6647117-1958_31_01.jpg
Digital In Arbeit

Alemannische Initiativen

Werbung
Werbung
Werbung

Wir Vorarlberger stehen nun einmal im Rufe, in manchen Fragen eigene Wege gehen zu wollen. Manchmal mag dabei der Eindruck aufkommen, als ob dies, nur aus einem Justaments-standpunkt heraus erfolge und einer Eigenbrötelei entspringe, die sachlich nicht begründet sei. Dem ist jedoch nicht so. Ueber jene Fragen, wo diesseits und jenseits des Arlbergs gleiche Meinung besteht, da spricht und schreibt man schließlich wenig über uns. Das ist jedoch der größere Teil. Wenn aber über Vorarlberg hauptsächlich im Zusammenhang mit Fragen diskutiert wird, wo die Meinungen auseinandergehen, so entsteht leicht der Eindruck, als ob die Vorarlberger überall einen gegenteiligen Standpunkt vertreten würden. Diesen Eindruck möchten wir jedoch nicht aufkommen lassen und schon für uns in Anspruch nehmen, daß nur sachliche Erwägungen manche Eigenheiten begründen.

Die Feststellungen möchte ich vorausschicken, wenn ich nachstehend zwei auffallende Begebenheiten aus der jüngeren Zeit aufzeige, wo Vorarlberg wieder einmal eigene Wege geht. Am 1. Juli d. J. hielt der Vorarlberger Landtag eine Sitzung, bei welcher fürs erste ein Spifal-beitragsgesetz beschlossen wurde, das sich wesentlich von den Krankenanstaltengesetzen der anderen Länder unterscheidet, und in einem zweiten Beschluß wurde die Landesregierung ermächtigt, Mietwohnungen, die dem Land gehören, an die Mieter zu günstigen Bedingungen als Eigentumswohnungen zu verkaufen.

Beim Spitalsbeitragsgesetz fällt fürs erste die Feststellung im Berichte auf, daß in Vorarlberg überhaupt keine öffentlichen Krankenanstalten bestehen. Die meisten Krankenhäuser gehören den Gemeinden und dem Land und werden aber von diesen ausschließlich als privatwirtschaftliche Betriebe geführt. Selbst die Zusicherung von Bundesbeiträgen für die öffentlichen Krankenanstalten hat bisher weder das Land noch die Gemeinden bewogen, auf den Charakter öffentlicher Anstalten umzustellen. Die Beibehaltung der bisherigen Form sichert den Anstaltsträgern mehr freie Hand gegenüber den Krankenkassen, der Aerzteschaft u. dgl. Dadurch entsteht aber der sonderbare Zustand, daß die Bestimmungen des Krankenanstaltengesetzes des Bundes, wonach die Defizite bei öffentlichen Krankenanstalten zum Teil auf die breiteren Schultern von Gemeindesprengeln und Land verteilt werden müssen, bei uns praktisch gar nicht aktuell sind.

Dessenungeachtet hat sich aber der Vorarlberger Landtag für zuständig erachtet, eine teilweise Defizitverumlagung auch bei den nicht öffentlichen Anstalten durch Gesetz festzulegen, und zwar nicht nur bei jenen, die sich im Eigentum des Landes oder der Gemeinden befinden, sondern auch unter Einschluß der Krankenhäuser, die Privatpersonen oder Ordenskongregationen gehören. Es ergibt sich also der auffallende Unterschied, daß in acht österreichischen Bundesländern Spitalsbeiträge nur an öffentliche Krankenanstalten gewährt werden, während in Vorarlberg alle Krankenanstalten ausnahmslos einbezogen sind.

Wir glauben damit dem Prinzip der Gerechtigkeit auch näherzukommen und einen Akt des guten Beispiels gesetzt zu haben In Wirklichkeit nehmen die Spitäler in privater Hand doch den öffentlichen Stellen eine große Last ab. Wenn diese nicht bestünden, müßten dafür von der öffentlichen Hand mehr Spitäler errichtet und erhalten werden. Auch die Betreuung der Patienten ist im allgemeinen die gleiche. Bis in die jüngere Zeit herauf haben die privaten Spitäler vielleicht etwas mehr vollzahlende Patienten gehabt. Dadurch konnte ein allfälliges Defizit etwas niedriger gehalten werden. Soweit aber ein Defizit anfällt, ist nach unserer Auffassung nicht recht einzusehen, warum nicht alle Krankenanstalten gleich behandelt werden sollten.

Es handelt sich also um einen ganz grundlegenden Unterschied in der Art der Verabschiedung dieses Gesetzes, der es verdient, herausgestrichen und in der gesamtösterreichischen Presse erörtert zu werden.

Der zweite Landtagsbeschluß betrifft die rund 2200 Mietwohnungen, die zur Zeit der Südtiroler Umsiedlung von der Siedlungsgeseilschaft „Neue Heimat“ gebaut und nunmehr im Wege eines gerichtlichen Vergleiches wieder ausschließlich Vorarlberger Besitz geworden sind. Der Wert dieser Wohnungen ist zum Teil natürlich schon abgeschrieben und steht gegenwärtig im Durchschnitt pro Wohnung noch mit etwa 57.000 Schilling zu Buch. Der Vorarlberger Landtag gab nun sein Einverständnis, daß diese Wohnungen zum Bilanzwert den Mietern zum Kaufe angeboten werden. Jene Mieter, die sich entschließen, von der Möglichkeit der Erwerbung einer Eigentumswohnung Gebrauch zu machen, müssen 15 Prozent des Kaufpreises bei Vertragsabschluß bezahlen und den Rest in Jahresraten innerhalb 15 Jahren. Zahlt der Kaufwerber in kürzeren Zeitraäumen, so wird ein entsprechender Abschlag gewährt. Für den Fall der Weiterveräußerung innerhalb 20 Jahren sind solche Wohnungen zunächst noch der Landesgesellschaft als ursprünglichen Eigentümerin anzubieten. Der Verkaufserlös aus dieser Wohnungsübergabe soll ausschließlich wieder für Wohnbauförderung verwendet werden.

Nachdem Vorbilder über eine solche Aktion nicht vorliegen, ist dieser Entschluß gewiß ein Wagnis und stellt in gewissem Sinne einen Versuch dar, aus dem man nähere Erfahrungen erst lernen muß. Jedenfalls ist für alle Mieter volle Freiwilligkeit gewahrt. Erfreulicherweise hat die gute Absicht, die aus diesem Beschlüsse des Landtages spricht, ein freundliches Echo bei vielen Interessenten gefunden und ist zu erwarten, daß die Wohnungen, die ins Eigentum der Mieter erworben werden, in bezug auf Ausgestaltung und Pflege manche Bereicherung erfahren werden Wenn dieser Versuch gelingt und gute Erfahrungen damit gemacht werden, verdient er jedenfalls, auch anderwärts in Erwägung gezogen zu werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung