6875345-1978_41_15.jpg
Digital In Arbeit

Am besten ist der gute Vorgesetzte

Werbung
Werbung
Werbung

Auf der Suche nach Firmen, die auf sozialem Gebiet mehr tun, als nur Pflichtübungen zu absolvieren, wird man sehr bald auf die Shell Austria stoßen, insbesondere auf Dr. Gert Stemberger, Mitglied des fünfköpfigen Vorstandes und auch Berater von Industriellenvereinigung und Bundeswirtschaftskammer in Sachen Gesellschaftspolitik. Sein Unternehmen, Tochterfirma der multinationalen Mineralölgruppe Royal Dutsch/Shell, hält er für sozial, ohne dies jedoch mit den Kosten der einzelnen Aktionen beweisen zu wollen. Grundsatz ist: Es geht nie um die Einzelmaßnahme, sondern diese kann nur Ausdruck einer bestimmten Haltung sein.

Was Stemberger wie auch der Betriebsratsobmann Ing. Tuschek einvernehmlich in den Mittelpunkt der Diskussion um die Humanisierung stellen, sind die Führungsgrundsätze, aber nicht die Entlohnung, denn „Geld ist nicht alles“, meint Tuschek, der das Unternehmen im Hinblick auf das Gehaltsniveau jedenfalls als Spitzenreiter unter den Konkurrenten bezeichnet.

Diese Führungsprinzipien finden sich in einem achtseitigen Papier „Grundsätze der Zusammenarbeit“, die von den einmal jährlich stattfindenden Seminaren der Shell-Führungskräfte erarbeitet worden sind. Kernpunkt ist die unmittelbare Verantwortlichkeit eines Vorgesetzten für die ihm untergebenen Mitarbeiter.

Aus diesem Grund beschäftigt die in anderen Unternehmen als Ressort „Menschliches“ manchmal so wichtige Personalabteilung nur vier Personen. Zwei Beschäftigte können entweder miteinander auskommen n und wenn nicht, dann hilft ihnen auch kein Psycho- oder Soziologenteam. Es muß auch kein Vorgesetzter einen Mitarbeiter haben, den er nicht akzeptiert.

Ein zweites Prinzip gilt bei Shell: Nur wer die Arbeit, die er verrichten

soll, genau kennt und sich mit ihr identifiziert, erbringt die ihn selbst und das Unternehmen zufriedenstellende Leistung. Daher sollen die Mitarbeiter die Details ihrer Tätigkeit auch selber festlegen, jeder Verkäufer steckt sich selbst das Umsatzziel. Natürlich wird die Zielvorgabe in manchen Fällen äußerst schwierig -etwa beim Generaldirektor, aber auch beim'Nachtwächter, der in seinen diesbezüglichen Fragebogen konsequenterweise jedesmal wieder hineinschreiben müßte: „Nicht einschlafen“____

Als nächstes drängt sich gleich die Frage auf, ob denn ein Unternehmen, in dem so wenig Spannungen zwischen Management und Betriebsrat bestehen, letzteren überhaupt braucht. „Eine sicher berechtigte Frage“, meint Tuschek, der damit zugibt, daß es dem Betriebsrat um die Sache gehen sollte, anstatt um das ununterbrochene Anhäufen von „Erfolgen“, um Munition für die nächste Betriebsratswahl zu sammeln. Bei Shell wird übrigens nicht nach Parteilisten gewählt, sondern nach Namenslisten.

Tuschek sieht die Aufgabe des Betriebsrates nicht darin, für Spannung

Shell Austria AG (1977)

Geschäftszweige: Mineralölimport und -handel, Chemie, Geräteverkauf, Fernheizwerke

Besitzverhältnisse: Alle Aktien in Besitz der holländisch-englischen Gruppe Royal Dutch/Shell

Beschäftigte: 447 Angestellte, 244 Arbeiter (Jahresende 77)

Grundkapital: 640 Mill. S

Umsatz: 6,2 Mrd. S ohne Mineralöl- und Umsatzsteuer

Reingewinn: 64,1 Mill. S

Dividende: 10 Prozent

zu sorgen, sondern darin, an der Lösung der Spannungen mitzuarbeiten. Beispielsweise „kommt sicher einmal die volle Parität“, also die 50pro-zentige Mitbestimmung der Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat: ein Zeitpunkt, auf den man die Mitarbeiter bereits heute durch Schulungen vorbereiten müsse.

Unter den freiwilligen Sozialleistungen, die die Shell-Leute aufzählen, ist vor allem der Betriebsarzt erwähnenswert. Er steht der Belegschaft zweimal pro Woche gratis zur Verfügung und verschreibt dabei auch Medikamente, die die Firma der Krankenkasse aber am Jahresende zur Hälfte ersetzen muß. Einmal im Jahr kann sich jeder Mitarbeiter gründlich durchuntersuchen lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung