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Kompromiß statt Konkurrenz

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Als oberste Instanz wird nunmehr der Verkehrsminister im Einvernehmen mit der Bundesregierung die Entscheidung über eine Frage treffen müssen, die seit Monaten Mittelpunkt parteipolitischer Auseinandersetzungen ist: die Kooperation der „Wiener Schwachstromwerke“ (WSW) und des deutschen „Siemens“-Konzerns durch direkte Zusammenarbeit in einer neuen Tochterfirma von WSW und Siemens — der „österreichischen Tele-Industrie AG“ (ÖTIAG). Der Stachel, der in diesem Fall die Sozialisten traf, war die Tatsache, daß der Siemens-Konzern sich über den Weg der zu 75 Prozent in seinem Besitz befindlichen „Wiener Kabel- und Metallwerke AG“ (WKM) — die restlichen 25 Prozent der Anteile an diesem Unternehmen gehören der Elin — in der von der WKM gemeinsam mit den WSW zu gründenden neuen „ÖTIAG“ einen Aktienanteil von 51 Prozent sichern wallte.

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Als oberste Instanz wird nunmehr der Verkehrsminister im Einvernehmen mit der Bundesregierung die Entscheidung über eine Frage treffen müssen, die seit Monaten Mittelpunkt parteipolitischer Auseinandersetzungen ist: die Kooperation der „Wiener Schwachstromwerke“ (WSW) und des deutschen „Siemens“-Konzerns durch direkte Zusammenarbeit in einer neuen Tochterfirma von WSW und Siemens — der „österreichischen Tele-Industrie AG“ (ÖTIAG). Der Stachel, der in diesem Fall die Sozialisten traf, war die Tatsache, daß der Siemens-Konzern sich über den Weg der zu 75 Prozent in seinem Besitz befindlichen „Wiener Kabel- und Metallwerke AG“ (WKM) — die restlichen 25 Prozent der Anteile an diesem Unternehmen gehören der Elin — in der von der WKM gemeinsam mit den WSW zu gründenden neuen „ÖTIAG“ einen Aktienanteil von 51 Prozent sichern wallte.

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Die Sozialraten, deren Vertreter Im WSW-Vorstand noch für diese Lösung gestimmt hatten, änderten, offensichtlich auf Druck der Parteizentrale, den Kurs: Bereits im WSW-Aufsichtgrat stimmte das SP-nahe Aufsichtsratsmitglied Sektdonschef Gatscha gegen seine SP-Kolle-gen Dir. Langhang und Dr. Lindmeyer im WSW-Vorstand. Die anderen SP-nahen Auf Sichtsräte enthielten sich der Stimme. Dadurch kam die erforderliche Zweidrittelmehrheit für die Siemens-Lösung nicht zustande.

Ausverkaufsgespenst

Die SP begründete diesen plötzlichen Umschwung mit einem „drohenden Ausverkauf der Verstaatlichten“ und der Gefahr eines „nicht wiedergutzumachenden Eigentümsverlustes“; man wollte sogar die Möglichkeit eines sowjetischen Einspruches zur Debatte stellen, da die verstaatlichten Wiener Schwachstromwerke im Sinne des Staatsvertrages als „Deutsches Eigentum“ gelten.

Es gelang den Sozialisten jedenfalls, die Frage WSW-Siemens zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung hochzuspielen. Ein durchaus verständlicher Aspekt aus der Sicht der SP-Parteizentrale, die Ihren Nationalratswahlkampf vorbereiten und mit allen Mitteln ver-

suchen müssen, die gegen die ÖVP in Stellung gebrachte Verstaatlichten-Ausverkaufswalze noch rascher in Drehung zu bringen. Eines steht allerdings fest: die verstaatlichten Wiener Schwachstromwerke brauchen diese Zusammenarbeit mit einem so großen Unternehmen wie Siemens, sollen sie auch in Zukunft dem Spannungsdruck auf dem internationalen Konkurrenzfeld dieses Industriezweiges standhalten können. Die SPÖ erreichte, daß zuerst einmal im vierköpfigen Vorstand der ÖIG durch das Veto der zwei sozialistischen Vertreter die notwendige Mehrheit für die Zustimmung der

Verstaatlichten-Dachorganisation zum Vertragsabschluß mit Siemens nicht zustande gebracht werden konnte. Die WSW-Siemens-Angelegenheit ging also weiter an den ÖIG-Aufsichtsra+, und in seiner Sitzung am 25. Juli verweigerten die SP-Vertreter dem Vertragsabschlußbeschluß neuerlich — nun auch in diesem Gremium — ihr positives Votum, obgleich ÖIG-Aufslchtsrats-präsident Dr. Taus nach weiteren Verhandlungen mit Siemens aus München mit einem Kompromiß heimkam, der kaum noch zu erwarten war: Der Siemens-Konzern, der selbstverständlich gerade in Zukunft am österreichischen Markt seiner Branche interessiert ist, war einver-

