Abgesandte eines modernen Landes

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Die österreichische Post bringt neue Dauermarken heraus. Auf ihnen abgebildet sind Häuser, die für zeitgenössische Kunst oder ihre moderne Architektur internationales Ansehen errungen haben. Die Marken-Botschaft: Österreich ist eine fortschrittliche Kulturnation.

Briefmarken waren einst Abgesandte im doppelten Wortsinn. Auf Briefe, Postkarten oder Pakete geklebt, wurden sie in die ganze Welt abgeschickt und fungierten dort als Botschafter ihres Landes. Die Queen auf den britischen Briefmarken, das Nationalsymbol Marianne auf den französischen Marken oder die romantisch-heimatlichen Motive österreichischer Marken - darin spiegelt sich das Selbstverständnis eines Landes. Auch wenn die heimische Post heute ein Privatunternehmen ist, hat sich an der repräsentativen Funktion der Briefmarken nichts geändert. Insofern ist es eine bemerkenswerte Sache, wenn die Post im Zuge einer Tarifreform eine neue Serie von Dauermarken herausbringt, die ein anderes Österreichbild transportiert, als man es bisher gewohnt war.

Neues Österreichbild

Die neuen Sujets, die seit dieser Woche erhältlich sind, zeigen Häuser für zeitgenössische Kunst, die durch ihre Architektur und ihre programmatische Ausrichtung internationales Ansehen errungen haben. Zu sehen sind das Kunsthaus Bregenz, das Forum Stadtpark und das Kunsthaus in Graz, das Essl-Museum in Klosterneuburg, die Kunsthalle Krems, das Ars Electronica Center und das Lentos Kunstmuseum in Linz, das Museum der Moderne in Salzburg sowie der Project Space der Kunsthalle und das Museum Moderner Kunst (MUMOK) in Wien. Die beiden Marken mit den höchsten Werten zeigen Gebäude, die für zeitgenössische österreichische Kunst in den USA stehen: das von Rudolf Schindler geplante MAK Center for Art and Architecture in Los Angeles und das von Raimund Abraham entworfene Austrian Cultural Forum in New York. Mangels geeigneter Bauwerke sind Tirol, Kärnten und das Burgenland nicht vertreten. Entworfen wurden die Marken von dem Künstler Rainer Prohaska, der die Gebäude stark reduziert mit präzisen, feinen Strichen in charakteristischen Ansichten abgebildet hat.

Diese Dauermarken, die von nun an über Jahre erhältlich sein werden, verkünden die Botschaft: Österreich ist ein modernes Land, in dem zeitgenössische Kunst und Architektur einen hohen Stellenwert einnehmen. Ob das zutrifft, sei dahingestellt - frühere Dauermarkenserien jedenfalls propagierten ein ganz anderes Bild. Typische Sujets seit 1945 waren Volkstrachten, schöne Landschaften, traditionelle Bauernhöfe, Kirchen, Klöster und andere historische Bauten, zuletzt waren es heimische Blumen. Doch einen radikalen Bruch stellen die neuen Motive nicht dar: Immerhin fanden sich in der Serie "Bauwerke und Baudenkmäler“ (ab 1957) der Karl-Marx-Hof und der Rabenhof, zwei Klassiker moderner Architektur aus der Zwischenkriegszeit, sowie der Tower des Flughafens Wien-Schwechat.

An die massenhafte Verbreitung früherer Serien wird die neue Dauermarkenserie allerdings nicht herankommen. Denn Briefmarken sind ein allmählich verblassendes Kulturgut. Noch vor zehn Jahren schwankte die Auflage einer Sondermarke zwischen zwei und vier Millionen Stück. Heute beträgt die Auflage nur mehr ein Zehntel dieser Menge. Unternehmen haben sich zunehmend Freistempelanlagen zugelegt, und wenn man als gewöhnlicher Kunde einen Brief im Postamt aufgibt und nicht ausdrücklich eine Briefmarke verlangt, bekommt man ein frisch ausgedrucktes Zettelchen ("Label“) aufs Kuvert geklebt. Auch das Sammeln hat an Attraktivität eingebüßt. Früher brachten die kleinen gezackten Vierecke die große Welt in die heimische Stube. Briefmarken aus China oder Afrika waren damals exotische Fundstücke aus fernen Landen, doch heute ist der Schriftzug "Made in China“ allgegenwärtig, Menschen aus Afrika gehören zum alltäglichen Stadtbild.

Ausschließlich als Selbstkleber

Trotzdem sind die Briefmarkensammler noch lange nicht ausgestorben - und die Post nimmt freundlicherweise Rücksicht auf das empfindsame Völkchen. Nur noch ein Drittel der ausgegebenen Briefmarken ist gummiert, die anderen zwei Drittel sind Selbstkleber, müssen also nicht mehr an der Rückseite befeuchtet werden. Die Marken der neuen Serie, auch das ist ein Novum, werden ausschließlich als Selbstkleber erhältlich sein. Für Philatelisten jedoch sollte dies kein Problem darstellen: Der Klebstoff sei wasserlöslich und lasse sich leicht mit speziellen Stiften lösen, heißt es seitens der Post.

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