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Bock als Gärtner

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Nähme die Bevölkerung die Bodenreform nur halb so wichtig wie die Regierung, im ganzen Land herrschte jetzt nervöse Spannung und Wetten würden abgeschlossen: „Haben sie sich nun geeinigt oder nicht?“ Sie — das sind Bautenminister Josef Moser und ÖVP-Abgeord-neter Leopold Heibich.

Trotz der Abmachung, die Gespräche hinter den Kulissen streng diskret zu behandeln, platzte der Bautenminisier plötzlich mit der Ankündigung heraus, man habe sich über das Bodenbeschaffungs- und Assanierungsgesetz geeinigt, die Zweidrittelmehrheit im Parlament für die Verfassungklauseln seien so gut wie sicher. Die ÖVP, so ließ der Minister durchblicken, habe nun endlich kapiert, daß es ohne Enteignung nicht gehe, weshalb die diesbezüglichen Bestimmungen nun außer Streit stünden. Der geduldig mahnenden Stimme der Vernunft — so klang es heraus — sei es nun endlich gelungen, die begriffsstutzigen Dickschädeln der Opposition von jenen — beileibe nicht ideologisch-sozial gefärbten — sozialen Selbstverständlichkeiten zu überzeugen, für die Moser nun schon seit Jahren eintrete.

Am folgenden Tag schon wurde via Bauernbund die angebliche Einigung heftig dementiert. Was ist nun richtig? Hat der Minister den 1. August mit dem 1. April verwechselt oder wollte er einfach die Gesprächspartner überfahren?

Sicherlich hat der Bautenexperte Heibich mit dem Minister verhandelt und sicherlich wurden dabei Kompromißformeln erwogen, die in den zuständigen Parteigremien nun auf ihre Brauchbarkeit geprüft werden müssen. Aber die Parlamenitsferien, in denen keine beschlußfähigen Gremien zusammenzutrommeln sind, dazu benützen zu wollen, um faits accomplis zu schaffen, den Partner unter propagandistischen Druck zu setzen, erinnert peinlich an diverse Indiskretionsmethoden.

Besteht tatsächlich ein so dringendes Bedürfnis nach dem Bodenbeschaffungsgesetz? Minister Moser, der es noch um ein paar Grade besser als die meisten anderen Mitglieder der Regierung Kreisky versteht, heiße ideologische Ware als kalte Sachlichkeit zu verkaufen, weiß den Eindruck zu erwecken, als handle es sich hier um ein völlig unpolitisches Sozialgesetz im Interesse der Gesamtbevölkerung, so daß man gar nicht verstehen könne, wie so etwas überhaupt in den Parteienhader gezerrt werden könne. Leider läßt, wie so oft, die Opposition auch hier das notwendige Geschick vermissen, um das Sachlichkeitsimage effektvoll anzukratzen. Es fehlt auch offenbar wieder an einer einheitlichen Linie, die für alle Gruppen innerhalb der Partei obligatorisch wäre — ganz im Gegensatz au den Sozialisten, denen es doch immer wieder gelingt, divergierende innerparteiliche Interessen auf eine einheitliche Linie zu vergattern.

Dank der linientreuen Sprachregelung bekommt auch der Bautenminister von allen Seiten parteiliche Schützenhilfe, ja eine Art „Band-Wagon-Effekt“ führt dazu, daß ein großer Teil der unabhängigen Presse und des Rundfunks brav auf der Regierungslinie mitmarschiert: überall, wo heute in Stadt und Land eine Bausünde aufgedeckt wird, heißt es einhellig, daß „privates Spekulanten-tum“ daran schuld sei — und man daher ein wirksames Bodenreformgesetz brauche, um diesen Profitgeiern endlich das Handwerk legen zu können. Mit dem Assanierungsgesetz hingegen würden herrliche Zeiten anbrechen und alle Mißstände beseitigt werden.

Es liegt uns fern, die Spekulanten in Schutz zu nehmen, aber wenn man die Sache genauer besieht, so merkt man, daß die Spekulanten die alleinigen Slünder nicht sind, und die „gewählten Gremien“ — auf allen Ebenen — gar nicht in so heftigem Abwehrkampf gegen die Spekulation stehen und nur deswegen so erfolglos sind, weil sie mit stumpfen Waffen zu kämpfen gezwungen sind.

In Wirklichkeit wurden die meisten Bausünden in Österreich von Körperschaften oder ihnen nahestehenden Organisationen verübt. Es gibt nahezu keine Bausünde, die nicht auch mit Hilfe der bestehenden Gesetze von gewählten Gremien hätte verhindert werden können — soferne diese wirklich gewollt hätten. Gerade die Gemeinden sind aber die ärgsten Bausünder — und eben ihnen möchte das Bodenbeschaffungsgesetz beinahe unumschränkte Macht üebr Haus und Grund gewähren. Ob man hier nicht den Bock zum Gärtner macht? Was wir wirklich brauchen, ist ein Umdenken in diversen öffentlichen Körperschaften, nicht neue Gesetze.

Das ist eines der prinzipiellen Probleme, das einmal gründlich ausdiskutiert gehört, ehe man sich auf die gesetzestechnischen Einzelheiten einläßt. Eine weitere Aufgabe wäre es, dieses Gesetz nicht isoliert zu behandeln: Es wäre ein Schlag ins Wasser, etwa hier die Enteignungsbestimmungen zu entschärfen und von dieser Seite die Allmacht der Kommunen zu verhindern, wenn gleich darauf durch eine sozialistische Reform des Mietengesetzes diese Vereinbarungen unterlaufen und durch eine kalte Enteignung ersetzt werden.

Darüber hinaus wird hier legislatorisches Neuland betreten; die Auswirkungen der gesetzlichen Bestimmungen sind noch nicht abzusehen. Man täte daher gut daran, dieses Gesetz befristet zu beschließen, damit allfällige Modifikationen möglich sind.

Gerade diese zeitliche Begrenzung mag dazu beitragen, eventuelle Mißbräuche zu verhindern. Die „Rute im Fenster“, von der Minister Moser so gerne spricht, brauchen nicht nur verkaufsunwillige Private, sondern auch bodenhortende und demo-lierungswütige Gemeinden.

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