6886176-1979_28_01.jpg
Digital In Arbeit

Ein Christ im Staat ist gefragt

Werbung
Werbung
Werbung

Mit feinem Ohr konnte man auch vorwiegend grobschlächtiger Parteitagsrhetorik bemerkenswerte Zwischentöne entnehmen: zum Beispiel, als der Wiener ÖVP-Obmann Erhard Busek in seiner Nominierungsrede für den Satz „Alois Mock ist ein Christ“ demonstrativen Beifall erhielt.

Natürlich ist längst unbestritten, daß die ÖVP nicht den Ausschließlichkeitsanspruch auf Vertretung der Christen in der Politik erheben kann, daß sie umgekehrt auch nicht von der Kirche als verlängerter Arm benutzt werden darf, und daß sie politisch darauf bedacht sein muß, nicht nur das Vertrauen bewußter Christen anzusprechen.

Dennoch war der Spontanbeifall bezeichnend, signalisierte er doch Zweifel und Unmut, die im Stammwählerbereich der ÖVP bereits bedenkliche Ausmaße erreicht haben. Zudem lehrt die Erfahrung, daß auch die berühmten Wechselwähler Klarheit in der Aussage und Grundsatztreue mehr honorieren als eine Politik, in der „Pragmatismus nur ein Pa-ravant für Richtungslosigkeit ist“, wie es Josef Taus in seiner starken Abgangsrede treffend formulierte. (Abwarten, ob äich nicht genau das auch im bundesdeutschen Wahlkampf am Beispiel Franz Josef Strauß erweisen wird!)

Jedenfalls: Ein christlicher Mann, der die Bezeichnung auch verdient, bleibt in der Politik gefragt. Was oft genug zum Ärgernis wird, ist ja nicht das Christlichsein, sondern das Christlichtun und dabei Egoistsein!

So viel zu Alois Mock. So viel aber auch zu Rudolf Kirchschläger, der mit gleichem Maß zu messen ist. Niemand wird sagen können, daß nicht auch er in Gesinnung und Verhalten an der Spitze der Republik Österreich das unprätentiöse Zeugnis eines bekennenden Christen geliefert habe.

Schon seit geraumer Zeit war im nichtsozialistischen Lager davon die Rede, ihm für eine zweite Amtsperiode durch Nichtnominierung eines Gegenkandidaten die Zustimmung zu erteilen. Nun hat die SPÖ einen taktischen Zug gesetzt und ihn, fast ein Jahr vor der Neuwahl, wieder zu ihrem Kandidaten gemacht. Jetzt mußte die ÖVP nicht mehr nur dem amtierenden Staatsoberhaupt, sondern dem Parteikandidaten der SPÖ ihr Jawort antragen.

Daß sie es dennoch getan hat, war richtig überlegt und rasch gehandelt. Denkbar wäre freilich auch ein taktisches Zuwarten gewesen. Denn die SPÖ wird nun alles tun, um Präsident Kirchschläger rote Nelken anzuheften und ihn als sozialistischen Kandidaten zu feiern, um damit die ÖVP herauszufordern und möglichst auch zu demütigen. Vielleicht hätte man mit einer späteren Zustimmung dem Präsidenten insgeheim geholfen, seine Vereinnahmung durch die SPÖ zu bremsen. Diese Einbremsung ist nunmehr, nach erfolgter Entscheidung, von dem über den Parteien stehenden Staatsmann Kirchschläger selbst zu erwarten.

Ob die Wiederbestellung trotz Fehlens eines namhaften Gegenkandidaten durch Volkswahl erfolgen soll, ist nicht nur eine Stilfrage. Schließlich muß man ja auch Bewerbern kleinerer Gruppen eine faire Chance geben. Kirchschlägers „Wahlkampf' wäre durchaus auch als demonstrative Sympathiereise durch das ganze Land denkbar.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung