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Digital In Arbeit

Verwendung der Mittel

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- - “Gewiß' gilt • das* alles Hör eingeschränkt für komplizierte rechtliche Abhandlungen, Bescheide oder Gesetzentwürfe. Diese müssen natürlich konzipiert und vom Vorgesetzten überprüft werden; da aber nach einer sehr vorsichtigen Schätzung 50 Prozent der Briefe, die eine Behörde verlassen, reichlich unwichtigen Angelegenheiten gewidmet sind, ist die Verschwendung der Mittel gigantisch — wenn auch zugegeben ist, daß sich vor allem Unterbehörden, aber auch, manche Abteilungen der Zentralstellen im eigenen Bereich da und dort bemühen zu vereinfachen.

Ein weiteres Beispiel für die unrationelle Arbeit unserer Verwaltung bietet der sogenannte „Aktenlauf“. Da erreicht also beispielsweise die schriftlich niedergelegte Frage des Bürgers ein Ministerium. Dort gelangt das Stück in die Einlaufstelle, um mit einer Zahl versehen zu werden und in die Kanzlei einer Sektion zu kommen. Dort erhält es nach einem veralteten und komplizierten System Vor- und Nachzahlen und wird in riesige Folianten eingetragen, um darnach zum Sektionschef zu wandern. Von dort kehrt es in die Kanzlei zurück, welche es wieder dem Abteilungsleiter zuträgt, damit es dieser abermals der Kanzlei zurückgebe, mit einem Zeichen versehen, wer das Stück zu bearbeiten habe. Ein ähnliches Spielchen wiederholt sich, wenn der Akt dann dem oder den Vorgesetzten vorgelegt wird, was auch, falls diese mit ihm unzufrieden, ein mehrfaches, immer von der Kanzlei vollzogenes Hin- und Herpendeln zwischen dem Bearbeiter und dem Vorgesetzten nach sich zieht.

Besonders pikante Fälle liefern „Einsichtsakten“. Diese sollen anderen Abteilungen vorgelegt werden, damit man sich im Rahmen seiner „Kompetenz“ äußere. Die Einsichtsakten sind nicht allein wegen ihrer Beliebtheit bemerkenswert — als sogenannte „Schieber“ kann man sich unangenehme Probleme vom Hals schaffen —, sondern wieder wegen des Aktenlaufes. Der Akt wandert also zur Kanzlei und wird von dort vn Kanzlei der betroffenen Sektion snediert. welche den so empfangenen- Akt“der Irnfachkeir lrarber'irf ein besonderes Buch einträgt, ihm sodann ihrerseits eine Zahl verleiht, um? ihn dann der oben beschriebenen Prozedur zu unterwerfen. Das geschieht so oft, als andere Abteilungen mit dem Akt bedacht werden. Wird er, Gott behüte, auf diese Weise einem anderen Ministerium übermittelt, kann die einfachste Anfrage erst nach Monaten beantwortet werden.

Alles das verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß die für die Verwaltungsorganisation zuständige Behörde, das Bundeskanzleramt, über keinen einzigen Beamten verfügt, der durch Vor- oder Ausbildung befähigt wäre, sich mit modernen Rationalisierungsproblemen zu beschäftigen. Auch kam noch niemand auf die Idee, einen der bekannten internationalen Rationalisierungsfachleute anzufordern, daß er mit dem Verfassungsdienst einen modernen Organisationsplan ausarbeite.

Wir haben uns in Österreich daran gewöhnt, die Dinge mit Gleichmut zu tragen und der Meinung anzuhängen, daß diese doch irgendwie weitergingen. Aber in der Verwaltung verhält es sich buchstäblich so, daß jede Unzulänglichkeit den Staat Millionen kostet.

Immerhin rührt das noch nicht an den Nerv einer rechtsstaatlichen Verwaltung. Aber es muß in diesem Zusammenhang endlich von einem Phänomen gesprochen werden, das auch durch eine Art von Tabucharäkter gekennzeichnet ist. Die Öffentlichkeit schweigt sich mit einer in Österreich sonst unbekannten Einmütigkeit darüber aus. Die staatsbürgerliche Verantwortung zwingt aber zu der Feststellung, daß die Korruption heute auch vor Amtstüren nicht halt macht.

Wir wollen gar nicht davon reden, daß zum Weihnaohtsfest leitende Beamte verschiedener Ministerien Dienstwagenladungen von Geschenken nach Hause transportieren ließen, wiewohl 35 der Dienstpragmatik bestimmt, daß der Beamte „keine mit Rücksicht auf seine Amtsführung ihm oder seinen Angehörigen mittelbar oder unmittelbar angebotenen Geschenke in Geld oder Geldeswert annehmen oder sich unter irgendeinem Vorwand andere Vorteile verschaffen“ darf. Die meisten Firmen, die Wert darauf legen, einen Auftrag der Verwaltung oder der öffentlichen /Betriebje1 ztf'^rrJalteri,' nähern sich demzuständigen“ Refifen-' ten „freuntmeh“.

NatuflicK weiß-ä'ücri der'Rechnungshof'von diesem Übel, wiewohl aus den geprüften Unterlagen selten e^twas hervorgeht; aber fragt man die Beamten, warum nichts dagegen unternommen werde, dann zucken sie resigniert die Schultern und meinen, nur in Fällen einer exorbitanten Bestechungssumme schalteten sie sich ein.

Es ist schwer festzustellen, warum die offen zutage liegenden Tatbestände weder von' der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen werden.

Teilweise sicherlich wegen der schwierigen Beweislage. Dennoch ist das keine Entschuldigung für die völlige Inaktivität der erwähnten Behörden.

Allerdings ist es offensichtlich, daß der Bund als Arbeitgeber alles nur Denkbare dazu beiträgt, die Beamten auf ein soziales Niveau herabzudrük-ketn, das schwächere Charaktere zu Handlungen gegen ihre Pflicht machen kann.

Eigenartig sind die Reaktionen gegenüber dem knappen Angebot an Arbeitskräften in letzter Zeit. Wie die Dinge nun liegen, braucht der Apparat immer wieder neue Kräfte, schon als Ersatz für die ausscheidenden. Den Personalreferenten war es jedoch bisher nicht möglich, den seit Adam Smith notorischen Zusammenhang zwischen Preis und Angebot zu entdecken. Sie sehen in der immer geringer werdenden Neigung, lebenslange öffentlich-rechtliche Armut auf sich zu nehmen, das Walten eines unbegreiflichen Schicksals, der Gewerkschaften oder sonstiger übelwollender Kräfte. Das dokumentierte sich, als die Anfangsgehälter der Beamten erhöht wurden. Aber selbst die erhöhten Anfangsbezüge liegen immer noch beträchtlich unter dem Durchschnitt der übrigen Einkommen. So bezieht beispielsweise ein Jurist nach fünfjähriger Dienstzeit etwa 2850 S brutto. Das ist weit weniger, als seine Kollegen in den Kammern und Sozialversicherungsinstituten erhalten. In der Privatwirtschaft übersteigen die Gehälter Gleichaltriger die der Staatsbeamten mitunter um das Doppelte. Unter diesen Umständen darf es nicht verwundern, daß das Niveau der Beamten allmählich absinkt. Dabei sollten gerade die Besten gut genug sein, um die Angelegenheiten der Allgemeinheit gut zu verwalten.

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