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Das Problem der Kompetenzen in der Bundesregierung beschäftigt über besonderen Wunsch des Bundeskanzlers die Regierungspartei noch immer. Will man sich darüber ein klares Bild verschaffen, so muß man zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen kennen. Die Bundesverfassung kennt keine taxative Aufzählung der Bundesministerien und noch weniger eine Kompetenzabgrenzung. Diese Dinge sind in einfachen Bundesgesetzen geregelt. Das ist an sich sehr vernünftig. Der Verfassungsgesetzgeber von 1919 wollte damit klugerweise der Tatsache Rechnung tragen, daß sich die Staatsverwaltung den jeweils gegebenen Verhältnissen flexibel anpassen muß und kann. Wenn man allein bedenkt, wieviel neue Agenden der

Verwaltung in den letzten 50 Jahren zugewachsen sind, ergibt sich schon daraus, daß es sinnwidrig wäre, für jeden neuen Aufgabenkreis eine Änderung der Bundesverfassung vorzunehmen. Seit 1945 hat sich zum Beispiel die Zahl der Bundesministerien um zwei, das Außen- und das Landesverteidigungsministerium, vermehrt. Aber auch in einzelnen Ressorts sind neue Kompetenzen zugewachsen, die es früher nicht gegeben hat. Man denke etwa an den heute auch die Verwaltung betreffenden Problemkreis der Familienpolitik und anderes mehr.

Dazu kommt, daß sich im Laufe der Zeit auch immer wieder Kompetenzverschiebungen von einem zum anderen Ressort als notwendig erweisen. Hiefür zwei Beispiele: Die

Kompetenz für die verstaatlichten Unternehmungen wurde ursprünglich dem Verkehrsministerium, später dem Bundeskanzleramt und nun wiederum dem Verkehrsministerium zugewiesen. Möglicherweise wird sich mit der Zeit die Notwendigkeit heraussteilen, hiefür sogar ein eigenes Bundesministerium zu schaffen, denn weder das Bundeskanzleramt noch das Verkehrsministerium können eine Eigenständigkeit für diese Kompetenz in Anspruch nehmen. Ebensogut könnte nämlich die Verwaltung der verstaatlichten Unternehmungen beim Finanzministerium liegen, das ja auch sonst für einen großen Teil des im Eigentum des Staates befindlichen Vermögens verantwortlich ist (etwa die verstaatlichten Banken oder seinerzeit das sogenannte „Deutsche Eigentum“). Wenn von der Möglichkeit eines eigenen Ressorts für die verstaatlichten Unternehmungen gesprochen wird, so spricht dafür wiederum der Umstand, daß es fraglich ist, ob die verstaatlichten Unternehmungen, die ja, wie die Erfahrung der letzten 20 Jahre bestätigt, zum Teil auch immer wieder auf finanzielle Hilfe ihres Eigentümers angewiesen sind, überhaupt zu einem anderen Ressort als zu einem eigenständigen gehören sollen, weil es dadurch natürlich in eine Interessenkollision mit den sonstigen Aufgaben eines anderen Ressorts in Konflikt geraten muß. Dazu kommt ein persönliches Moment: Die Obsorge des Eigentümers dieser für österreichische Verhältnisse so bedeutenden und großen Vermögenswerte, von deren Gestion weitgehend die ganze wirtschaftliche Entwicklung beeinflußt wird, würde ein Ministerium rechtfertigen.

Das zweite Beispiel: Die Außenhandelspolitik, die bis 1963 zur Gänze vom Außenministerium geführt wurde und erst mit den Kompetenzgesetzen von 1963 bis 1966 dem Handelsministerium überantwortet wurde. Diese Kompetenzverschiebung entsprach der Entwicklung und Bedeutung, die die Außenwirtschaftspolitik in einer modernen Staatsverwaltung erreicht hat. Es steht außer Zweifel, diaß die Fachleute des Handelsministeriums über die schwierigen wirtschaftlichen Probleme von Industrieprodaktion, Export und Import, Zoll, Liberalisierung, GATT, EWG, EFTA, OECD, ECE, UNCTAD und so weiter besser Bescheid wissen als die im üblichen, historischen Sinn geschulten Beamten des diplomatischen Dienstes. Man kann heute keine Handelsverträge erörtern und abschließen, ohne über die österreichische Wirtschaft in allen ihren Bereichen bis ins Detail bestens Bescheid zu wissen. Auch die Führung der Integrationspolitik, die ja für Österreich auf Grund seines Neutralitätsstatus nur wirtschaftspolitische Entscheidungen bringen darf, setzt die profunde Kenntnis aller wirtschaftspolitischen Elemente voraus.

Die Festlegung der Kompetenzen für die einzelnen Ressorts hängt aber immer wieder auch von den Wahlergebnissen ab. Immer dann, wenn es in einem Parlament keine eindeutige Mehrheit für eine Partei gibt — und wo könnte eine Regierungspartei immer damit rechnen, auch nach den nächsten Wahlen wieder die absolute Mehrheit zu besitzen? —, bilden Kompetenzfragen den wichtigsten Gegenstand der Verhandlungen um die Bildung einer neuen Regierung.

Das ist kein österreichisches Spezifikum, sondern in allen Demokratien so. Geradezu ein Musterbeispiel liefert uns dafür die älteste Demokratie, nämlich Großbritannien, wo nach den Wahlen regelmäßig nicht nur Verschiebungen in den Kompetenzen der einzelnen Ministerien stattfinden, sondern auch stets neue Ressorts gebildet und alte aufgelöst werden.

Der Entwurf zu einem Kompetenzänderungsgesetz, den der Bundeskanzler im Frühjahr zur Begutachtung versendet hat, wurde bekanntlich von allen Ressorts abgelehnt. Trotzdem soll dem Vernehmen nach die Absicht bestehen, ihn im Herbst neuerlich zur Diskussion zu stellen. Es fragt sich, wozu das gut sein soll. Die Bundesregierung und die Regierungspartei haben genug andere

Sorgen, um sich nicht eine unnötige Belastung freiwillig zusätzlich auf- bürden zu müssen. Dies erscheint, im größeren Zusammenhang gesehen, um so bedeutsamer, als eine Kompetenzänderung, die ja allerfrühestems mit 1969 in Kraft treten könnte, ohnedies nur eine Lebensdauer von knapp einem Jahr, nämlich bis zu den nächsten Neuwahlen, haben könnte. Wozu also das Ganze?

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