6737765-1966_28_14.jpg
Digital In Arbeit

Im Zeitalter des Städtebaues

Werbung
Werbung
Werbung

Seit mehr als 40 Jahren harrt das Wohnungsproblem in Österreich einer Lösung. Es ist inzwischen zu einem politischen und fachlichen Problem ersten Ranges geworden, und es ist höchste Zeit, daß es in den nächsten Jahren einer realistischen Lösung zugeführt wird. FoLgende Tatsachen verdienen festgehalten zu werden:

• Durch das Mieterschutzgesetz, das in der Ersten Republik erlassen wurde, ist der Althausbestand in Österreich weitgehend dem Verfall preisgegeben, da auf Grund der niedrigen Mieten nicht einmal die dringendsten Reparaturen durchgeführt werden können. Vom Standpunkt des Kapitalmarktes ist der Hausbesitz uninteressant geworden.

• In diesem Zeitraum hat sich der Österreicher daran gewöhnt, praktisch umsonst zu wohnen, während in allen Kulturstaaten des Westens rund ein Viertel des Einkommens für Wohnungsmiete oder Wohnungsbeschaffung ausgegeben wird.

• Mit der Schaffung des Wohnhaus-Wieder- aufbaufonds und der Bereitstellung anderer Fondsmittel nach dem zweiten Weltkrieg ist der erste Versuch unternommen worden, Wohnraum in Form von Eigentumswohnungen zu beschaffen, eine Maßnahme, die sich in Österreich äußerst segensreich ausgewirkt hat.

• Tatsache ist weiter, daß, vom städtebaulichen und architektonischen Standpunkt gesehen, die baukünstlerische Qualität des Wohnbaues in Österreich im Vergleich mit der Entwicklung in den übrigen Kulturländern weit zurückgeblieben ist. Sowohl größere Wohnbauanlagen, die von den verschiedenen Wohnbaugenossenschaften ausgeführt werden, als auch jene Sorte von Siedlungsbauten, die vielfach „in Pfusch“ mit Selbsthilfe erbaut werden, weisen eine Phantasielosigkeit und Monotonie auf, die die Städtebilder, insbesondere an den Stadträndern, ernsthaft gefährden.

Für eine Lösung des Wohnproblems sind einige Gesichtspunkte von besonderer Bedeutung:

Zweifellos ist es in unserer Zeit nicht mehr berechtigt, das Wohnproblem in Österreich vom rein kapitalistischen Standpunkt lösen zu wollen. Die Opposition weiter Kreise gegen ein arbeitsfreies Einkommen aus Hausbesitz, wie es vielfach in den kapitalistischen Ländern des Westens als selbstverständlich angesehen wird, ist in Österreich eine Tatsache, mit der gerechnet werden muß. Anderseits ist ein merkbarer Wille zur Seßhaftigkeit auf eigenem Grund und Boden vorhanden, wie zum Beispiel bei vielen minderbemittelten Siedlern, die sich nur mit Hilfe einiger Handwerker am Wochenende ein Eigenheim bauen.

Das Prinzip der Eigentumswohnung mit langfristigen Bauspar- oder öffentlichen Krediten könnte für die Zukunft des Wohnbaues in Österreich eine noch bedeutendere Rolle spielen. Zweckmäßig wäre zweifellos die Zusammenfassung der verschiedenen vorhandenen Fondsmittel und eine Vergrößerung derselben, um den Bau von Eigentumswohnungen zu noch günstigeren Bedingungen in die Wege leiten zu können.

Die in weiten Kreisen besorgniserregende Gefahr, daß auch das System der durch die öffentliche Hand kreditierten Eigentumswohnungen Möglichkeit zu Spekulationen bietet, könnte durch verschiedene gesetzliche Maßnahmen unterbunden werden (zum Beispiel, daß Wohnungsveräußerungen nicht von dem betreffenden Inhaber, sondern nur von der Hausgemeinschaft durchgeführt werden können).

Ein wesentlicher Faktor wäre die Ausführung einer bedeutend größeren Anzahl von familiengerechten Wohnungen, denn es besteht kein Zweifel, daß ein großer Teil der in Österreich in den vergangenen Jahren gebauten Wohnungen zu klein ist, wodurch für die Zukunft die Gefahr der Heranzüchtung von Slumgebieten besteht. Durch das Prinzip der Eigentumswohnungen ist jedenfalls nicht die Möglichkeit gegeben, daß der Mieter in politische Abhängigkeit vom Hausbesitzer, wie zum Beispiel von Gemeinden oder sonstigen politischen Gruppen, die Mietwohnungen zu vergeben haben, gerät. Für die Renovierung und Modernisierung des Althausbestandes müßten ebenfalls — etwa durch Schaffung eines eigenen Kredi’for-’s — Mittel gefunden werden, um einen weiteren Verfall zu verhindern.

Ein weiteres Übel, das sich durch das gegenwärtige Mieterschutzgesetz ergibt, ist, daß vielfach große, veraltete Mietwohnungen zu hohen Preisen in Untermiete an Jugendliche und Studierende weitervermietet werden. Um diesem Mißstand abzuhelfen, wäre es angezeigt, in wesentlich größerer Anzahl als bisher Jugendheime, Studentenheime und Altersheime zu bauen und hierfür ebenfalls Fondsmittel heranzuziehen. Auch diese Bauten könnten van den gemeinnützigen Wahnungs- geseilschaften verwaltet werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung