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Der Rückblick gilt einem Politiker, der weiter weg zu sein scheint als Leopold Figl und Julius Raab, und einem Menschen, der für den österreichischen Typus untypischer war als Adolf Schärf und Bruno Pittermann. In diesem Sinn war Josef Klaus außergewöhnlich und er war ganz sicher ein Wendepunkt der Zweiten Republik, an dem sich die Geister damals schieden und ohne den sie heute nicht verständlich wäre.

Klaus wurde 1949 Landeshauptmann von Salzburg, im Alter von 39 Jahren. Wenige Jahre zuvor hatte er sich als selbständiger Rechtsanwalt in Hallein niedergelassen. Als er 1970 seine in der Zwischenzeit stillgelegte Kanzlei liquidierte, war das ein Formalakt: er hatte in der Zeit seiner Regierungszugehörigkeit - und auch schon vorher - aus der Kanzlei weder Einkommen noch Vermögen gezogen. Er hatte daher auch keine „Treuhänder" notwendig. Soviel ich weiß, hatte er auch nie die Existenzangst, die Selbständige in der Regierung manchmal befällt.

Aber seine persönliche Bescheidenheit und ein etwas savonarolahafter Anspruch, daß auch die anderen ihre politischen Sitten erneuern, hätten ihn nicht zu der Zentralfigur der österreichischen Innenpolitik gemacht, die er war und von deren Fortwirkung ein guter Teil der sozialistischen Regierung lebt.

Als Klaus 1961 in das Finanzministerium nach Wien kam, 1963 gegen Drimmel Bundesparteiobmann der ÖVP wurde, 1964 Bundeskanzler und 1966 der erste Bundeskanzler einer Einparteienregierung, geschah dies mit kämpferischer, alles riskierender Emphase; die ÖVP müsse sich an Haupt und Gliedern erneuern und mit ihr die politische Führungsschicht der Republik.

Dieser Erneuerungsanspruch fiel offenbar mit der Erwartung einer Mehrheit der Wähler zusammen, vor allem aber vieler mittlerer und kleiner Funk-

tionäre der ÖVP. Er löste den wahlentscheidenden Aufstand des kleinen Mannes aus: gegen die Koalition da oben, die alles verdeckte und verpak-kelte; gegen die in Wien, die mit denen unterhalb des Semmerings und westlich der Enns nicht mehr sprechen konnten; gegen die Heurigenpolitiker, die der nüchternen Expertise keinen Raum gaben; gegen die Herrschaft der wenigen, die sich auf die Dauerzustimmung von 90 Prozent stützen konnten.

Der mit diesen Parolen gewählte Bundeskanzler Josef Klaus läßt leicht vergessen, daß die Frucht seiner Regierungstätigkeit - mit wenigen Ausnahmen - Gesetze waren, die in der soliden Tradition zwischen Raab und Kreisky stehen und ihre Wurzel nicht in der Konfrontation, sondern in der Zustimmung haben.

Es gab keine bürgerliche Ideologie, die über den Rahmen der bisherigen Koalitionsdemokratie hinausgeführt hätte. Das war die Stärke von Klaus: seine Regierungstätigkeit war solide, hatte bleibende Resultate, schuf Wohlstand, Sicherheit-, Zufriedenheit.

Das war seine Schwäche: aus den Restbeständen christlichsozialer Staatsauffassung, Karnitz-Marktwirtschaft und Öffnung nach rechts, die einige seiner Freunde konsequent betrieben, ließ sich keine Utopie einer neuen Gesellschaft entwickeln.

Für die Gratulanten zu seinem Geburtstag bleibt Josef Klaus ein außerordentlich liebenswürdiger und selbstlos ermutigender Mensch; er ist eine Erinnerung, der man treu bleiben kann, ohne sich selbst untreu zu werden. Und von Klaus bleiben für alle seine Nachfolger Maximen, die sie nicht verletzen dürfen, ohne Schaden zu erleiden: persönliche Integrität als Grundlage guter politischer Entscheidungen; keine Macht ohne Kontrolle, daher nie die ganze Macht für wenige; und hin und wieder ein wenig Utopie, die die Angehörigen des einen Lagers genauso dringend brauchen wie die des anderen.

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