Krone, Reichsmark, Schilling, Euro

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Wie es einst war, als der Schilling die Reichsmark ablöste oder noch früher, als aus 10.000 Kronen ein "Alpendollar" wurde

Mit einer logistischen Glanzleistung haben zwölf der 15 EU-Mitgliedsstaaten den Euro zwischen Wien und Lissabon, zwischen Helsinki, Athen und Dublin zum gemeinsamen Geldstück gemacht. Wie war es einst, als der Schilling wieder die Reichsmark ablöste. Oder noch früher, als aus 10.000 Kronen ein Alpendollar wurde?

Abschied vom Schilling - 1925 war es der Abschied von der (Papier-) Krone, die nichts mehr wert war und von der noch 10.000 für einen neuen Schilling gezahlt werden mussten, Die Völkerbundanleihe hatte es möglich gemacht, die Inflation zu stoppen. Am 20. Dezember 1924 begann der Umtausch, der theoretisch bis 1937 möglich war. Am 1. Jänner 1925 sollte der Schilling gültig werden, Dann dauerte es doch bis zum 1. März. Aber die ersten Briefmarken in Schillingwährung erschienen erst ab 1. April. Bis dahin musste man noch mit den alten Tausenderwerten frankieren.

Damals, 1925, bedeutete der Übergang zum Schilling den Schlussstrich unter alles Geldvermögen von früher - doch gab er auch die Hoffnung, dass es endlich besser würde. Aber es dauerte Jahre, bis sich die Menschen umgewöhnt hatten.

Die erste Münze, die im Bewusstsein des Kindes hängen blieb, war die kleine Kupfermünze zu einem Groschen mit dem Adlerkopf - größer als das heutige 1-Cent-Stück -, gefolgt von dem etwas größeren Zweigroschen-Stück mit dem Krukenkreuz, das erst viel später zum Logo des Ständestaates werden sollte. Der elegante Nickel-Zehner trug einen Frauenkopf - für ihn bekam man aus dem Automaten am Bahnhof des Ferienortes einen "Bensdorp" (Schokoladeriegel) oder fünf "Stollwerck" (Rahmkaramellen), was die kindliche Begehrlichkeit an Süßigkeiten vollends befriedigte (aber auch gar nicht so oft gegeben war). Die "Silberlinge" zu einem halben und einem ganzen Schilling - dieser mit dem Parlament auf der Kehrseite - lagen schon außerhalb der Begriffswelt der Sechs- und Siebenjährigen.

Selbst die Erwachsenen taten sich mitunter schwer, sich umzustellen. Als im Sommer 1927 eine Frau aus dem Dorf eine Milchkanne voll mit Walderdbeeren anbot und die Mutter nach dem Preis fragte, meinte sie: "3.000" - Kronen. Diese waren zwar schon seit zweieinhalb Jahren verschwunden, im Gefühl der Frau wirkten sie weiter. 3.000 Kronen waren 30 Groschen, Gegenwert für drei Schokoriegel aus dem Automaten - für stundenlanges Beerenbrocken im Wald. Und der Wirt im Sommer drauf, auf die Frage, was es Neues gäbe, berichtete stolz: "Mir ham an neuchen Sonnenschirm - der hat a Million kost'!" Eine Million Kronen - 100 Schilling: viel Geld bei einem Vollpensionspreis von vier Schilling.

Übrigens brauchten die Deutschen noch viel länger, um sich an ihre Mark zu gewöhnen. 1875 hatte diese die Vielfalt an Währungen im eben erst geschaffenen Reichsgebiet abgelöst, den Thaler zu 30 Silbergroschen mit je 12 Pfennigen im Norden, den Gulden zu 60 Kreuzern im Süden. Die Hansestädte und die kleinen Fürstentümer im Norden hatten noch kompliziertere Systeme. Ab 1875 waren dann drei Mark soviel wie ein Thaler oder 1,45 Gulden. Als nach dem verlorenen Krieg 1923 die Mark ins Bodenlose fiel, musste schließlich eine Billion Papiermark für eine neue Rentenmark, ab Herbst 1924 Reichsmark hingelegt werden.

Aber noch in den Dreißigerjahren war es in Berlin selbstverständlich, mit "Sechser" und "Groschen" zu rechnen. Wenn der Onkel zu Weihnachten einen "Thaler" spendierte, steckte er dem Neffen ein Dreimarkstück zu (das dann bald vom nur ebenso dicken Fünfmarkstück, abgelöst wurde). Der Thaler hatte einst 30 Groschen gewertet, dann war er gegen drei Mark umgewechselt worden, also war das Zehnpfennigstück, ein Dreißigstel des Thalers, der "Groschen", und dessen Hälfte der "Sechser" - weil eben einst zwölf Pfennige einen Silbergroschen ergeben hatten, "For'n Sechser" bekam man damals beim Bäcker ums Eck eine Streußelschnecke.

Mit und ohne Hakenkreuz

Als dann 1938 in Österreich der Schilling der Reichsmark weichen musste, trug der erste Abschied vom "Alpendollar" sehr dazu bei, die anfängliche Begeisterung für die "Befreiung" - soweit vorhanden - zu dämpfen. Denn 1,50 Schilling mussten für eine Reichsmark berechnet werden, der echte Kurs wäre etwa 1,20:1 gewesen. Nach der nächsten Befreiung, 1945, stand es wieder 1:1.

Noch bis Ende der Vierzigerjahre galten in Österreich die reichsdeutschen Kleinmünzen - mit dem Hakenkreuz - weiter. Im vierfach besetzten Restdeutschland waren sie bald nachgeprägt worden - nun ohne Hakenkreuz. Mit der deutschen Währungsreform von 1948 galten sie dann nur mehr ein Zehntel - die Zehner einen Pfennig. Das waren aber in Österreich drei Groschen - auch wenn eigentlich hier die Münzen ohne Hakenkreuz ungültig gewesen wären, hätte man sie näher angeschaut. So wurde es lukrativ, hatte man die Gelegenheit, in deutschen Banken einen Sack mit Pfennigstücken zu erstehen, um dann in Österreich im "Häusel" um ein Drittel des Wertes telephonieren zu können.

1923 wie 1945 galt es, wertloses Papier, dem keine Gegenleistung gegenüberstand, aus dem Verkehr zu ziehen. Das konnte nur wirksam werden, wenn die Reform überfallsartig erfolgte. Als im Herbst 1947 in Österreich der 1945 wiedereingeführte Schilling 3:1 abgewertet wurde, wurde die Transaktion zu früh angekündigt. Die Besatzungsmächte konnten ihre Bestände noch viel länger günstig unterbringen. Der Effekt verpuffte.

Als ein halbes Jahr später in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands die Reichsmark abgelöst werden sollte, wurde zwar Wochen vorher gemunkelt. Schließlich aber stand es am Samstag in den Zeitungen, am Sonntag begann der Umtausch - zehn Reichsmark für eine Deutsche Mark, 30 D-Mark pro Kopf. Das musste zehn Tage reichen. Erst ab 1. Juli gab es normale Auszahlungen. Alles andere alte Geld wurde erst später schrittweise aus Sperrkonten freigegeben. Zehn Tage lang konnte man seine Briefe noch mit den alten Marken zum zehnfachen Nennwert freimachen. 53 Jahre später geht nun die D-Mark als europäische Leitwährung, die selbst im Kosovo und in Montenegro im Umlauf ist, im Euro auf.

Eine Briefmarke zu 600.000 Lire, bitte!

Wenn heute Türkeiurlauber ihre Grußkarten nachhause mit 600.000 Lire bekleben müssen, denken sie kaum daran, dass einst das türkische Pfund - die Lira - 100 Kurus, Piaster, wertete, und der Piaster so viel wert war wie eine österreichische Krone. Wann wird hier der Schnitt erfolgen, der die Nullen streicht?

In Sowjetrussland musste 1923 schließlich eine Million alte Rubel für einen neuen Goldrubel herhalten. In Ungarn, das schon 1923 eine kräftige Abwertung der Krone beim Übergang zum Pengö aushalten musste, galten nach Kriegsende 1945 schließlich unvorstellbare zwei Trilliarden Pengö für einen Adöpengö (Steuerpengö), der aber auch noch in Tausenden und Millionen gerechnet wurde, bevor endlich 1946 der Forint dem Zahlenwirrwarr einen Schlussstrich setzte.

In Italien diskutierte man schon vor mehr als 30 Jahren, ob nicht der alte Scudo die Nullen auf den Lire-Scheinen verdrängen sollte, konnte sich dann aber nicht entschließen. Frankreich setzte 1961 einen "nouveau franc" an die Stelle von 100 alten Francs - aber mitunter rechnen alte Franzosen noch heute in Tausendern, wenn sie Zehner meinen. England ging 1971 auf das Dezimalsystem über und teilte sein Pfund in 100 Pence statt 20 Shilling zu je zwölf Pence. Nun aber bleibt es außerhalb der Euro-Gemeinschaft - und die Queen wäre "not amused", wenn die europäische Währung in ihren Shops entgegengenommen würde.

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