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Die Familie regiert mit

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Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen sind Familienbetriebe. Kapital und Unternehmensleitung sind in der Regel meist in einer Hand. Das bedeutet in den meisten Fällen Identifikation von Besitz und Leistung, von Kapital und Engagement. Das ist im Vergleich zu großen anonymen Unternehmensorganisationen ein Vorzug. Aber genau an diesem Punkt können Führungsprobleme auftauchen, die die Vorzüge ins Gegenteil verkehren.

Ein Blick in den Alltag: Da ist ein Unternehmer aus der metallverarbeitenden Industrie. Im Urlaub wird ihm ein Konkurrenzbetrieb für 25 Millionen Schilling zum Kauf angeboten. Er prüft die verlockende Situation, im Nachbarmarkt Fuß zu fassen, und entscheidet sich für den Kauf, ohne „zu Hause“ seinen hochqualifizierten Finanzmann zu fragen oder auch nur zu unterrichten. Dieser Finanzmann ist laut Vertrag für alle Finanzfragen des Unternehmens zuständig. Er reagiert auf die „Eigenmächtigkeit“ des Chefs entsprechend, weil er nicht mitentscheiden, sondern nur „abwickeln“ darf. Der Unternehmer fragt erstaunt: „Ja, soll ich denn meinen Angestellten fragen, was ich mit meinem Geld tun darf?“

Menschen führen ist immer und überall eine schwierige Aufgabe, denn es heißt, Bedingungen und Möglichkeiten schaffen, daß Menschen Freude an ihrer Arbeit und ihrer Leistung haben und diese Situation weiter zu entwickeln und zu erhalten. Führen im Familienunternehmen macht diese Schwierigkeiten nicht geringer. Ganz im Gegen-teü, sie verschärft diese Schwierigkeiten; denn Führen steht hier immer zwischen zwei Polen: der Markterfordernis und dem Familienegoismus.

• Wer Gründer des Unternehmens ist, läßt sich und die Umwelt gerne darüber im unklaren, ob er zuerst Familienvater oder Leiter des Unternehmens ist. Er ist immer der Patriarch: je nach Veranlagung väterli-

cher Freund, Herrgott oder Tyrann. Er fasziniert gleichermaßen, wie er abstößt Er duldet keine fremden Götter neben sich.

Qualifizierte und damit auch starke Führungskräfte, die gute Arbeit leisten, kann nur der halten, der bereit ist, Macht zu teilen, Widerspruch zu dulden - ja, Widerspruch sogar herauszufordern. Wenn das nicht der Fall ist, gehen gute Führungskräfte -oder sie kommen erst gar nicht

• Die Familie regiert mit Dieses „Mitregieren“ ist überall im Unternehmen zu spüren. Das ist auch der Fall, wenn außer dem .Patriarchen“ kein Familienmitglied im Unternehmen direkt tätig ist: Die erste und wichtigste Betriebskonferenz findet zu Hause am Frühstückstisch statt

• Das Management ist für die Familie reserviert Ein Außenstehender mag noch so tüchtig und loyal gegenüber der Familie sein, er wird es nur bis zum Statthalter bringen: Chef wird immer ein Mitglied der Familie. Wer als qualifizierte Führungskraft in einem Familienunternehmen zum großen Marsch nach oben ansetzen will, erkennt rasch, daß sein Weg viel steiniger ist als für Familienmitglieder.

• Die begrenzten Expansionsmöglichkeiten: Kapitalmangel wird zu Recht als entscheidendes Hindernis für die Expansion von Familienunternehmen angesehen Die Sicherung des Eigenkapitals hat in den meisten Fällen Vorrang vor dem Wachstum des Unternehmens. Das Zögern, den Weg zu einer kontrollierten Fremdfinanzierung zu suchen und zu finden, hält die meisten qualifizierten Führungskräfte davon ab, sich an ein Familienunternehmen zu

binden. Nur in einem expandierenden Unternehmen expandieren auch die Karrieren und damit die Anreize und lohnenden Ziele für überdurchschnittliche Mitarbeiter.

