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Gerechtes Maß für Zivildiener und Soldaten

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„Medienbischof' Christian Werner empfiehlt Österreichs Bischöfen, deren Stimme derzeit zweimal im Jahr der Grazer Bischof Johann Weber ist, eine Person zum ständigen Pressesprecher zu bestellen.

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„Medienbischof' Christian Werner empfiehlt Österreichs Bischöfen, deren Stimme derzeit zweimal im Jahr der Grazer Bischof Johann Weber ist, eine Person zum ständigen Pressesprecher zu bestellen.

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FURCHE: Herr Bischof, wie steht die Kirche zu den Plänen, daß der Zivildienst deutlich länger als der Grundwehrdienst dauern soll?

BISCHOF CHRISTIAN WERNER: Als langjähriger Militärseelsorger und ehemaliger Offizier des Bundesheeres mache ich mir zwar große Sorge, ob das Heer seinen Auftrag, der in der jetzigen Lage Europas besonders aktuell ist, überhaupt noch erfüllen kann, aber eine Verlängerung des Zivildienstes ist eine politische Frage, in die sich die Militärseelsorge nicht einmischen will. Wir sind nur dafür, daß der Jugendliche bereit ist, für den Staat etwas zu tun, daß es wirklich die allgemeine Wehrpflicht gibt und daß dabei ein gerechtes Maß zwischen Zivildienst und Militärdienst herrscht.

FURCHE: Teilen Sie die Meinung, den Zivildienern müßte ihr Gewissen, auf das sie sich ja berufen, eine etwas längere Dienstzeit wert sein ?

WERNER: Wenn man von Gewissen spricht, redet man sehr oft vom Zivildiener. Wir wissen, daß es auch für den Soldaten eine große Entscheidung ist, Soldat zu werden, gerade jetzt, wo die Situation immer unsicherer geworden ist und wir auch rechnen müssen, daß es zu realen Einsätzen kommt. Ich wäre ja, um es pointiert zu sagen, dafür, daß jeder Staatsbürger, ob männlich oder weiblich, eine gewisse Zeit für den Staat Dienst tut, daß er weiß, daß er nicht nur vom Staat Bonitäten empfängt, sondern daß er auch für den Staat etwas tun kann und soll. Das ist beim Soldaten der Fall, und das ist bei den Zivildienern der Fall, wo ich aus Erfah rung weiß, daß ganz Ausgezeichnetes geleistet wird.

Es ist ganz wichtig, daß man nicht das eine gegen das andere ausspielt. Ich bin für ein Miteinander: daß auch der sich für den Zivildienst entscheidende junge Mensch die Soldaten nicht „Mörder” nennt und meint, nur er habe das gute Gewissen. Wir wissen auch vom biblischen Befund her, daß das Böse eine Realität ist und der Mensch, solange er zwar erlöst, aber noch nicht vollendet ist, sich vor dem Menschen schützen muß. Man sieht es jetzt im ehemaligen Jugoslawien, wozu der Mensch fähig ist. Wir wissen, daß es sowohl bei den Soldaten als auch bei den Zivildienern Drückeberger gibt. Die wesentliche Frage ist: Bin ich als junger Mensch bereit, überhaupt etwas für mein Vaterland zu tun?

FURCHE: Sie könnten sich einen solchen Dienst auch für Mädchen vorstellen, etwa auch in Uniform und beim Heer?

WERNER: Nein, nein, eine Frau mit Waffe ist für mich beim Heer unvorstellbar, aber durchaus im Dienst an der Allgemeinheit. Was gibt es doch bei uns an Menschen in Not auf breitester Basis, wo der junge Mensch, ob Mann oder Frau, lernen könnte, für die Menschen in unserem Staat Mitverantwortung zu tragen. Aufgaben gäbe es in Hülle und Fülle, ob in der Alten- und Krankenbetreuung oder bei der Bestellung eines Bauernhofes, dessen Bestehen, wenn dort jemand ausfällt, akut gefährdet sein kann. So ein Vorschlag ist sicher nichts für ein Parteiprogramm, aber seine

Verwirklichung könnte dem jungen Menschen das Gefühl geben: Ich habe etwas für meine Heimat getan.

FURCHE: Sie haben aber Verständnis für Stimmen, die eine Verlängerung des Zivildienstes fordern, um eine drohende Lücke an Personal zu vermeiden?

WERNER: Ich weiß nicht, ob eine Verlängerung Effekt hat. Ich weiß nur eines: Der Soldat fühlt sich in vielen Dingen (Kasernierung, Bezahlung) gegenüber dem Zivildiener benachteiligt. Wie man das irgendwie ausgleicht, ist nicht Sache der Militärseelsorge.

FURCHE: Hängt nicht die Legitimität einer Militärseelsorge davon ab, in was für einem Heer sie tätig ist? Im Dritten Reich gab es Militärseelsorge, aber auch einen Franz Jäger-stätter, der unter diesem Regime nicht Militärdienst leisten wollte...

WERNER: Jägerstätter hätte ja bekanntlich in einem Heer wie dem heutigen österreichischen Bundesheer seinen Dienst getan, er hat nur der damaligen Führung aus Gewissensgründen den Dienst versagt, und dafür ist er in den Tod gegangen. Das Symbol für Wehrdienstverweigerung, zu dem er heute von manchen Gruppierungen gemacht wird, war er nicht.

FURCHE: Aber muß man nicht den Vorwurf ernst nehmen, die damalige Kirchenleitung habe für Jägerstät-ters Haltung viel zu wenig Verständnis erkennen lassen?

