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Die kritischen Aktionäre

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Widerspruch war der Beginn des ethischökologischen Investmentgedankens. Auch in Osterreich haben kritische Aktionäre Furore gemacht.

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Widerspruch war der Beginn des ethischökologischen Investmentgedankens. Auch in Osterreich haben kritische Aktionäre Furore gemacht.

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Man kann Aktien nicht nur als Instrument der Geldanlage, . sondern auch der Mitbestimmung ansehen. Da aber bei einer Kapitalgesellschaft - anders als bei der Genossenschaft oder in der Demokratie - nicht die Anzahl der Köpfe, sondern die Summe des eingebrachten Geldes maßgeblich ist, wird man als Kleinaktionär wohl kaum tatsächlich mitbestimmen können. Aber man kann sich zu Wort melden und Kritik, an der Geschäftspolitik „seines Unternehmens” üben, wenn es zum Beispiel umweit- oder entwicklungspolitisch auf der „falschen” Bahn ist.

Einen Höhepunkt erreichten die „shareholder action groups” im Zuge der Bürgerrechts- und Anti-Vietnamkriegsbewegung in den USA. Diese „aktiven Aktionäre” sind übrigens eine wesentliche Wurzel des ethischökologischen Investmentgedankens.

Neben dem Teilnahme- und Fragerecht bei den jährlichen Hauptversammlungen der Aktionäre einer Gesellschaft hat man das Recht, Anträge zu stellen und an den Abstimmungen mitzuwirken. Jede Stimme 2ählt auch zum Beispiel in bezug auf die Entlastung von Vorstand und Auf-sichtsrat sowie bei Wahlen zum Aufsichtsrat (wofür man auch eigene Kandidaten vorschlagen kann). Außerdem wird über die Höhe der Dividendenzahlung und manchmal über die Höhe der Aufsichtsratsvergütung abgestimmt.

Wie wird man kritischer Aktionär? Man kann sich jederzeit über seine Bank bestimmte Aktien zum aktuellen Kurswert kaufen und braucht sich dann nur noch um die Stimmkarte bzw. Einladung zur Hauptversammlung zu kümmern.

Aus Platzgründen sei hier nur der deutschsprachige Bereich behandelt, obwohl es beipsielsweise in den USA bei weit mehr Unternehmen kritische Aktionärsgruppen gibt. Allein das „Interfaith Center on Corporate Bes-ponsibility” in New York (mit dem sehr engagierten Direktor Tim Smith) koordiniert die Anträge vorwiegend kirchlicher institutioneller Investoren bei mehr als 100 Haupt - Versammlungen pro Jahr. Dabei stehen meist soziale, aber zunehmend auch ökologische Themen im Mittelpunkt.

Auch in Kanada, Großbritannien, Italien und Japan gibt es schon seit längerem kritische Äktionärsgruppen (Japan hat das Problem der „unerwünschten” Aktionäre auf seine Weise gelöst: fast alle Hauptversammlungen finden zugleich an einem bestimmten Tag (im Juni) statt!).

In Österreich wurden bisher kritische Aktionäre bei folgenden Unternehmen aktiv:

Austrian Airlines AG, Bank Austria AG, Creditanstalt-Bankverein AG, Energieversorgung Niederösterreich (EVN), Lenzing AG, Österreichische Mineralölverwaltung AG (OMV), Steyr-Daimler-Puch AG, Verbundgesellschaft, Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW).

Beispiel Verbund: in Österreich gibt es die der Anzahl nach weltgrößte Initiative kritischer Aktionäre, (über 1.000), und zwar beim Energieversorgungsunternehmen Verbundgesellschaft, die 1989 privatisiert worden ist. Die erste „öffentliche” Hauptversammlung dauerte deshalb nicht wie sonst üblich zwei oder drei Stunden, sondern rund 14 Stunden bis Mitternacht. Und anders als bei den meisten anderen Hauptversammlungen fanden sich die „kritischen” nicht in einer verschwindenden Minderheit, sondern machten rund die Hälfte aller anwesenden Aktionäre aus.

Die Stimmung glich somit stellenweise einem „Hexenkessel” für die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrates, die jedoch selten die Beherrschung verloren. Ein Team von vielen Helfern hinter der Bühne arbeitete ununterbrochen die Antworten auf Hunderte kritischer Anfragen aus.

Inzwischen ist es ruhig geworden um die „grünen Verbundaktionäre”: das alte Management hat abgedankt, das Unternehmen sieht Umweltschutz als wichtigen Aspekt und publiziert schon seit 1995 einen jährlichen Umweltbericht, der weltweit zu den besten gehört.

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