Oö Landesverlag: Neubau in Ried

Der Neubau der Druckerei Ried im Innkreis, für den vor kurzem der erste Spatenstich vorgenommen worden war, bildet im Investitionsprogramm des Oö Landesverlages das bedeutendste Projekt: auf einem 9000 Quadratmeter großen Grundstück am nordwestlichen Stadtrand von Ried wird um rund 17 Millionen Schilling ein Neubau mit 1900 Quadratmeter Produktions- und Lagerfläche sowie 600 Quadratmeter Büro- und Sozialräume errichtet, der Ende 1979 bezogen werden wird. Der Bau bringt nicht nur eine Verbesserung der bisherigen räumlichen Verhältnisse, sondern auch die Möglichkeit einer Ausweitung der maschinellen Kapazität Der Vorstand des OLV, der mit Beginn des heurigen Jahres mit der Leitung des Gesamtunternehmens betraut wurde (Vorsitzender: Dipl.-Ing. Lehner, Mitglieder: die Direktoren Diermayr, Gogl und Hattin-ger), hat für 1978 und 1979 ein Investitionsprogramm von rund 40 Millionen Schilling vorgesehen.

Ist es wirklich die unabdingbare Folge, daß sich Familienunternehmen mit der zweiten oder gar dritten Garnitur von Führungskräften zufrieden geben müssen? Die Antwort darauf: Ein klares Nein - denn es gibt in keinem Unternehmen Zwangsläufigkeiten, die nicht von Menschen beeinflußt werden können.

Nur - die Menschen müssen bereit und willens sein, nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln.

Aus- den Erfahrungen in den Unternehmer-Seminaren und aus zahllosen Gesprächen mit Unternehmern hat das „Institut für Führen und Verkaufen“ in Baden bei Wien ein Aktionsprogramm „Führen im Familienunternehmen“ entwickelt das auf den folgenden sieben Empfehlungen aufbaut:

Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Aktionsprogramms ist die Einsicht und Erkenntnis, daß die Lösung der Führungsprobleme und das Überleben des Unternehmens untrennbar miteinander verbunden sind. Der Unternehmer hat die Führungsaufgabe.

Der Organisationsaufbau muß die Trennung von Unternehmen und Familie deutlich machen Nur wenn eine Führungskraft weiß, wo sie steht, welche Aufgaben und welche Rechte sie hat - nur dann ist sie zur vollen Leistung bereit Eine solche Organisation schließt von vornherein aus, daß wichtige Entscheidungen am Frühstückstisch oder „unter Brüdern“ getroffen werden Je rascher ein Familienunternehmen wächst desto dringender ist die Forderung nach eindeutiger und überschaubarer Organisation. Diese Forderung beruht auf der Erkenntnis,

daß in größer werdenden Unternehmen der Unternehmer nicht mehr der „ Alles-Allein-Macher“ sein kann, sondern zum Führer der Fachleute werden muß. Viele Unternehmer scheitern auf dem Weg in die Expansion daran, daß sie nicht bereit sind, dieses Führen zu lernen.

Im Familienunternehmen muß die Nachfolge klar geregelt sein. Oft genug ist die Nachfolgefrage der wunde Punkt, wenn es um die Leistungsmotivation von Führungskräften von außen geht Um die Nachfrage in der Firmenspitze darf nicht herumgeredet werden. Das ist gefährlich. Der Nachfolger kommt doch normalerweise aus der Familie - warum nicht offen darüber sprechen? Denn Unternehmer und Familie können diesen Anspruch vertreten Der Unternehmer hat jedoch die Verpflichtung, der Ausbildung des Nachfolgers große Sorgfalt zu widmen. Die Entscheidung für einen Vater ist sehr schwer, wenn er sieht, daß in seinem Sohn kein Nachfolger heranwächst. So schwer es auch fällt, hier muß er eine Entscheidung gegen die Familie treffen.

Entscheidend ist, daß der Unternehmer gerade im Führungsbereich das Leistungsprinzip durchsetzt: Leistung und nicht Kapitalanteü ist ausschlaggebend für Führungsfunktionen.

Wenn es das Unternehmen erfordert, muß die Familie zurückstehen. Das gilt besonders für die Finanzierung. Geplante Expansion hat Vorrang vor der Dividendenausschüttung.

Jedes Unternehmen neigt zur Betriebsblindheit und das Familienunternehmen stärker als andere. Ein nützliches Instrument, um die Folgen der allzu intensiven eigenen Nabelschau in erträglichen Grenzen zu halten, ist ein Beirat, der von qualifizierten und kompetenten Außenstehenden besetzt ist und auch bei der Auswahl von Führungskräften mitwirkt.

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