WERNER: Ich kann mir vorstellen, daß das, wovon Jägerstätter erfaßt war, für eine Institution wie die damalige Kirche, wo auch vieles an kirchenpolitischen Interessen mitgespielt hat, an Angst vor dem Bolschewismus und so weiter, schwierig war. Überhaupt muß man grundsätzlich sehr vorsichtig sein, historische Zusammenhänge und ihre Folgen mit dem Beurteilungsstand von heute zu sehen, ohne sich ausreichend in die damaligen Spannungen, Nöte und Probleme hineinzudenken.

FURCHE: Zu Ihren Agenden in der Bischofskonferenz gehört der Bereich Männer. Halten Sie diese geschlechtsspezifischen Gliederungen noch für zeitgemäß?

WERNER: Meine Erfahrung ist, daß es doch viele geschlechtsspezifische Fragen gibt, wo man gerne unter sich ist. Aber bei den Veranstaltungen der Männerbewegung sind Frauen oder Kinder nie ausgeschlossen, auch zur Tagung nach Bad Leinfelden kamen ganze Familien.

FURCHE: Worin hat Ihre bisherige Tätigkeit als „Medienbischof” im wesentlichen bestanden?

WERNER: Zunächst einmal im Einlesen in die Grunddokumente der Kirche ab dem Zweiten Vatikanischen

Konzil und im Herausfinden, was es da alles gibt, im innerkirchlichen Bereich und darüber hinaus. Das Katholische Zentrum für Massenkommunikation könnte ich mir als Stabstelle und Motor vorstellen, als Hilfe für die Diözesanbischöfe, die ja die eigentlichen „Medienbischöfe” sind. Was in Zukunft kommen wird, auch das Privatradio, ist ja nicht österreichweit abzudecken. Ich bin der, der Medienpolitik macht, und wünsche mir, daß ein ständiger Pressesprecher der Bischofskonferenz institutionalisiert wird, denn die Menschen zeigen Bedarf nach einer schnellen, guten und sachlichen Information auf tagespolitische oder kirchenpolitische Fragen. Es geht darum, daß schnell jemand da ist, der, gestützt auf ein kleines Team - zwei, drei Bischöfe mit Laien -, mit einer Erklärung vor die Kamera treten kann.

Ein zweites: Ausbildung von Kräften. Ganz wichtig wäre es für mich, in den Schulen, in den Orden, in den Gremien Leute aufzubauen, die mit Medien kritisch umgehen können und Interesse kriegen, sich selbst einzubringen, Medien nicht nur passiv zu konsumieren. Gerade fürs Privatradio sollten wir viele Leute haben, die bereit sind, sich glaubensmäßig weiterzubilden, Zeugnis abzulegen, die für Kurzinterviews zur Verfügung stehen und die auch die Fähigkeit haben, sich zu artikulieren.

FURCHE: Wird der von Ihnen gewünschte Pressesprecher nicht manchmal sagen müssen, daß es auch unter den Bischöfen verschiedene Meinungen gibt?

WERNER: Freilich. Das kann ich mir ohne weiteres vorstellen. Es gibt Beschlüsse der Bischofskonferenz, die der Sprecher im Sinne der Konferenz noch näher interpretieren könnte, und Fragen, zu denen Meinungsverschiedenheiten in der Konferenz bestehen, was man auch öffentlich andeuten könnte. Man soll natürlich nicht mit allem, wo man nicht einer Meinung ist, gleich an die Öffentlichkeit gehen, damit nicht vieles, was noch wachsen und werden muß, gleich zerredet und hinterfragt wird. Persönlich bin ich aber für eine relative Offenheit der Arbeitsinhalte der Bischofskonferenz, weil wir ja kein „Geheimklub” sind und die Leute sich vertreten wissen und uns auch als Suchende erleben sollen.

Die Frage ist: Wie können wir wirklich Orientierung sein? Mein Anliegen wäre, daß wir da zunächst Verständnis bei unseren eigenen Leuten finden. Und es gibt auch in den ganz normalen, nicht kirchlichen Medien sehr gute Leute, aber wir haben auch mit anderen Konzernen und Machtfaktoren zu rechnen, die nicht interessiert sindam Gemeinwohl der Bevölkerung, sondern die ganz beinharten Marketinggesetzen folgen: Hauptsache, es wird Cash gemacht. Da kommt noch viel auf uns zu. Darum wäre es gut, wenn wir innerhalb der Kirche, ohne daß jemand einen Maulkorb kriegen soll, eine gemeinsame Basis finden.

FURCHE: Zeichnet sich dieser Pressesprecher bereits konkret ab?

WERNER: Mich gibt es als. „Me-dienbischof noch nicht lange. Ich werde nun all die Erfahrungen, die ich inzwischen gemacht habe, mit Vorschlägen einen Monat vor der Bischofskonferenz schriftlich vorlegen. Wenn ich dort zu Wort komme, werde ich das auch noch kommentieren, und dann werden wir sehen, in welche Richtung es geht. Das Gespräch führte Heiner Boberski.

Johannes Paul II. im Baltikum

(ski)- Papst Johannes Paul II. besucht dieser Tage Litauen, Lettland und Estland. In Litauen rechnete der Papst scharf mit den totalitären Systemen dieses Jahrhunderts ab, rief zu Versöhnung und „spiritueller Wiedergeburt” auf und appellierte an den Westen, Osteuropa durch eine Art „Marshall-Plan” beim Wiederaufbau zu helfen.

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