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Diskriminiertes Eigentum

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Gegen die Stimmen der Opposition haben die Sozialisten die Wohnbauförderungsnovelle 1976 beschlossen. Sie soll für junge und/oder kinderreiche Familien mit einem Monatseinkommen unter 8400 Schilling eine Halbierung der Eigenmittel ermöglichen, welche für eine Neubauwohnung sofort aufzubringen sind und den Wohnungsaufwand — allerdings ohne Betriebskosten — mit maximal fünf Prozent des Einkommens limitieren. Der Rest soll durch eine staatliche Beihilfe zustande gebracht werden.

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Gegen die Stimmen der Opposition haben die Sozialisten die Wohnbauförderungsnovelle 1976 beschlossen. Sie soll für junge und/oder kinderreiche Familien mit einem Monatseinkommen unter 8400 Schilling eine Halbierung der Eigenmittel ermöglichen, welche für eine Neubauwohnung sofort aufzubringen sind und den Wohnungsaufwand — allerdings ohne Betriebskosten — mit maximal fünf Prozent des Einkommens limitieren. Der Rest soll durch eine staatliche Beihilfe zustande gebracht werden.

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Ist das nicht eine soziale Tat ganz im Sinne von dem, was VP-Obmann Taus im Wahlkampf 1975 gefordert hat? Warum dann das Nein seiner Partei im Parlament? ÖVP und FPÖ haben sich damit als antisozial deklariert, behauptet die SPÖ.

Dies ist natürlich eine der usuellen

Simplifikationen, wie sie Politiker lieben. Das neue Gesetz hat nämlich einen gravierenden Fehler: die Diskriminierung der Eigentumswohnungen.

Wer sich den „Luxus“ einer Eigentumswohnung leisten will, wird in Zukunft — ganz abgesehen von der

Mehrwertsteuer beim Grunderwerb, welche ihn schon bisher gegenüber den sonstigen Erwerbern von Eigentumswohnungen benachteiligt hat — doppelt so viel Eigenmittel als die anderen gleich zu Beginn auf den Tisch legen und auch späterhin keine Mietenzuschüsse bekommen. Die neuen Privilegien bleiben denen reserviert, die sich mit einem Mietvertrag begnügen.

Nun trifft aber das Argument der SPÖ, es solle schließlich den „Armen“ geholfen werden — denn diese lebten in Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen — nicht zu. Daß keine „Reichen“ zum Zug kommen, dafür sorgt ja bereits das im Gesetz festgelegte Einkommenslimit.

Eine Gemeindewohnung ist gerade für den kleinen Mann heute gar nicht so leicht erhältlich. Darüber hinaus ist in Kleingemeinden die Eigentumswohnung — speziell in Form des Eigenheimbaus — vielfach die einzige Chance, eine Neubauwohnung zu erlangen. Dazu kommt noch, daß es eben noch immer Menschen gibt — und sie sind gewiß nicht die schlechtesten —, die Selbstvorsorge betreiben und sich nicht in die totale Abhängigkeit von der öffentlichen Hand begeben wollen. Für eine derart personalistische Haltung hat aber der sozialistische Staat nichts übrig.

Zu diesem gesellschaftspolitischen kommt auch noch ein sehr persönliches Moment: Genossenschaften hatten ihren Mietern bisher keine Vorteile anzubieten. Sie verlangen für ihre Mietwohnungen ungefähr das gleiche wie für adäquate Eigentumswohnungen. Statt aber durch eigene Anstrengungen die Kosten für Eigentumswohnungen zu unterbieten, rufen die Genossenschaften — als Sine-curen für verdiente rote Parteigenossen sehr beliebt — nach dem Staat, der ihnen durch eine diskriminierende Behandlung der Eigentums-Wohnungen Kostenvorteile verschaffen muß.

Parteipolitik steckt auch in der Begünstigung der Gemeindewohnungen: Durch Vermehrung der staatlichen Zuschüsse werden die — vorwiegend sozialistischen — Großgemeinden finanziell entlastet, können ihre eigenen Wohnbaumittel schonen. Da die Kleingemeinden nicht im gleichen Maß kommunalen Wohnbau betreiben können, kommt es unter der Hand zu einer Veränderung des Finanzausgleiches, der die Großgemeinden gegenüber den kleinen bevorzugt.

Es wird aber immer nur ein kleiner Teil der Österreicher sein, der einer Kommunal- oder Genossenschaftswohnung teilhaftig wird. Gerade ihm wird das Wohnen aus Steuergeldern verbilligt, während die anderen, die nicht zu diesen Privilegierten gehören und auch nicht über das Privilegium einer mietengeschützten Althaus-Komfortwohnung verfügen, bei weitem höhere Wohnkosten veranschlagen müssen.

Mit sozialer Gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Wenn man die jungen und/oder kinderreichen Familien mit kleinem Einkommen fördern will, dann muß dies für alle geschehen, ganz gleichgültig, ob sie in Eigentums- oder Mietwohnung, im Neuoder Altbau leben. Damit, daß man die Fördermaßnahmen nur einem Teil dieser Gruppe zugutekommen läßt, beweist man, daß keine sozialen Impulse dazu getrieben haben, sondern eiskalte politische Überlegungen.

Bedenklich ist außerdem, daß solche Maßnahmen überhaupt notwendig werden. Als das Wohnbauförde-rungsgesetz in seiner bisherigen Form beschlossen wurde, war der festgelegte Eigenmittelanteil durchaus erschwinglich. Seither sind die Baupreise nicht nur den übrigen Preisen, sondern auch den Löhnen davongelaufen. Wenn aber der Staat auf sämtliche Baupreissteigerungen immer mit verstärkten Subjektoder Objektförderungsmaßnahmen reagiert und dadurch die überhöhten Preise sanktioniert, besteht für die Baubranche kein Grund zur Anpassung an die Marktsituation und zu schärferer Kalkulation. Die Baupreise werden daher weiterhin explodieren.

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