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Kirche/ÖVP: Der falsche Krieg

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Wo es echte Probleme gibt, sollen diese ausdiskutiert werden: hart und klar, auch zwischen der Amtskirche und einer Partei, in der viele bekennende Christen politisch tätig sind. Aber der Grund für einen Krieg darf nicht blanke Ignoranz sein.

Eine von der Katholischen Sozialakademie Österreichs herausgegebene Broschüre „Kirche und ÖVP“ (von der FURCHE am 17. Jänner besprochen) hat einige wirklich unverständliche Reaktionen ausgelöst.

Obwohl Weihbischof Helmut Krätzl in seinem Beitrag ganz konkret lediglich zwei Autoren in zwei genau bezeichneten Artikeln ein „falsches Kirchenbild“ attestiert hatte, wurde ÖVP-Klubobmann Alois Mock von einem Journalisten mit dem Pauschalvorwurf konfrontiert, der Bischof werfe „der ÖVP“ ein falsches Kirchenbild vor - ein Vorwurf, dem Mock naturgemäß „entschieden entgegentreten“ mußte.

Daß aber „eine stark traditionsgebundene Schicht maßgeblicher ÖVP-Funktionäre die Wandlung (der kirchlichen Soziallehre) nur schwer verkraften kann“, hatte schon 1971 der damalige ÖVP-Angestellte Peter Diem festgestellt - und der heutige Wiener ÖVP-Vizebürgermeister Erhard Busek 1975 mit ähnlichen Worten auch.

Beide hatten recht. Nicht zuletzt die derzeitige Aufregung in einigen Zeitungen beweist es. Aber Mock hatte natürlich auch mit der Bemerkung recht, daß manche Lehren von Vaticanum II „auch von führenden Persönlichkeiten der Kirche weder in der Theologie noch im persönlichen Selbstverständnis durchgeführt worden sind“.

Also sollten lieber beide Seiten in sich gehen, statt den Kaffee von gestern neuerlich einander auf die Weste zu schütten. Und Kaffee von gestern ist auch der Krätzl-Beitrag in der erwähnten Broschüre. Das Referat wurde vom Bischof schon vor einem Jahr gehalten. Im Aprilheft 1978 der ÖVP-„Monatshefte“ wurde es erstmals veröffentlicht. Niemand zuckte damals mit einem Ohr. Wenn man nun versucht, ausgerechnet einen Helmut Krätzl als „roten Bischof einzufärben, gehört dazu ein überdurchschnittliches Maß an Ah-nungslosigkeit.

Vielleicht prügeln ihn einige, weil er in einer Reihe der Katholischen Sozialakademie publiziert, bei deren bloßer Erwähnung manche Leute einen österreichischen Camillo Torres mit einem Gewehr auf einen Prälaten zielen sehen. Dabei hatte die Sozialakademie monatelang schriftlich und telephonisch bei der ÖVP eine gemeinsame Veröffentlichung der Referate eines Studientags vom Mai 1977, bei dem auch drei ÖVP-Spit-zenpolitiker sprachen, betrieben. Die ÖVP-Zentrale reagierte nicht

Am Beginn eines Wahlkampfes, in dem Wichtiges zu diskutieren ist, sollte endlich außer Streit stehen, daß die Kirche Seelen und eine Partei Wähler gewinnen muß. Und daß der katholische Parteifunktionär, der bei jeder politischen Rede nach Weihrauch schielt, so wie ein Pfarrer oder Bischof und jeder andere Gläubige „Kirche“ ist.

1966 war das erste Jahr ohne direkte oder indirekte Wahlempfehlung der Bischöfe. Damals errang die ÖVP die absolute Mehrheit. Als 1970 der Wind sich drehte, war nicht die Kirche daran schuld. Auch das Ergebnis des 6. Mai, so oder so, wird kein Bischof auf dem Gewissen haben.

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