6660909-1960_06_02.jpg
Digital In Arbeit

WACHABLOSE

Werbung
Werbung
Werbung

.Kein, Zweifel: Es heißt Abschied nehmen. Die netten Trachtenmädchen unserer allgemeinen Briefmarkenserie werden eins nach dem anderen durch Werte einer neuen Serie abgelöst. Lebt wohl, lebt wohl auf Nimmerwiedersehen! Die Gelegenheit ist also günstig, einmal auch einen allgemeinen Satz österreichischer Postwertzeichen herauszugeben, die hohen künstlerischen Geschmack mit den Gesetzen moderner Graphik wohl zu verbinden wissen.

Daneben, daneben, daneben!

Zunächst einmal der Einfall beziehungsweise die Einfallslosigkeit: Seit Bestehen der Republik wechseln sich regelmäßig Landschafts- beziehungsweise Bauwerk- und Trachtenserien ab. Nun sind also wieder einmal Bauwerke fällig. Gesagt, getan. Und so geschah es auch. Zuerst war die braune Einschillingmarke Mariazell. Man hielt sie für eine etwas verunglückte Sondermarke anläßlich des Jubiläumsjahres. Doch sie blieb als Vorbotin des neuen Satzes und bekam bald Gesellschaft. Streng nach dem Gesetz des Proporzes folgte dem „schwarzen“ Motiv ein „rotes“. Und zwar ein knallrotes. Die besonders scheußliche 1.50-Schilling-Marke, Motiv: Rabenhof. (Wahrhaftig ein säkulares Bauwerk, geeignet, den Ruf unserer Architekten in alle Welt zu tragen!) Nun war wieder „Schwarz“ am Zug, mit dem Motiv der Kirche von „Christ-kindl“ auf den Marken zu 2.40 Schilling. Es folgte — wie könnte es anders sein — der Karl-Marx-Hof zu 50 Groschen, pikanterweise unter der Devise „Heiligenstadt“ (Heiligenstädter Hof hieß der Karl-Marx-Hof in der „austro-faschistischen Ära). Stadttore, Türme usw. aus verschiedenen Bundesländern schließen nun, wie dieser Tage bekannt wurde, in bunter Folge an.

Ist schon der Grundgedanke nicht gerade der Gipfel der Originalität, so ist die künstlerische Ausführung, gelinde gesagt, eine mittlere Katastrophe. Die unschönen Farben kommen hinzu. Die neue Serie stellt mit ihren Spruchbandschnörkeln und dem Kästchen für den Nennwert wohl das Biederste und Konventionellste dar, das die österreichische Post seit langem dem' Briefempfänger im In- und Ausland zu bieten hat. (Die österreichischen Briefmarken vor 1938 wirken, daneben gelegt, wie ein Werk von Avantgardisten.)

Der Kunstsenat beim Unterrichtsministerium hat erst vor kurzem unsere Briefmarken kritisch unter die Lupe genommen. Dabei zeigt die Post in einzelnen Sondermarken wirklich originelle und künstlerisch erstklassige Werte, zum Beispiel Philharmonikermarke und Tierserie. Warum dieser Abfall bei der allgemeinen Serie? Wir können nur hoffen, daß die eben ausgegebene Serie bald von einer weiteren abgelöst wird, die in Motivwahl und Darstellungen auf der Höhe der Zeit ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung