6679299-1961_36_04.jpg
Digital In Arbeit

Bilanz von Kleßheim

Werbung
Werbung
Werbung

Von jedem Ereignis muß man Abstand zu gewinnen suchen, ehe man sein endgültiges Urteil fällt. Nur allzu leicht wird man sonst Gefahr laufen, Opfer einer Stimmung des Augenblicks zu werden. So mußten wir auch die in der wirtschaftlichen Öffentlichkeit besonders aufmerksam verfolgte Konferenz in Kleßheim behandeln, auf der Vizekanzler DDr. Pittermann als Ressortminister für die verstaatlichten Unternehmungen und Finanzminister Dr. Klaus sich mit den Aufsichtsratsvorsitzern, den Vorständen und den aus dem Betriebsrat stammenden Mitgliedern der Aufsichtsräte berieten.

Hervorgegangen war dieses Treffen aus einer flüchtigen Bemerkung während Budgetbesprechungen, die Doktor Pittermann fallen ließ: „Sprechen Sie selbst mit den Direktoren!“ Dr. Klaus griff sie auf und knapp vor Schluß der politischen Ferien saß man beisammen. Die Themenstellung war einfach: Die Dividendenpolitik der verstaatlichten Unternehmungen soll aktiviert werden. Auf welchem Wege ist dies zu erreichen, und welche Ziele können sich die Unternehmungen stecken?

Die Presseöffentlichkeit setzte mit kühnen Erwartungen ein. Runde 1000 Millionen sollte der Finanzminister sich errechnet haben. Erhebliche Steigerungen der Steuerleistungen sollten die Dividendenzahlungen begleiten: provinzgebundene Kreise sprächen däbei aüch davon, daß die verstaatlichten Unternehmungen überhaupt keine Steuern bezahlen oder in horrendem Rückstand stünden und dergleichen mehr.

Diese ungerechtfertigten Übertreibungen machten es dem Finanzminister leicht, die Unternehmensver- tretungen einschließlich der Betriebsräte für sich zu gewinnen. Aktenmäßig belegbar erklärte Dr. Klaus, daß er niemals eine Milliarde Dividendenausschüttung gefordert habe, ja nicht einmal die Hälfte. Hinsichtlich der Steuerpflicht stellte der Finanzminister fest, daß es keine unterschiedliche Behandlung der verstaatlichten und der privaten Betriebe gäbe. Die Steuerleistungen der verstaatlichten Unternehmungen entsprechen ihrer Steuerkraft: Steuerrückstände wurden beharrlich abgebaut, Ratenübereinkommen immer besser erfüllt usw. Nach Abgabe dieses Wohlverhaltenszeugnisses anerkannte der Finanzminister die Wiederaufbauleistungen der Belegschaften und des Managements und trat damit der billigen Kritik entgegen, der man in den letzten Jahren andauernd begegnen konnte, die aus der berechtigten Ablehnung weiterer Verstaatlichung aus ideologischen Gründen in den Fehler der Diskriminierung, deren zentrale Steuerung ebenso durchsichtig war wie die Oberflächlichkeit ihrer Urteilsbildung, soweit es sich um Urteile überhaupt handelte und nicht einfach um bewußte Gegenpropaganda. Der Finanzminister stellte diesem Treiben das Bekenntnis gegenüber: Die verstaatlichten Unternehmungen sind eine Realität - ein Wort, dem man kurz vorher an der Spitze dieses Blattes begegnen konnte — und der Minister und seine Gesinnungsfreunde stehen zu den Gesetzen aus den Jahren 1946 und 1947. Dies um so mehr, als sie mit ihren Stimmen und in einem Zeitpunkt, in dem sie absolute Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften besaßen, beschlossen wurden. Freilich erwartete man sich damals dadurch den Zugriff der Besatzungsmächte abzuwehren; eine Erwartung, in der gerade das russische Element, auf da? die Maßnahme in erster Linie berech net war, enttäuschte. Um Fehldeutum gen vorzubeugen, muß angemerki werden, daß das von Dr. Klaus ausgesprochene Anerkenntnis nicht ausschließt, die erwähnten Gesetze zt gegebener Zeit in gewissen Bestimmungen zu novellieren. Schließlich betrat Österreich damals mit ihner Neuland und seither sind eineinhall: Jahrzehnte verflossen, deren Erfahrungen ausgenützt werden sollten.

Sodann ging der Finanzminister au!

das eigentliche Thema, die Dividendenpolitik ein. Hatte sich der Redner bisher als glücklicher Psychologe bewährt, kam jetzt der realistische Politiker und kühle Rechner nicht weniger zur Geltung. Nach einem Hinweis auf die Notwendigkeit, ein in jeder Hinsicht verläßliches Budget zu erstellen, appellierte der Finanzminister an die Unternehmensvertreter, dem Eigentümer, in unserem Fall der Republik Österreich, zu geben, was ihm zukommt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung