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Die „schwarze Internationale” organisiert sich

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Vor einigen Tagen fand in Brüssel der Gründungskongreß der EUCDA, der „Europäischen Union christlich-demokratischer Arbeitnehmer” statt. Zum Präsidenten dieser neuen europäischen Dachorganisation wurde der durch seine Arbeit in den Sozialausschüssen bekannte CDU-Politiker Hans Katzer gewählt, Vizepräsident und Vorsitzender der politischen Kommission wurde der Bundes obmann des ÖAAB, Dr. Alois Mock, der damit einmal mehr sein Interesse an der Außenpolitik, wenn nicht den diesbezüglichen Führungsanspruch innerhalb der Volkspartei anmeldet. Die Arbeitnehmer-Union hat sich dem Ziel der politischen Einigung Europas verschrieben und will auf internationaler Ebene das Gespräch zwischen Parteien und Gewerkschaften anregen.

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Vor einigen Tagen fand in Brüssel der Gründungskongreß der EUCDA, der „Europäischen Union christlich-demokratischer Arbeitnehmer” statt. Zum Präsidenten dieser neuen europäischen Dachorganisation wurde der durch seine Arbeit in den Sozialausschüssen bekannte CDU-Politiker Hans Katzer gewählt, Vizepräsident und Vorsitzender der politischen Kommission wurde der Bundes obmann des ÖAAB, Dr. Alois Mock, der damit einmal mehr sein Interesse an der Außenpolitik, wenn nicht den diesbezüglichen Führungsanspruch innerhalb der Volkspartei anmeldet. Die Arbeitnehmer-Union hat sich dem Ziel der politischen Einigung Europas verschrieben und will auf internationaler Ebene das Gespräch zwischen Parteien und Gewerkschaften anregen.

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FURCHE: Ist die internationale Zusammenarbeit der Christdemokraten bereits soweit organisiert, daß man von einer christlich-demokratischen Internationale sprechen kann?

MOCK: In der CD-Intemationale gibt es sowohl eine weltweite als auch eine europäische Ebene. Die weltweite Ebene umfaßt zusätzlich zu den europäischen Parteien vor allem mittel- und südamerikanische Parteien, die zeitweise sogar dominiert haben; Mitglieder in formaler Hinsicht sind aber auch eine Reihe afrikanischer Parteien, die aber großteils verboten sind und unter schwierigen Bedingungen im Untergrund arbeiten. In Europa umfaßt die CD-Internationale alle Länder, in denen es christlich-demokratisch motivierte Parteien gibt.

FURCHE: Gibt es denn nicht in allen Ländern Europas Christdemokraten?

MOCK: Nicht in allen Ländern, aber in einer zunehmenden Anzahl von Ländern. Christlich-demokratische Gruppierungen nehmen jetzt aucn in Dänemark und Norwegen an Gewicht zu. Aber am stärksten sind christlichdemokratische Parteien traditionell in Zentral- und Südeuropa.

FURCHE: Welche Möglichkeiten hat die CD-Intemationale, sich durchzusetzen, ihre Ziele zu verwirklichen? Besitzt die CD-Intemationale so etwas wie ein Grundsatzprogramm?

MOCK: Sie ist natürlich keine Partei, sondern eine Aktionsgemeinschaft mit gemeinsamen weltanschaulichen Positionen, was auch programmatisch zum Ausdruck kommt. Die CD-Inter- nationale übt natürlich über die Mitgliedsorganisationen einen starken Einfluß auf die politische Lage in den einzelnen Ländern aus. Darüber hinaus aber führen wir auch Beratungen über gemeinsame politische Anliegen: Etwa über die Entwicklungen in Portugal und Spanien.

FURCHE: Welche Aufgabe hat die „Europäische Union christlich-demo- kratischer Arbeitnehmer”, deren Gründungskongreß kürzlich in Brüssel stattfand?

MOCK: Die Arbeitnehmer-Union versteht sich politisch als Teilorganisation der CD-Intemationale. Ihr zentrales Ziel ist die Mitsprache und Mitverantwortung der Arbeitnehmer auch auf internationaler Ebene, vor allem im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik, auch in der Büdungspo- litik. Da sich die Parteien, die in der CD-Internationale zusammenge schlossen sind, als Volksparteien verstehen, muß sich die Problemlösungskapazität dieser CD-Intemationale, ihre innere Struktur, auch dem allgemeinen europäischen Strukturwandel in Richtung einer industriellen Arbeitnehmergesellschaft anpassen.

