6693886-1962_50_01.jpg
Digital In Arbeit

Verstaatlichte6

Werbung
Werbung
Werbung

Für viele in unserem Land ist noch Immer jedes Unternehmen, dessen einziger Eigentümer die Republik Österreich ist, das Ergebnis einer ersehnten Sozialisierung, Gegenstand vorbehaltloser Billigung, wenn nicht eines gläubigen Bekenntnisses. Auf der anderen Seite ist wieder vielen jeder verstaatlichte Betrieb ein „rotes“ Tuch, Provokation, Objekt des Abscheues.

Insgesamt scheint es in der Sache der „Nationalindustrie“ zu einer irreparablen Ideologisierung gekommen zu sein, und dies zu einem Zeitpunkt, in dem selbst die Russen bemüht sind, ihre Unternehmungen zu kommerzialisieren und sie vom Gewinn her steuern zu lassen.

Man muß daher dem Institut für Sozialpolitik und Sozialreform und seinem Obmann, Nationalrat Dr. Kummer, dafür dankbar sein, daß es die „Probleme der Verstaatlichung“ zum Thema seiner neunten Sozialen Woche machte. Im überfüllten Rittersaal des Niederösterreichischen Landhauses, vor Prominenz und Fachwelt, referierten und diskutierten Gelehrte und Praktiker ohne jeden politischen Seitenblick und ohne die oft so bedenkliche Befangenheit über die unvermeidbar gewordenen Manipulationen, die am Block der verstaatlichten Unternehmungen vorgenommen werden müssen, sollen sie nicht zu einer nationalen Hypothek werden.

In keiner Phase der Sozialen Woche, bei der neben Univ.-Prof. Dr. Scha-.r/<(ng — Proviuzial der Gesellschaft Jesu und Gewerkschaftsmitglied — der Grazer Ordinarius Dr. Tautscher, Hof-Tat des Verwaltungsgerichtshofes, Doktor Klecatsky und der Vizepräsident des Rechnungshofes, Dr. Marschall, mit vielbeachteten Referaten hervortraten, stand das Phänomen einer Verstaatlichung, das unmittelbare Engagement des Staates in der Wirtschaft, zur Diskussion. Angesichts der Größenordnung, in der sich die Konkurrenz auf den großen Märkten stellt, war man sich bewußt, daß die Unternehmungen des öffentlichen Bereiches nicht nur Reflex einer einmaligen historischen Situation sind, sondern eine volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen haben, die nicht an andere Unternehmungen übertragen, durch Reprivatisierung erfüllt werden kann. Worum es in Rede und in Gegenrede, im bisweilen harten Streit der Meinungen ging, das war der Hinweis, daß die Unternehmungen des verstaatlichten Bereiches im Interesse des Gemeinwohls diszipliniert werden müßten. So gut wie niemand ging etwa von der frivolen Meinung aus, die im Eigentum der Republik befindlichen Unternehmungen seien eine besondere Form von karitativer Veranstaltung und müßten sich nicht vom Gewinn her steuern lassen.

Worum es weiter ging, das war die Frage der Präzisierung des Standortes der verstaatlichten Unternehmungen im Rahmen einer Wirtschaftsordnung, für die es im Land freilich nur ein rudimentäres Konzept gibt, die Egalisierung der Chancen im Erwerbsprozeß gegenüber den Unternehmungen des sogenannten privaten Bereiches, deren Erträgnissen (als Konkurrenten) die oft vermeidbaren Defizite von verstaatlichten Unternehmungen schließlich gedeckt werden müssen.

Wenn aber die Republik über die für ihr betrieblich-ökonomisches Wirken gesetzten Grenzen in für ihre Tätigkeit eigentlich verschlossene Räume übergreift, kommt es zu einer eigenartigen Form der Ausbeutung, aber beileibe nicht zugunsten des Fiskus, sondern von privilegierten Gruppen, von „Nationalindustriellen“, wenn nicht zur Verschleuderung von Volksvermögen.

Geschieht dies, dann wird die Verstaatlichung zum sozialen Widersinn.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung