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Der neue Zumstein

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EUROPA. Briefmarkenkatalog Zumstein. 4 5. Auflage. Zumstein & Cic., Bern, 1962. XVI + 1560 Seiten. Preis 20 sfr.

Von Zeit zu Zeit ziemt es sich, dem altbewährten schweizerischen Katalog der europäischen Briefmarken nicht nur die ihm stets sichere Aufmerksamkeit, sondern auch eine eingehendere Besprechung zu widmen. Gleich dem Schillerschen Mädchen aus der Fremde erscheint dieser willkommene Bote aus Bern mit jedem neuen Jahr, pünktlich und zuverlässig. Er hat die Kontinuität gewahrt, als sein deutscher Rivale, der sogenannte Michel, mehrere Jahre pausieren mußte. Damals, in der letzten Kriegszeit und in den ersten Nachkriegsjahren, war der Zumstein für die mitteleuropäischen Briefmarkensammler das einzige Hilfswerk, aus dem sie sich über die Neuemissionen und über die Preisbewegung auf dem Markt der Philatelie unterrichten konnten. In jener Epoche wirtschaftlicher Unsicherheit war die Briefmarke als wenig Raum einnehmender, leicht transportabler (und versteckbarer) Sachwert gar gesucht. Die Preise kletterten jäh empor und sie erreichten während der neuerlichen Inflation eine schwindelnde, mitunter auch eine schwindelnde Höhe. Der Zumstein blieb inmitten dieses Hexensabbats der Spekulanten kühl sachlich; er bremste so gut er konnte und gewährte unbestechliche Information. Als dann allmählich in Deutschland und in Österreich die wirtschaftlichen Verhältnisse sich stabilisierten, da behielt der Zumstein dort zwar nicht das während der kritischsten Periode besessene Monopol. Der Michel feierte eine fröhliche Auferstehung; doch das Ansehen des schweizerischen Katalogs blieb unvermindert. Die ernsten Sammler, die Händler, die in der Briefmarke eine feste Anlage Erblickenden und nicht zuletzt die wissenschaftlichen Forscher zogen ihn immer wieder zu Rate.

Das hat sich bis heute nicht geändert; mit vollem Recht. Erstaunlich gewandt Uberwindet der Zumstein alle Schwierigkeiten, die sich ihm bei seiner Aufgabe stellen, sämtliche in irgendeinem europäischen Land herauskommenden Briefmarken zu verzeichnen, sie abzubilden und ihre Preise gemäß der neuesten Marktlage zu notiererh- Welch eine Unsumme in geometrischer Proportion zunehmender Arbeit dabei zu bewältigen ist, das mag der bloße Hinweis darauf erhärten, daß der Katalog von 1941 — der erste bei Beginn des nicht mehr „absonderlichen“ Krieges veröffentlichte — 688 Druckseiten, sein jüngster Nachfolger (ohne Nachträge) 1535 Seiten Text umfaßt. Binnen zweier Dezennien hat sich also die Zahl der europäischen Briefmarken mehr als verdoppelt! Die Leistung des Zumstein besteht nun nicht etwa im bloßen mechanischen Verzeichnen der neuen Postwertzeichen. Er muß prüfen, ob es sich um eine wirklich von der höchsten staatlichen Autorität veranstaltete oder genehmigte Ausgabe handelt; es gilt, die Marken sorgsam zu beschreiben: ihr Bild, Frankaturwert, Papier, Zähnung, Gummi, Farbe, dann den derzeitigen Handelspreis.

Ein Kapitel für sich bilden die Preisansätze. Sie sind unseres Erachtens mustergültig in ihrem Vermeiden vorschneller Überhöhung und behutsamer Anpassung an den nur zu oft von plötzlichen Wellen der Hausse und der Baisse erschütterten.

dazu von der Mode beeinflußten internationalen Markt. Weit mehr als bei anderen Kapitalsanlagen ist ja beim Briefmarkenhandel Arbitrage möglich. Die wichtigsten Plätze — New York, London, Paris, Hamburg, Brüssel, Zürich — weisen erhebliche Verschiedenheiten in den Preisen auf. Die eigenen Spezialitäten werden bevorzugt. Man konnte zum Beispiel beobachten, wie in Deutschland der starke Rückgang, der Preise für Altdeutschland und deutsche Kolonien weit weniger spürbar wurde als auf den anderen internationalen Plätzen. Die Schweiz, und als ihr getreues Spiegelbild der Zumstein-Katalog,

bewähren sich auch in der Philatelie als Neutrale und dazu als ein Element der Ruhe und Besonnenheit.

Begreiflicherweise kann sich indessen auch der in Bern erarbeitete Katalog, gleich den großen schweizerischen Auktionshäusern, wie der Weltfirma Corin-phila, nicht den während längerer Frist andauernden Tendenzen entziehen. Dafür einige Beispiele.

Angesichts des gigantischen Anwachsens der Zahl der Briefmarken vermag niemand mehr, wie einst, ernsthaft eine allgemeine Sammlung zu betreiben. Die Philatelisten wählen sich also Sondergebiete, je nach ihrer Freizeit, ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrem persönlichen Geschmack. Dreht es sich dabei um die ursprüngliche reine Sammelfreude, dann trachtet man, Postwertzeichen nach den auf ihnen dargestellten Themen zu erwerben: Reproduktionen berühmter Gemälde, Bildnisse hervorragender Menschen, Darstellungen aus dem Gebiet der Technik, Tiere, Pflanzen, Bauten, religiöse Motive, Verkehrsmittel (Flugzeug, Auto, Eisenbahn, von Tieren gezogene Gefährte) oder man entscheidet sich für gewisse geschichtliche, geographische Themen. Am häufigsten aber grenzt man seine Kollektion räumlich ab. Man sammelt Briefmarken des eigenen Landes oder bestimmter Ländergruppen, etwa alte deutsche Staaten, Deutschland und die zeitweilig von diesem beherrschten Gebiete, oder die alte Habsburgermonarchie und deren Sukzessionsstaaten oder Frankreich samt dessen früheren Kolonien oder Großbritannien und dessen Dominions, Kolonien, eventuell mitsamt den heute selbständig gewordenen Staaten oder Altitalien und das geeinte Königreich der Savoyer, dazu die jetzige Republik, die italienischen Kolonien und Besatzungsgebiete.

Im Vordergrund des Interesses 6tehen derzeit die Zwergstaaten Liechtenstein, Monaco, San Marino und der Vatikan, ferner die skandinavischen Staaten, Alt-und Neuitalien, Griechenland, Großbritannien. Bevorzugt werden des weiteren Sonderausgaben, zumal wenn sie Ereignissen oder Jubiläen von allgemeiner Bedeutung gewidmet sind. So ist die Briefmarkenserie, die den ersten Olympischen Spielen Anno 1896 gewidmet war, seit 1948 um das Zwanzigfache gestiegen I

Ob der wirtschaftlichen Bedeutung der Postwertzeichen als Kapitalanlage und wegen ihrer Beliebtheit als Gegenstand reiner Sammelfreude bedarf der Philatelist eines sicheren Führers. Für den Europa-Sammler gibt es neben dem wiedererstandenen Michel keinen -besseren alt-' den Zumstein. Dieses gediegene schweizerische Handbuch sei deshalb nachdrücklichst gelobt und empfohlen.

Unlv.-Prof.

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