferischen Weisheit begründete Erscheinung, daß Perioden mächtiger äußerer Umwälzungen, die von Zerstörung und schweren Heimsuchungen begleitet sind, der Ausgangspunkt neuer bedeutender geistiger Entwicklungen werden, in denen die Menschheit sprunghaft über die Vergangenheit und die Formen des früheren Gemeinschaftslebens hinausstrebt. Es ist so nicht zum ersten Male, daß der Katastrophe, die physisch und seelisch der zweite Weltkrieg über hunderte Millionen Menschen gebracht hat, das Drängen nach einem Gesetze des Zusammenlebens folgt