Der Reiz der bunten Papierchen

19451960198020002020

Briefmarkensammler aus aller Welt zeigen ihre Schätze bei der WIPA, der fünften und größten philatelistischen Weltausstellung in Wien seit 1881.

19451960198020002020

Briefmarkensammler aus aller Welt zeigen ihre Schätze bei der WIPA, der fünften und größten philatelistischen Weltausstellung in Wien seit 1881.

Werbung
Werbung
Werbung

Als der junge Kaiser Franz Joseph am 25. September 1849 das Dekret zur Einführung der Briefmarken im Kaiserstaat unterzeichnete und als diese am 1. Juni 1850 - vor 150 Jahren - erstmals am Schalter abgegeben wurden, da gab es die "Blaue Mauritius" schon seit zwei Jahren - wenn sie auch noch lange nicht jenen Nimbus erreicht hatte, der sie heute umgibt.

Ob die Legende um ihre Entstehung in allen Details historisch ist, ist umstritten: Die attraktive Gattin des Gouverneurs der Insel wollte es ihrer Souveränin gleichtun. In England waren schon 1840 erstmals kleine Klebezettel eingeführt worden, die die Abfertigung der Briefe erleichtern sollten. Sie trugen den Kopf der Königin Viktoria. So sollten auch die Marken von Mauritius aussehen, mit denen die Gouverneursgattin die Einladungen zu einem Empfang schmücken wollte.

Nur soll sich der Drucker bei der Inschrift geirrt haben, er setzte "Post Office" statt "Post Paid" an den Rand und schuf damit jene Marke(n), die heute noch den Ruf der bekanntesten Seltenheiten im Bereich der Philatelie tragen, obwohl es andere gibt, von denen nur ein einziges Stück erhalten blieb. Von der blauen Zwei-Pence-Marke gibt es immerhin sechs ungestempelte und sechs gestempelte Exemplare, von der gleichzeitig erschienenen roten Ein-Penny-Marke, der "Roten Mauritius", zwei ungebrauchte und elf gebrauchte. Der einzige existierende Brief, der beide "Mauritius" trägt, ist nun auf der WIPA im Wiener Kongresszentrum zu sehen, aber auch die gelbe Drei-Skilling-Marke aus Schweden, ein Farbfehldruck, den es nur ein einziges Mal gibt.

Die Wiener Internationale Postwertzeichen-Ausstellung (WIPA) - die fünfte und größte philatelistische Weltausstellung in Wien seit 1881 - ist dem 150. Geburtstag der Briefmarke in Österreich gewidmet. Dem britischen Beispiel der "Black Penny" von 1840 waren seit 1843 die Schweizer Kantone Zürich, Genf und Basel gefolgt, dann 1849 Frankreich und Belgien. Etliche Überseestaaten, so Brasilien mit seinen "Ochsenaugen" und einzelne Städte in den USA, lagen dazwischen. Im Deutschen Bund - dem auch Österreich angehörte - war Bayern am 1.November 1849 mit dem "Schwarzen Einser" voraus. Und seither gibt es keine Staatengründung, ja kaum ein politisches Ereignis, das sich nicht durch Briefmarken dokumentieren ließe (und so manches lässt sich nun an Hand der Exponate auf der WIPA nachverfolgen).

Schon Österreichs erste Ausgabe mit dem Doppeladler im Staatswappen führte neben den allgemein zwischen Czernowitz und Trient gültigen Kreuzer-Werten solche mit Wertangaben in Centesimi für die Lombardei und Venetien. Sie waren nötig, um das Währungsgefälle zwischen der Silberwährung hier und der Papierwährung im übrigen Reichsgebiet auszugleichen. Sie gelten für die italienischen Sammler als die ersten in Italien erschienenen Marken, da Sardinien erst ein halbes Jahr nach den österreichischen auf den Plan tritt.

"Vater der Briefmarke" Seit 1858 wird der Gulden in 100 statt 60 Kreuzer geteilt, 1900 folgt die Krone, die in der Inflation ins Bodenlose abstürzt - 10.000 Kronen als Höchstwert -, der Schilling wird zum Alpendollar, muss der Reichsmark weichen, kommt wieder - und wird nun im nächsten Jahr vom Euro abgelöst. Alles das ist lückenlos auf den Briefmarken des Kaiserreichs, der Ersten wie der Zweiten Republik nachzuvollziehen.

Als "Vater der Briefmarke" gilt der britische Postreformator Sir Rowland Hill - aber die erste Anregung zu ihrer Einführung gab schon Jahre vorher ein k. k. Postbeamter, Laurenz Koschier in Laibach, verewigt auf österreichischen wie jugoslawischen Gedenkmarken. Nur erlitt er das österreichische Schicksal, dass seine Idee "hieramts" ungehört verhallte.

Schon bald erkannten auch die Sammler den Reiz der bunten Papierchen, die noch recht selten erneuert wurden. Zunächst klebte man sie mit Klebstoff auf Bögen, Masse zählte, nicht Qualität. Aber schon bald fanden sich Männer - noch kaum Frauen -, die das Spezielle suchten und deren Hinterlassenschaften heute noch als unerreichbare Spitzen durch die Auktionen geistern.

Zunächst wurde alles gesammelt, von Afghanistan bis Zululand. Als das Angebot der Postverwaltungen zu umfangreich wurde, wandten sich die Sammler bestimmten Themen und Motiven zu - von Blumen und Tieren über Eisenbahnen und Heilige bis zu Gemälden und Feuerwehren und nicht zuletzt der engsten Heimatgeschichte. Und heute ist die Postgeschichte in - in der Analyse von Posttarifen aus den Frankaturen der Frühzeit, als die Briefe noch nach Entfernung taxiert wurden, oder in der Dokumentierung politischer Entwicklungen eines Gebietes an Hand der jeweiligen Briefmarken und Stempel.

So werden auch Besucher der WIPA in 2.500 Rahmen von allem zu sehen bekommen, was heute auf dem weiten Gebiet der Philatelie geboten wird - im Ehrenhof die vielfach prämierten Spitzensammlungen der "Großen", in den verschiedenen Wettbewerbsklassen die Exponate der traditionellen Philatelie wie der Postgeschichte, mit Ganzsachen-, Flugpost- und Motivsammlungen und in einer eigenen Jugendklasse das, was der hoffnungsvolle Nachwuchs bereits zu zeigen hat. Jedes einzelne Objekt muss sich bereits in mehreren kleineren Ausstellungen bewährt haben.

Bis 4. Juni 2000

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung