Wie viel kann man verdienen?

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Die Gagen der heimischen Top-Manager steigen. Karl Vogd ging der Frage nach, warum 2006 ein derart gutes Jahr für Bosse war.

Wer sehen will, wie sich in Österreich die Kluft zwischen den Einkommen von Wirtschaftselite und "gewöhnlichen" Arbeitskräften rasant vergrößert, sollte sich mit der Gehaltsentwicklung bei der Telekom Austria beschäftigen. Im Spätherbst des vergangenen Jahres erwarteten die Konzern-Mitarbeiter, dass sie für das erfolgreiche Geschäftsjahr entsprechend belohnt würden. Schließlich hatte der Konzern 2007 einen Nettoüberschuss von 500 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Unternehmensleitung sah dies anders, denn sie bot nicht einmal die Inflationsabgeltung an. Die Ergebnisse im Festnetzbereich seien schlecht, so das Argument der Führung. Dann, nach einigem Geplänkel, kam kurz vor Weihnachten doch noch eine Einigung zustande: Erhöhung der Gehälter um 3,1 Prozent. Allerdings wurde dafür die Mitarbeiterbeteiligung gehörig zusammen gestrichen. Statt der bereits zugesagten 600 Euro in Form von Aktien erhielt jeder der rund 11.000 Beschäftigten nur einen Aktiengegenwert von 150 Euro. Zum gegenwärtigen Börsenkurs sind das acht Stück.

120.000 Aktien

Erfolgsabhängig entlohnt wird bei der Telekom aber auch der Konzernvorstand, und zwar in Form von Prämien und Aktienoptionen. Auch heuer erhielten die vier Vorstandsmitglieder der Telekom die Chance, im Zuge des "Stock Option Programms" 120.000 Aktien zu einem festgelegten Preis zu erwerben. Notiert die Aktie später einmal zu einem höheren Kurs, dürfen sie die Differenz als Gewinn verbuchen. Zwar sind diese Optionen momentan wegen der schlechten Stimmung an den Börsen nichts wert. Doch die Telekom-Chefs können sich mit ihrer Entscheidung bis 2012 Zeit lassen. Das Warten und Zuschlagen im richtigen Moment zahlt sich aus. Im Jahr 2006 ging auf die Telekom-Vorstandsmitglieder ein wahrer Geldregen nieder. Sie verdienten allein über das Stock Option Programm 3,4 Millionen Euro. Konzernchef Boris Nemsic kam auf ein Jahressalär von 2,2 Millionen Euro. Die Zuwendungen für die Altersvorsorge sind da noch nicht eingerechnet.

Und auch wenn sein Gehalt 2006 um mehr als 100 Prozent gestiegen ist, ist Nemsic keineswegs der Gehalts-Spitzenreiter unter Österreichs Managern. Noch deutlich höher liegt das Salär von Erste Bank-Chef Andreas Treichl, dessen Arbeit mit rund drei Millionen Euro vergütet wird. Der österreichische Gehaltskaiser dürfte aber Magna-Boss Siegfried Wolf mit einem geschätzten Jahreseinkommen von sieben Millionen Euro sein.

Auch bei weniger erfolgreichen österreichischen Bossen klingelt die Kasse immer öfter. Die Gehälter der ÖBB-Holding-Vorstände stiegen von 2005 auf 2006 von 390.000 Euro auf 553.000 Euro. Vorstandsvorsitzender Huber kam sogar auf ein Jahresgehalt von 720.000 Euro. Die Bahn-Chefs rechtfertigten den Gehaltsanstieg um 40 Prozent mit dem "operativen Erfolg" des Unternehmens. Wie der Rechnungshof aber kritisierte, wurde dieser Gewinn nur durch die Auflösung von Rücklagen erzielt.

Auch bei anderen staatsnahen Unternehmungen werden die Chefs großzügig dotiert. Dem früheren Verkehrsminister Matthias Reichhold, der nicht einmal eineinhalb Jahre im Vorstand der Asfinag verweilte, wurde der Abschied in die Frührente mit einer Abfindung von 600.000 Euro versüßt. Es sind die außergewöhnlichen Gehaltszuwächse der österreichischen Top-Manager, die ins Auge stechen. 2006 verdiente ein Vorstand eines ATX-Unternehmens (der wichtigste Index an der Wiener Börse) im Schnitt das 41-Fache eines Beschäftigten. Im Jahr 2000 war es noch das 20-Fache. "Die Managergehälter sind international in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt. Österreich liegt da gut im Trend", bestätigt Heinz Leitsmüller. Der Wirtschaftsforscher der Arbeiterkammer hat vor kurzem eine Studie über die Entwicklung der Managereinkommen in Österreich verfasst. "Im Schnitt stiegen die Gehälter der Vorstandsmitglieder der ATX-Unternehmen von 2005 auf 2006 um 14,1 Prozent. Die Gehälter der Beschäftigten erhöhten sich im selben Zeitraum nur um 3,2 Prozent."

Manche, wie etwa der Unternehmer Hannes Androsch, machen "die Droge Gier" für die Entwicklung verantwortlich. Es werden aber auch andere Gründe genannt. "Die Steigerung der Managereinkommen hat sicher etwas mit der guten Gewinnsituation der Unternehmen zu tun. Eine wichtige Rolle spielt auch, dass die österreichische Wirtschaft jetzt mehr internationalisiert ist. Daher geht auch die Gehaltsentwicklung in Richtung internationales Niveau", glaubt Sebastian Karwautz. Er arbeitet für das international tätige Beratungsunternehmen Mercer. In der von Mercer jährlich ermittelten Gehaltsuntersuchung ("Total Remuneration Survey") lasse sich dieser Trend deutlich feststellen.

