7093171-1994_37_12.jpg
Digital In Arbeit

Heiße Polit-Meile in Wien-Favoriten

19451960198020002020

Ein Nachmittag in der Fußgängerzone in Wien-Favoriten - das sind drei Wahlkampfauftritte: Franz Vranitzky, Alois Mock, Madeleine Petrovic.

19451960198020002020

Ein Nachmittag in der Fußgängerzone in Wien-Favoriten - das sind drei Wahlkampfauftritte: Franz Vranitzky, Alois Mock, Madeleine Petrovic.

Werbung
Werbung
Werbung

So nehmen S’ doch die Brille zum Unterschreiben, Herr Außenminister, da tun S’ Ihnen ja viel leichter, I kenn das von mir selber!“ — Die ältere Dame, die sich an dem wolkenverhangenen Freitagnachmittag in der Favoritner Fußgängerzone um ein Autogramm des „Helden von Brüssel“ anstellt, wird beinahe unwirsch, so sehr ist sie um die Gesundheit ihres Idols besorgt. - „Soll I mit dem ganzen Namen unterschreiben, oder reicht einfach Mock“, scherzt der sichtlich aufgeräumte Außenminister: „Weil meine Frau sagt immer, sie hat mich trotz meines Vornamens geheiratet.“

„Gon SCHÜTZE SIE“

Der Ansturm der Passanten, die sich darum drängen, vom „besten Außenminister der zweiten Republik“ (so die Ankündigung seines Auftritts durch die Wiener ÖVP) einen Händedruck, ein Autogramm oder gar ein gemeinsames Foto zu ergattern, läßt auch nach der dafür vorgesehenen Stunde kaum nach. Und Mock genießt seine Popularität: für jeden hat er ein aufmunterndes Wort, mit manchen Fans führt er - im akustischen Schatten der Blasmusikkapelle — auch diskrete Vier- Augen-Gespräche. Angewandte Lebensberatung durch einen Politiker, der selbst durch alle Höhen und Tiefen gegangen ist und dem die Menschen vertrauen. Sogar im einst tiefroten Favoriten. „Herr Außenminister, wir sind so stolz auf Sie“, gesteht eine ältere Dame: „Schade, daß wir nicht mehr solche Politiker haben. Gott schütze Sie.“

Was noch auffällt: in seiner Wahlrede vor dem Bad in der Menge spricht Mock von den Leistungen der Österreicherinnen und Österreichern, dem großen Renommee, das die Alpenrepublik seit dem eindeutigen Ausgang der EU-Volksabstimmung in Europa genießt („Na wusch - da hat ma g’schaut, wie es auf einmal geheißen hat, mehr als 66 Prozent sind für die EU“) und davon, daß auch die Politiker viel besser dastünden, würden sie mehr an Österreich als an ihre Partei denken. Das Wort „Volkspartei“ oder das Kürzel „ÖVP“ wird von Mock so gut wie gar nicht verwendet.

Szenenwechsel, von Mocks Auftritt am Keplerplatz 500 Meter weiter auf den Reumannplatz: die Grünen versuchen mit einem bunten Showprogramm und provokanten Aussagen (Bundessprecher Peter Pilz begrüßt zunächst „die alten Bekannten von der Staatspolizei“) die Passanten zu fesseln nicht immer mit dem gewünschten Erfolg: die klein! Tochter der Spitzenkandidatin Madeleine Petrovic fürchtet sich vor dem riesenhaften Stelzengeher, der zu den Klängen einer mazedonischen Jugend-Band abenteuerliche Verrenkungen vollbringt.

Petrovic, Pilz und Co heben sich von ihrer Konkurrenz dadurch ab, daß bei ihnen Sachthemen dominieren: die von der Rathaus-SPÖ mitverschuldete Wohnungsmisere, die ausländerfeindliche Haltung der anderen Parteien, Umweltthemen. An einem Bildschirm mit Tastatur kön nen Interessierte testen, wie sie sich als Umweltminister machen würden. „Das Spiel ist wahrscheinlich noch komplizierter, als wenn man .tatsächlich Minister ist“, meint ein Passant..

Am Viktor-Adler-Markt zwischen Keplerplatz und Reumannplatz hat sich inzwischen die Menge bei einem bunten Musikprogramm der Kinderfreunde die Zeit bis zum Eintreffen des Bundeskanzlers vertrieben. Als Franz Vranitzky schließlich eintrifft, macht sich Aufregung breit: sehr zum Leidwesen der offensichtlich wegen jüngster Attentatsdrohungen übernervösen Sicherheitsbeamten stürzen sofort einige mit Fotoapparaten bewehrte Favoritner auf den SPÖ-Vorsitzenden zu. Doch die professionellen Fotoreporter sind natürlich schneller: „Machts euch net so breit“, murrt ein zu kurz gekommener Hobby-Fotograf: „I will doch nur a Foto fürs Album.“

EIN FOTO FÜRS ALBUM

Doch die Mühe der Hobby-Fotografen steht nicht dafür - hat doch auch Vranitzky, ebenso wie Mock, eine Riege von mit Sofortbildkameras ausgerüsteten Wahlkampfhelfern in seinem Gefolge. Da können dann die Fans gleich ein Autogramm auf das gemeinsame Föto mit ihrem Politiker-Liebling bekommen. Auch für Vranitzky, dem einst Unnahbarkeit nachgesagt wurde, sind mittlerweile Wahlreden samt dem dazugehörigen „Bad in der Menge“ Routine geworden.

Das Resümee: etwa gleich viel „Fans“ bei Vranitzky wie bei Mock, etwas weniger bei den Grünen.

Und das persönliche Verhältnis zwischen Bevölkerung und Politikern? - Die Grünen sind „Leute wie du und ich“, Vranitzky wird bewundert — aber Mock wird geliebt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung