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Vor einem Gesetz gegen das Staatsbeamtentum ?

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Bereits vor einem Jahr, im Februar 1951 , stand- im Nationalratsausschuß für Verfassung und Verwaltungsreform ein sogenanntes .Personalausgleichsgesetz zur Debatte. Um einen gesetzestechnischen Widersinn zu vermeiden, hat der genannte Ausschuß damals die Verhandlungen über die Regierungsvorlage abgebrochen, weil nämlich in dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf eine Mitwirkung der Personalvertretungen vorgesehen ist, die gegenwärtig noch keine gesetzliche Grundlage in unserer Rechtsordnung erhalten haben. Um also nicht ein Mitwirkungsrecht von Institutionen gesetzlich zu verankern, deren allgemeine rechtliche Grundlage noch nicht geschaffen war, gab der Ausschuß des Nationalrates seiner Ansicht Ausdruck, daß an die Beschlußfassung eines Personalausgleichsgesetzes erst geschritten werden könne, wenn ein sogenanntes Personalvertretungsgesetz in Wirksamkeit getreten sei. Trotz mehrfacher Entschließungen unserer Volksvertretung, durch welche die Bundesregierung aufgefordert wird, ehestens ein Personalvertretungsgesetz im Nationalrat einzubringen, war es bisher nicht möglich, einen solchen Gesetzentwurf fertigzustellen. Einerseits muß der Staat naturgemäß jede zu weitgehende Einschränkung der Diensthoheit über seine Bürokratie ablehnen, während andererseits von den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes gewisse Mindestforderungen bezüglich der Mitwirkungsrechte der Personalvertretungen, des Schutzes der PersonalvertretA vor disziplinärer Maßregelung wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit usw. gestellt werden müssen. Diese divergierenden Rechtsansichten auf einen Nenner zu bringen und einen Gesetzentwurf fertigzustellen, der beiden Standpunkten hinreichend Rechnung tragen würde, wär bisher nicht möglich.

In eingeweihten Kreisen wurde aller- 1ings bereits vor einem Jahr betont, daß der oben angeführte Grund — nämlich das Fehlen eines Personalvertretungs gesetzes — dem Ausschuß des Nationalrates ein willkommener Anlaß war, die Verhandlungen über das Personalausgleichsgesetz vorläufig abzubrechen, da dem Gesetzentwurf auch sonstige schwere Mängel anhaften.

Die Regierungsvorlage hat in großen Zügen folgenden Inhalt: Bundesbeamte, die für ihre Dienststellen entbehrlich sind, können für eine weitere Dienstverwendung dem Personalausgleich beim Bundeskanzleramt überwiesen und von ihrer bisherigen Verwendung enthoben werden. Diese, dem Personalausgleich überwiesenen Bundesbeamten, können in einem anderen Verwaltungsbereich Verwendung finden. Wenn aber ein Beamter dem Personalausgleich ein Jahr angehört hat, ohne in einem Dienstzweig weitere Verwendung zu finden, so ist er in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen.

Der an sich richtige Gedankengang findet im Gesetzentwurf nun eine derartige Textierung, daß sich bei seiner unveränderten Annahme überaus bedenkliche Folgen einstellen könnten. Die Regierungsvorlage verzichtet auf eine Definition des Begriffes .Entbehrlichkeit eines Beamten“. Es bleibt also dem Ermessen der die Verwaltung in letzter Instanz führenden politischen Organe anheimgestellt, die Entbehrlichkeit eines Staatsbeamten zu konstatieren. So kann das Personalausgleichsgesetz dazu führen, daß Minister ihnen — entweder parteipolitisch oder wegen des sonstigen freimütigen Eintretens für ihre Rechtsansichten — unliebsam gewordene Beamte auf den Personalausgleich abschieben. Daß damit unserem Staatsbeamtentum jegliches Rückgrat gebrochen wird, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung! D er Ressortchef muß sich nach dem gegenwärtigen Wortlaut des Gesetzentwurfes das Abschieben eines ihm lästigen Beamten nicht einmal allzu reiflich überlegen, weil im Gesetzestext durchaus nicht eindeutig festgelegt wird, daß der Personalstand des dem Personalausgleich überwiesenen Beamten bedingungslos um diesen einen Dienstposten gekürzt werden muß; obwohl es eigentlich selbstverständlich ist, daß ein entbehrlicher Bundesbeamter keinen Nachfolger, sei es auch nur als Vertragsbediensteter, erfordert!