"Diese Steigerungen sind auch deshalb möglich weil in den Aufsichtsräten, die diese Gehälter genehmigen müssen, oft Manager anderer Unternehmen sitzen", kritisiert AK-Experte Leitsmüller.

Rat ohne Zähne

Den Vorwurf, die Chefs würden sich die Gehaltssteigerungen quasi selbst genehmigen, weist Paul Jankowitsch entschieden zurück. Der frühere Generaldirektor von Shell Austria ist Vorsitzender des Wirtschaftsforums der Führungskräfte, in dem etwa 3000 österreichische Manager organisiert sind. Dass der Aufsichtsrat an der Entwicklung der Gehälter aber nicht unschuldig ist, gibt auch Jankowitsch zu. "Gehälter müssen durch entsprechende Leistung gerechtfertigt sein. Leider nimmt der Aufsichtsrat die Aufgabe, das zu überprüfen, oft kaum wahr."

Steil nach oben getrieben wird die Gehaltskurve vor allem durch die Stock Option Programme. Seit diese Gehaltsbestandteile in Österreich nur zum halben Satz versteuert werden müssen, sind sie noch attraktiver geworden. Ihr Nutzen wird aber immer öfter bezweifelt. "Diese Form der Bezahlung ist auf Wunsch der Eigentümer entstanden", erläutert Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl. Aktienoptionen sollen die Manager an das Unternehmen binden und ihr Hauptaugenmerk auf Gewinn, Unternehmensgröße und Aktienkurs lenken. Und genau darin liegt auch die Gefahr. "Vergrößerung des Unternehmens und Steigerung des Gewinns kommen oft nur durch Umstrukturierungen und Mitarbeiterabbau zustande", weiß Heinz Leitsmüller. Optionsprogramme seien "eine zu große Versuchung für den Vorstand, das Wohl des Unternehmens aus den Augen zu verlieren", meint Claus Raidl. Die Arbeiterkammer fordert daher das Ende der Steuerbegünstigung von Optionen. Raidl will sie überhaupt abschaffen: "Mittlerweile bin ich ein Gegner von Aktienoptionen."

Das alles reicht Christian Felber nicht aus. Der Gründer von Attac-Österreich tritt für fixe Obergrenzen bei Gehältern ein: "Wenn jemand in einer Stunde 700-mal mehr verdient als ein anderer, ist das ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Mit dem Leistungsprinzip hat das nichts mehr zu tun. Man sollte daher gesetzlich festlegen, dass Spitzengehälter nicht mehr als das 20 oder 30-Fache des Mindestlohns ausmachen dürfen. Sogar die Manager selbst treten für Beschränkungen ein. In einer Umfrage haben sich drei Viertel der Befragten für eine Begrenzung der Gehälter auf das 30-Fache des Gehalts ihrer Mitarbeiter ausgesprochen." Den Einwand, dass man Mittel und Wege zur Umgehung finden könnte, lässt er nicht gelten: "Diese Gefahr besteht bei jeder gesetzlichen Maßnahme".

Strikte Obergrenzen wie Felber verlangt die Arbeiterkammer nicht. Sie tritt aber dafür ein, dass Unternehmen Gehaltsteile über dem 20-Fachen eines Mitarbeitereinkommens nicht mehr steuermindernd als Betriebsausgabe absetzen können. Und sie verlangt eine individuelle Veröffentlichung der Vorstandsbezüge, aufgeschlüsselt in fixe und leistungsabhängige Bestandteile. Derzeit wird die Gehaltstransparenz sehr unterschiedlich gehandhabt. Böhler-Uddeholm-Chef Raidl etwa macht aus seinem Gehalt von einer Million Euro pro Jahr kein Geheimnis. Raiffeisen International Chef Herbert Stepic hingegen wehrt sich massiv gegen eine Offenlegung der Managergehälter: "Ich halte nichts von dieser Diskussion. Es geht dabei nur um Neid."

Zwang zur Transparenz

Möglicherweise wird der erfolgreiche Bankmanager das Gehaltsgeheimnis in naher Zukunft doch lüften müssen. Angeraten wird börsennotierten Unternehmen eine individuelle Offenlegung der Vorstandsgehälter durch den österreichischen "Corporate Governance Kodex" ja bereits jetzt. Das Schriftstück, das auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen basiert, regelt die Grundsätze ordentlicher Unternehmensführung. Zu diesen "Benimmregeln" gehört auch, dass die Aktionäre erfahren, wie viel jedes einzelne Vorstandsmitglied verdient. Allerdings ist die entsprechende Regel des Kodex bis jetzt nur eine Empfehlung, die von vielen Unternehmen missachtet wird. Damit könnte es bald vorbei sein. Richard Schenz, als Kapitalmarktbeauftragter der Regierung maßgeblich für den Kodex verantwortlich, schlägt vor, die entsprechende Empfehlung zu einer "C-Regel" zu machen. Das bedeutet, dass Unternehmen zwar nicht zur individuellen Veröffentlichung verpflichtet sind. Sie müssen allerdings bei der Hauptversammlung erklären, warum sie auf eine Veröffentlichung verzichten.

Mehr Transparenz bei den (Spitzen)Gehältern bedeutet für Österreich, wo niemand gern über das eigene Einkommen spricht, einen kulturellen Fortschritt. An der wachsenden Ungleichheit würde der verordnete Gehalts-Striptease für die Wirtschaftselite aber nicht viel ändern. Wenn alle am erwirtschafteten Wohlstand teilhaben sollen, dann wird man um steuerliche Korrekturmaßnahmen nicht herumkommen.

Der Autor ist freier Publizist.

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