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Umdenken, bitte

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604.000 neue Wohnungen müßten bis 1985 in Österreich gebaut werden, um den quantitativen und qualitativen Wohnungs-Fehlbestand abzubauen. Dies ist das Ergebnis einer im Auftrag des Bautenministeriums von einer Arbeitsgemeinschaft unter Leitung von Gerhard Bruckmann gemachten Untersuchung über „Österreichs Wohnungsbedarf bis 1985“. Diese Untersuchung berücksichtigt sowohl die leicht schrumpfende Bevölkerungsentwicklung als auch das steigende Anspruchsniveau der Österreicher und ihr von immer höheren Einkommen stimuliertes Interesse an Zweitwohnungen.

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604.000 neue Wohnungen müßten bis 1985 in Österreich gebaut werden, um den quantitativen und qualitativen Wohnungs-Fehlbestand abzubauen. Dies ist das Ergebnis einer im Auftrag des Bautenministeriums von einer Arbeitsgemeinschaft unter Leitung von Gerhard Bruckmann gemachten Untersuchung über „Österreichs Wohnungsbedarf bis 1985“. Diese Untersuchung berücksichtigt sowohl die leicht schrumpfende Bevölkerungsentwicklung als auch das steigende Anspruchsniveau der Österreicher und ihr von immer höheren Einkommen stimuliertes Interesse an Zweitwohnungen.

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Nur in ganz wenigen österreichischen Bezirken wird der Wohnungsbedarf unter das aktuelle Angebot an Wohnungen sinken. So in den niederösterreichischen Bezirken Horn, Waidhofen/Thaya, in Mistelbach und Hollabrunn, im burgenlän-dischen Oberpullendorf und in den steirischen Bezirken Fürstenfeld, Radkersburg, Hieflau und Weyer. In allen anderen Bezirken aber wird die Nachfrage nach neuen und komfortableren Wohnungen steigen. So auch in der stark schrumpfenden Bundeshauptstadt Wien auf Grund des überalteten und deshalb qualitativ schlechten Wohnungsbestandes. Am stärksten aber im Westen Österreichs, in Salzburg, Tirol und Vorarlberg, wo der starke Trend zum modernen Einfamilien-Eigenheim (inklusive Fremdenzimmer für die private Vermietung) der Bauwirtschaft noch über Jahre hinaus Aufträge zuspielen wird.

Rund 45 Prozent des österreichischen Wohnungsbedarfes entfallen auf den Ersatz für funktions- und damit Verkaufs- und vermietungsfähig gewordene Wohnungen. Weitere 130.000 Wohnungen, also rund ein Viertel des Bedarfs bis 1985, müssen gebaut werden, um dem höheren Anspruchsniveau der österreichischen Wohnungsinteressenten zu entsprechen; 120.000 Wohnungen sollen den Bedarf der Österreicher an Zweitwohnungen decken. Der Rest, schließlich, entfällt auf den Bau von Wohneinheiten in Lehrlings- und Altersheimen und auf die sogenannte Fluktuationsreserve.

Wird auch die Zahl der fertiggestellten Wohnungen pro 1000 Einwohner als wichtiger Indikator für den Lebensstandard in den einzelnen Ländern angesehen — Österreich befindet sich mit einer Wohnbauleistung von 5,9 Wohnungen pro 1000 Einwohner am unteren Ende der verglichenen Länder (1973 wurden in der Schweiz 12,9 Wohnungen pro 1000 Einwohner errichtet) —, so ist doch heute unumstritten, daß die Verbesserung des alten Woh-

nungsbestandes ein wesentlicher Faktor der österreichischen Wohnpolitik zu sein hat. Dieser Gedanke bestimmt auch tatsächlich die Politik des Bautenministeriums, wenngleich damit die sozialpolitisch motivierten Vorstellungen der sozialistischen Mietervereinigung, deren Obmann der Bautenminister zugleich ist, konterkariert werden. Die Betonung des Erhaltungsgedankens in der Wohnbaupolitik muß in erster Linie jene Gruppe von Altwohnungsmietern treffen, die sich mit der ökonomisch so problematischen Friedenskronenzins-Regelung angefreundet haben. Auch dann, wenn sogenannte Paragraph-7-Reparatu-ren den Mietzins für Substandard-Wohnungen (ohne Toilette, meist auch ohne Wasser) stark in die Höhe getrieben haben. Seit sich auch die Gemeinde Wien veranlaßt sieht, Pa-ragraph-7-Verfahren für Gemeindewohnhäuser einzuleiten und zu realisieren, ist freilich auch unter Sozialisten ein wohnungspolitischer Gesinnungswandel festzustellen. Mehr und mehr bekennt man sich zur Auffassung, daß auch eine Wohnung ihren Preis haben muß. Wo dann dieser Preis zu unzumutbaren Belastungen (vor allem für Rentner und Pensionisten) führt, soll die Mietzinssubventionierung des Bundes und der Länder einsetzen.

Der im nächsten Jahrzehnt noch immer recht hohe Bedarf an neuem und komfortablerem Wohnraum stellt die Wohnbauförderung der öffentlichen Hand vor neue Aufgaben. Da die öffentlichen Wohnbauförde-rungsmittel wahrscheinlich auch in Zukunft überproportional steigen werden, wäre bei gleichbleibendem Verhältnis zwischen öffentlichen Darlehen und Kapitalmarktmitteln eine zusätzliche Kreditgewährung erforderlich, die auf die Bausparkassen nicht ohne Einfluß bleiben könnte. Eine Ausweitung der Bausparkassenkredite müßte man wahrscheinlich mit einem Abbau der bestehenden Beschränkungen in der Kreditgewährung der Bausparkassen

an die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften verbinden, eine Absicht, die derzeit mit großer Intensität von der Regierungspartei und von Bautenminister Moser verfolgt wird. Das Problem dabei besteht darin, daß der Bau von Eigentumswohnungen zugunsten von Genossenschaftswohnungen zurückgestellt werden könnte. Nun verbindet sich aber mit dem Gedanken des Wohnungseigentums noch immer die Idee der Freiheit von der Willkür politischer Organisationen, die nun einmal den gemeinnützigen Wohnbau dominieren. Und gar nicht immer im Interesse der Wohnraum-interessierten, deren Unwissenheit oft über Gebühr ausgenützt wird.

Deshalb müssen Änderungen der Zielsetzungen in der Wohnbauförderung in zwei Richtungen gehen: In eine Senkung der Finanzierungskosten für den Erwerb von Eigentumswohnungen und in die Richtung, den alten Wohnbestand zu sichern. Eine Änderung im Finanzierungsschlüssel auf 70 Prozent öffentliche Darlehen, 20 Prozent Kapitalmarktmittel und 10 Prozent Eigenmittel ist in den Ländern für die Jahre 1974 bis 1976 bereits gestattet. Zu überlegen wäre der Gedanke, in den nächsten Jahren ein Viertel bis zu einem Drittel der öffentlichen Mittel für Maßnahmen zur Senkung der Finanzierungskosten zu verwenden. Dadurch würden kurzfristig zwar weniger Wohnungen gefördert, doch gleichzeitig die Gefahr reduziert werden, daß die Nachfrage an den hohen Kosten scheitern und zugleich unverkäufliche Wohnungen produziert werden.

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