FURCHE: Fast bei allen christlichdemokratischen Parteien ist ein gewisses Defizit auf dem Gebiet der Arbeitnehmerpolitik festzustellen, was seine historischen Ursachen haben wird. 1st die Gründung einer eigenen Arbeit- nehmer-Union innerhalb der CD-ln- temationale nicht Ausdruck dieser Schwachstelle, die man nun erkannt hat und beseitigen will?

MOCK: Die Gründung der Arbeitnehmer-Union ist Ausdruck dessen, daß die Programme aller christlichdemokratischen Parteien immer wieder eine starke Präsenz der Arbeitnehmer verlangt haben, daß diese Parteien aber diesen programmatischen Auftrag gelegentlich zuwenig berücksichtigt haben. Innerhalb der österreichischen Volkspartei sind die Arbeitnehmer sicher stärker vertreten als in manchen anderen Ländern. Es gibt aber auch Länder, in denen die Arbeitnehmer noch stärker vertreten sind als bei uns, etwa in der belgischen Schwesterpartei unter Leo Tinde- mans.

FURCHE: Gibt es auf internationaler Ebene auch Bereiche der Zusammenarbeit oder des gemeinsamen Interesses zwischen den internationalen Partei-Verbänden?

MOCK: Es gab im vorigen Jahr Kontakte zwischen der Sozialistischen Internationale, den Liberalen und unserer CD-Internationale. Etwa im Sinne einer Allianz aller Demokraten. Ich glaube aber, Hauptaufgabe der CD-In- ternationale ist es, durch eigene Beiträge die Möglichkeiten einer internationalen friedlichen Entwicklung und des sozialen Ausgleichs auszubauen sowie eine stark einzelmenschbezogene Politik mit einer starken solidarischen Komponente - auch international - anzubieten.

FURCHE: Wie beurteilen Sie den Eurokommunismus? Sind die eurokommunistischen Parteien kommunistische oder sozialistische Parteien?

MOCK: Zuerst möchte ich feststellen, daß die Eurokommunisten keine einzige Position des klassischen Marxismus offiziell vertreten. Weder den Materialismus hoch die Diktatur des Proletariats noch den demokratischen

Internationalismus noch andere allgemeine Gesetze des Marxismus-Leninismus. Der Ansatzpunkt der Eurokommunisten ist natürlich ein taktischer: Angesichts der Praxis in jenen Ländern, wo die Kommunisten die Mehrheit haben, haben sie keine Chance, mit einem doktrinären Marxismus auf demokratischem Wege die Mehrheit zu bekommen. So versuchen sie es halt mit verbalen Bekenntnissen zur Demokratie, was nicht ungefährlich ist.

FURCHE: Glauben Sie, daß sich die eurokommunistischen Parteien nach einiger Zeit der Bewährung zu den etablierten demokratischen Parteien zählen können?

MOCK: Es gibt genug Illusionisten, die auf so etwas hereinfallen! Eine solche These kann erst nach praktischen Experimenten beurteilt werden. Nur würde ich einem Experiment im Westen nie zustimmen, weil im Westen gibt’s eine Freiheit zu verlieren; man müßte das Experiment im Osten wagen, weil dort kann man nur Freiheit gewinnen! Ich möchte allerdings die Frage offenlassen, ob bei den Eurokommunisten einmal ein innerer ideologischer Erosionsprozeß einšetzt, der in Richtung Sozialdemokratie führt.

FURCHE: Sehen Sie nicht eine Gefahr, daß die Illusionisten unter den Sozialisten besonders anfällig dafür sind, den Eurokommunisten auf den Leim zu gehen und sie dann salonfähig zu machen, wenn es um ihre eigene Absicherung geht? Sie einzuladen, sozusagen „ein Stück des Weges” mit den Sozialisten zu gehen?

MOCK: Eine Belastungsprobe für die sozialistischen Parteien des Westens zeichnet sich insoferne ab, als im Zuge des Eurokommunismus eine Grauzone zwischen Eurokommunisten und Sozialisten entsteht, eine Grauzone, die auch immer wieder Anlaß für verschiedene Koalitionen ist: Siehe Marchais-Mitterand, siehe auch Olof Palme, dessen letzte Regierung ihre Existenz der kommunistischen Unterstützung verdanken mußte. Das französische Beispiel ist für mich sogar ein gefährliches Präjudiz. Man muß aber auch ein echtes Gėsprach mit den engagierten Demokraten unter den Sozialisten suchen, die in ihren Parteien gegen den Kommunismus kämpfen.

Das Gespräch mit Dr. Alois Mock führte Alfred Grinschgl.

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