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Taktik oder Vernunft?

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Der Wind der Inflation hat Frost gebracht.

Die Sozialpartner — allesamt Politiker der Regierung oder der Opposition, und deshalb in sich gespaltene Persönlichkeiten — folgen zwar den Aufforderungen einer nervös gewordenen Regierung zu Preisgesprächen: aber ob es tatsächlich gelingt, die Preise in den Griff zu bekommen, bleibt abzuwarten.

Tatsächlich ist es ja so, daß die Opposition ganz genau weiß, daß nichts der Regierung Kreisky so schwer schadet wie die Preisentwicklung. Für den ÖVP-Abgeord-neten Rudolf Sallinger muß es also die bessere Taktik sein, die Regierung im Saft der Preisentwicklung schmoren zu lassen. Sallinger ist aber auch Bundeskammerpräsident: und als solcher weiß er, daß die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft bei dieser Preisentwicklung ernsten Schaden nehmen kann.

Für die andere Seite der Sozialpartnerschaft ist es nicht viel anders. Der SPÖ-Abgeordnete Anton Benya muß der SPÖ-Regierung jede nur erdenkliche Schützenhilfe geben, will er seiner Partei die Regierung auch für die nächste Legislaturperiode erhalten. Er kann ihr daher keine Schwierigkeiten machen. Der Gewerkschaftler Benya allerdings muß für mehr Lohn seiner Arbeitnehmer kämpfen: gegen die Interessen der Regierung. Anderseits weiß Benya, daß neue Lohnerhöhun-neue Preiserhöhungen provozieren.

Fürwahr: ein nicht eben leicht zu lösendes Dilemma. Parteitaktik und Vernunft streiten zwischen Kooperation und Konfrontation.

Sieht man das Dilemma, dann muß man allen Ernstes aber an der Vernunft der Regierungspolitik zweifeln: warum, bitte warum, hält man dann noch nach wie vor an dem Mehrwertsteuertermin fest?

Die Vorbereitungen sind schon zu weit vorangetrieben?

Ganz im Gegenteil: die geplante Einführung wird den Unternehmen noch bis Jahresende und auch dann noch allergrößte organisatorische Schwierigkeiten machen — jedenfalls mehr, als ein Abblasen der Aktion und eine zeitweilige Belassung beim derzeitigen System.

Darum geht es jetzt: überwindet sich die Regierung und stellt das Justamentsprestige hintenan? Überwindet sich die Opposition, indem sie das Abblasen nicht „Rückzug“ nennt?

Man darf gespannt sein. Heil von den Sozialpartnern zu erwarten, die sich immer mehr voneinander entfernen, ist für die Parteien jedenfalls im Augenblick kein guter Rat. Die Zeit drängt.

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