Die in den zeitlichen Ruhestand versetzten Bundesbediensteten belasten durch ihre Pensionen den Personalaufwand des Staates. Es müßte daher das parteipolitischer Befehle, an die Stelle von Organen des Gesamtstaates eine Parteibürokratie treten ließe.

Um so überraschender ist für die österreichische Öffentlichkeit die Tatsache, daß sich der Ausschuß für Verfassung und Verwaltungsreform im Nationalrat neuerdings mit der Regierungsvorlage über den Personalausgleich befaßt. Uber die Notwendigkeit einer echten Verwaltungsreform besteht wohl nirgend mehr ein Zweifel. Das Problem einer solchen Verwaltungsreform ist jedoch nicht von seiten der Gesetzesvollziehung (Regierung, öffentlicher Dienst usw.), sondern ausschließlich durch die gesetzgebende Gewalt zu lösen. Wenn — wie das bisher stets der Fall war — durch Gesetze die staatliche Verwaltungstätigkeit immer mehr erweitert wird, so ist natürlich die Vermehrung der Ämter und Behörden und eine gleichzeitige Vergrößerung der Personalstände im öffentlichen Dienst unvermeidlich. Eine wirkliche Verwaltungsreform wird daher nur dadurch erreicht werden können, daß der Weg nun einmal in umgekehrter Richtung begangen wird, das heißt daß Gesetze geschaffen werden, die einen Agendenabbau, eine Verringerung der staatlichen Verwaltungstätigkeit und damit gleichzeitig eine Herabsetzung der Personalstände im öffentlichen Dienst bewirken. Es müßte weiter darauf geachtet werden, daß mit dem Wegfall einer Verwaltungsaufgabe auch die bisher auf Grund des Budgets der Staatsverwaltung für diese Zwecke bewilligten Mittel tatsächlich eingespart werden.

Dies alles aber könnte geschehen, ohne an der Rechtsstaatlichkeit unserer Verwaltung zu rütteln, ohne das vielfach bewährte System unseres Berufsbeamtentums zu gefährden. Bestreben sein,’möglichst alle dem Personalausgleich überwiesenen Bundesbeamten in Verwaltungszweigen, die einen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften aufweisen, weiter zu verwenden und nur in Ausnahmsfällen arbeitsfähige Beamte in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen. Dies könnte erreicht werden, wenn man sämtliche Ministerien zwingt, vor Neuaufnahmen erst im Personalausgleich beim Bundeskanzleramt nach geeigneten Kräften zu fragen. In der Regierungsvorlage findet sich merkwürdigerweise keine Bestimmung, daß Neuaufnahmen in den Staatsdienst nur erfolgen dürfen, wenn im Personalausgleich keine geeigneten Beamten iür die zu besetzenden Posten vorhanden sind. Nach dem gegenwärtigen Wortlaut des Gesetzentwurfes können daher arbeitsfähige Bundesbedienstete in den Ruhestand versetzt werden, während im allgemeinen in der Verwaltung Neuaufnahmen erfolgen. Auf diese Weise ist der Gesetzentwurf über den Personalausgleich kein Schritt zur Verwaltungsreform, sondern höchstens ein Fehltritt.

Bisher hat Österreich im System seines Berufsbeamtentums einen Garant der Objektivität, Unbestechlichkeit und strengen Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erblickt. Den Trägern dieser Verwaltung — nämlich unseren Staatsbeamten — auch gegenüber den höchsten politischen Organen ein gewisses Maß von Selbständigkeit und gesetzlichem Rückhalt zu gewähren, ist eine zeitgemäße Forderung, wenn man der so oft gerügten Ver- politisierung unserer Verwaltung Einhalt gebieten will. Daher ist der Entwurf des Personalausgleichsgesetzes in keiner Weise als fortschrittlich, sondern als gewaltiger Rückschritt in der Entwicklung unseres staatlichen Lebens zu betrachten.

Die erste Republik hat in ihren übersteigerten parteipolitischen Auseinandersetzungen viel Wertvolles zerschlagen, was in mancher Hinsicht durch den Verlust unserer Eigenstaatlichkeit bezahlt werden mußte. An einer Grundfeste des Staates, nämlich am Staatsbeamtentum, hat sie sich nie vergriffen, trotz mancher Verwaltungsreform und Personaleinsparung! Es wäre bedenklich, wenn die zweite Republik, unser im Jahre 1945 wieder erstandener Staat, einen derartigen Eingriff in der Organisation unseres Staatsbeamtentums wagen würde, der in letzter Konsequenz vielleicht an Stelle von Vollziehern der Gesetze Vollstrecker.

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