standen, auf die 51-Prozent-Majori-tät zu verzichten und der von den österreichischen Sozialisten geforderten Aktienminderhedt in dem neuen Tochterunternehmen entgegenzukommen. Die Kompromißformel lautet: 48 oder 49 Prozent des Aktienkapitals durch die „Wiener Kabel- und Metailwerke AG“, 48 Prozent durch die „Wiener Schwachstromwerke“ und 3 oder 4 Prozent — stimmloses — Kapital als Aktien für die neugegründete ,. österreichische Tele-Ihdustrie AG“. Uber diese stimmlosen Anteile soll nur einvernehmlich zwischen WSW und WKM verfügt werden können. Damit ist der Siemens-Konzern, der natürlich an der vorgesehenen Einbringung von 80 Prozent der WSW-Produktion in ein gemeinsames Unternehmen interessiert sein muß

— dafür aber die Sicherung aller derzeitigen WSW-Arbeitsplätze und eine mindestens 5prozentige Dividende ab 1972 vertraglich garantiert

— bereit gewesen, die Frage der Anteilsmajorität eines ausländischen Unternehmens an einer mit der verstaatlichten Industrie Österreichs gemeinsam zu gründenden Tochtergesellschaft auch im Sinne der politischen Forderung der Sozialisten zu lösen.

Dieser Kompromiß dürfte nicht allein aus wirtschaftlichen Uber-legungen Siemens* zustande gekommen sein, sondern zu einem geringen Teil auch durch die historische Bindung des Konzerns an die WSW und Österreich: Stammen doch die Wiener Schwachstromwerke von der österreichischen Siemens-und-Halske-Gesellschaft ab, die vor nahezu einem Jahrhundert vom Siemens-Konzern als dessen erstes Auslandsunternehmen errichtet worden war — ein emotioneller Ent-scheidungiggrund, der von den Managern beispielsweise eines amerikanischen Konzerns kaum jemals mitkalkuliert worden wäre.

Was ab 1974?

Siemens hätte nämlich auch die Möglichkeit — dies ließ man in der

ÖIG offensichtlich auf Grund der Gespräche mit den Konzernverantwortlichen in Deutschland auch deutlich durchblicken —, nach dem Auslaufen der mit den Wiener Schwachstromwerken noch unterhaltenen Lizenzverträge im Jahr 1974 diese nicht zu erneuern und selbständig ein Konzemunterneh-

men zu gründen, das unweigerlich den gesamten Markt dieser Branche in Österreich beherrschen und die verstaatlichten Wiener Schwachstromwerke konkurrenzieren würde. Dieses Unternehmen würde Siemens um jene 300 Millionen Schilling mehr kosten, die bei der gemeinsamen Gründung mit WSW von dieser in Form von 80 Prozent ihrer derzeitigen Produktion eingebracht

werden müßte. 300 Millionen Schilling sind in diesem Fall für den Siemens-Konzern zwar nicht eine geringe, aber durchaus vertretbare zusätzliche Investition, die sich auf dem österreichischen Markt gerade in dieser Branche der Telephon und Elektroakustik in relativ kurzer Zeit amortisiert hätte, zumal WSW ohne Beteiligung eines großen Konzerns auch bald aus der Konkurrenz ausscheiden müßte, da es einfach finanziell nicht in der Lage wäre, selbständig in großem Rahmen Forschungen zu betreiben und sich über das ständig erneuerte Fachwissen auf diesem Produktionsgebiet zu informieren, das heute nur noch so großen Konzernen wie etwa Siemens durch eigene Forschung und mittels teurer Lizenzen zugänglich ist.

Dennoch wurde auch dieser Kompromißvorschlag von den sieben ÖIG-Aufsichtsräten der Sozialisten abgelehnt. Bs kam mit den acht Stimmen der ÖVP-Aufsichtsräte und den zwei Voten der von Finanz- und Verkehrsministerium für den Bund entsandten Vertreter zu einem Beschluß ohne die erforderliche Mehrheit, der nun dem Verkehrs-minister als Gesellschaftervertreter für den Bund zugeleitet wurde. Verkehrsminister Weiß kündigte nach der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 25. Juli an, daß er sich in diesem Fall auf die Seite der ÖIG-Mehrheit stellen und den entsprechenden Firmengründungsbeschluß rasch herbeiführen werde. Entschieden stellte er auch fest, daß es nicht seine Sache sei, nun doch noch mit den Sozialisten ein Einvernehmen herzustellen. Und damit hat Weiß recht: Diese wichtige Frage der weiteren Existenz der verstaatlichten Wiener Schwachstromwerke sollte außerhalb jedes parteipolitischen Gezänks gelöst werden. Es sei denn, die Sozialisten könnten in der Frage WSW mit neuen Vorschlägen aufwarten, die den gleichen wirtschaftlichen Effekt erzielen wie die geplanten Verträge mit Siemens; daran aber glaubt niemand.

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