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Startschuß zum Volksbegehren

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Die Arbeitszeitverkürzung ist in allen Ländern ein soziales, wirtschaftliches und soziologisches Problem und hat ferner unzählige sachliche Teilaspekte, von denen der rechtliche und der arbeitsphysiologische nur als Beispiele angeführt seien. Österreich hat wieder eine Fleißaufgabe gemacht: Weil hierzulande „durt, wo ka Gfrett is, ans wurdt“ (Weinheber), kam diese diffizile, komplexe Frage in die Mühle des Parteienhaders.

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Die Arbeitszeitverkürzung ist in allen Ländern ein soziales, wirtschaftliches und soziologisches Problem und hat ferner unzählige sachliche Teilaspekte, von denen der rechtliche und der arbeitsphysiologische nur als Beispiele angeführt seien. Österreich hat wieder eine Fleißaufgabe gemacht: Weil hierzulande „durt, wo ka Gfrett is, ans wurdt“ (Weinheber), kam diese diffizile, komplexe Frage in die Mühle des Parteienhaders.

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Denn alles wird davon abhängen, in welchen Etappen die 40-Stunden-Woche eingeführt wird. Der Wirtschafts- und Sozialbeirat der Paritätischen Kommission hat in seiner Studie zu diesem Thema ein vorsichtiges Vorgehen empfohlen und die letzte Etappe um die Mitte der siebziger Jahre angesiedelt. Es wäre an sich vernünftig, die späteren Etappen erst festzusetzen, wenn man die Auswirkungen der ersten bereits kennt. Vor allem würde man damit vermeiden, die späteren Stufen zu Zeiten einer Hochkonjunktur oder einer ausgesprochenen Depression anzusetzen, wo die ungünstigen Auswirkungen am stärksten wären. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß eine Partei aus wahl-taktiischen Gründen plötzlich eine Arbeitszeitverkürzung durchsetzt, die noch nicht vertretbar ist und zu einem früheren Zeitpunkt erzwingt, als wenn man gleich jetzt einen Terminplan aufstellte. Eine konkrete Gefahr besteht im Jahre 1973, wo vermutlich die übernächsten Natio-nalratswahlen stattfinden, da der verfassungsmäßige Termin, Februar 1974, witterungsmäßig nicht haltbar sein dürfte.

In der ersten Zeit wird die Aufrecht-erhaltwng der Produktion nicht durch Rationalisierung, die ja auch ihre Zeit braucht, sondern durch Mehrbeschäftigung erfolgen müssen. Eine Liberalisierung bei der Fremdarbeiterzulassung wäre eine Hilfe für die Wirtschaft und könnte — nach gewissen Äußerungen (siehe Dr. Veselstry in der Furche Nr. 16) — auch das Verständnis der Arbeitnehmervertreter finden. Wichtiger ist den Unternehmern aber eine großzügigere Uberstundenregelung, da der Hauptbedarf an Arbeitskräften auf dem Sektor der Spezialisten liegen wird. Die rechtliche Situation ist in Österreich etwas verworren, um nicht zu sagen grotesk. Zwar haben wir nach dem Generalkollektivvertrag aus dem Jahr 1959 die 45-Stun-den-Woche, jedoch ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß gesetzlich noch immer die kriegsrechtlichen Vorschriften der Hitlerzeit gelten, die eine 60-Stun-den-Woche (zehn Stunden an sechs Tagen pro Woche) vorsahen. Im Gegensatz dazu meint der Verfassungsgerichtshof, daß die deutschen Vorschriften durch das Rechtsüberleitungsgesetz außer Kraft gesetzt sind.

Im Sozialminiisterium sind, in der Zwischenzeit aber bereits Vorarbeiten für ein neues Arbeitszeitgesatz im Gange. Politische Grundlage hierfür ist eine Absprache zwischen ÖAAB-Bundesobmann Dr. Maleta und Wirtschaftsbundpräsident Ingenieur Sallinger, die übereingekommen sind, die „Austrifizierung“ des Arbeitsrechtes in Angriff zu nehmen, sobald die Sozialpartner einen Generalkollektivvertrag über die Arbeitszeitverkürzung erreicht hätten. Denn auch das Volksbegehren verfolgt ja diesen Zweck.

Aber auch in der Gewerkschaft ist man derzeit über die sozialistische Initiative nicht sehr glücklich. Man fürchtete zwar weniger eine Störung der sachlichen Verhandlungen, die nunmehr seit März laufen, will aber — nicht ganz zu Unrecht — das Verdienst um die soziale Besserstellung mit niemandem teilen. Zahlreiche sozialistische Gewerkschafter haben dieses Unbehagen auch formuliert, am deutlichsten der frühere stellvertretende Gewerkschaftspräsident Hillegeist, der einer unabhängigen Tageszeitung gegenüber sagte: „Es ist problematisch, wenn die Partei mit etwas vorprellt, nur weil sie jetzt einen Propagandaerfolg für die Wahl braucht.“ Indes ist gar nicht so sicher, ob die Rechnung der SPÖ tatsächlich aufgehen wird. Bei der Salzburger Dandtagswahl gewann die FPÖ, die das Volksbegehren sehärfsteras abgelehnt hat, und bei den folgenden steirisehen Gemeinderatswahlen war es nicht anders. Im Wiener Wahlkampf spielte die Frage keine Rolle, man begann mit der Werbung für das Volksbegehren erst am Tag nach der Gemeinderatswiahl. Die SPÖ gewann hier prozentuell, weil sie bei katastrophaler Wahlbeteiligung ihren Wähierstock fast uneingeschränkt halten konnte. Bei der Nationalratswahl 1970 aber dürften andere Faktoren die entscheidende Rolle spielen.

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