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Ein neuer sozialer Weg

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Zu den vordringlichsten politischen Pflichten einer Partei, die sich ausdrücklich zur christlichen Weltanschauung bekennt, gehört zweifellos die Sicherung des redlich erworbenen persönlichen Eigentums. Es soll und muß vor jedwedem Zugriff geschützt, es soll erhalten und unter strenger Beobachtung christlicher Sittengesetze zum Nutzen aller vermehrt werden. Das allein aber genügt heute nicht mehr. In unserer Gegenwart ist die Schaffung neuen Besitzes in der Hand möglichst vieler Bürger ein mindest ebenso wichtiges Anliegen, wie'die Erhaltung des schon bestehenden Eigentums.

Von diesen grundsätzlichen Gedanken läßt sich die Österreichische Volkspartei bei der kompromißlosen Verfechtung des Eigentumsgedankens an der Wohnung (Wohnungseigentum) sowie beim Eigenheim und an den Produktionsstätten (Volksaktien) leiten. Wir wollten mit dem Wohnungseigentum einen völlig neuen Typ in Österreich, also in einem Lande einführen, das bisher für die breite Masse seiner städtischen Bewohner nur das Mietsystem kannte. Die Menschen in unseren Großstädten und Industriezentren kannten bis zur Geburtsstunde des Wohnungseigentums im wesentlichen (bis auf die Bewohner eigener Ein- und Zweifamilienhäuser) nur das Miet-Wohnsystem. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, ob der Besitzer einer Mietwohnung eine Privatperson oder eine Gebietskörperschaft ist. In beiden Fällen mußten die Wohnungen „gemietet“, das heißt ausgeliehen werden, wobei trotz aller Schutzbestimmungen die Familien doch nur in „eigenjn Wohnungen“ lebten, die trotzdem nicht ihnen gehörten und zu denen sie niemals eine enge innere Beziehung erlangen konnten, wie wir sie zum Beispiel auf dem freien Lande, etwa auf den Bauernhöfen finden, wo die Familien mit Haus und Hof, mit dem eigenen Besitz, mit dem ihnen gehörenden Stück österreichischer Heimaterde aufs engste verbunden sind. Dieses Vorbild schwebte auch uns vor, als wir es modifiziert und abgestellt auf großstädtische Verhältnisse und Möglichkeiten, vor allem in Wien heimisch machen wollten. Wir dürfen heute ohne Überheblichkeit sagen, daß uns diese unsere Absichten weitestgehend gelungen sind.

Das Wohnungseigentum, basierend auf den gesetzlichen Grundlagen aus dem Jahre 1948, ist seit seinem Bestehen zu einem integrierenden Bestandteil der Wohnbaupolitik geworden. Und das ideell genau so wie materiell. Ideell, weil immer mehr Großstädter die Vorteile eines eigenen Heimes im Wohnungseigentum zu schätzen wissen, weil sie in der Eigentumswohnung ein eigenes Heim in des Wortes wahrster und schönster Bedeutung erblicken, weil sie in der Eigentumswohnung als wirklich freie Menschen nach eigenem Gutdünken leben können, und materiell, weil zum Beispiel der „Verein der Freunde des Wohnungseigentums“, dem als Obmann vorzustehen ich seit bald zehn Jahren die Ehre habe, zum zweitgrößten Bauherrn (neben der Gemeinde Wien) aufgerückt ist. Seit der Gründung dieser Organisation im Jahre 1950 wurden allein in Wien nicht weniger als genau 14.982 Wohnungen gebaut oder geplant. Und das allein auf dem Sektor des Wiederaufbaues, das heißt der Wiedererrichtung kriegszerstörter ehemaliger Mietwohnhäuser im Wohnungseigentum mit Hilfe des Wiederauf-baufonds beim Handelsministerium. Nach den Bestimmungen der Wohnbauförderung bauen wir weitere 1304 Wohneinheiten. Rechnet man nun die „private“ Bautätigkeit im Wohnungseigentum durch die verschiedenen Organisationen, Genossenschaften und Verbände hinzu, dürfte es allein in Wien sehr bald an die 20.000 Eigentumswohnungen geben.

; Dabei, ist der Bedarf an. Eigentumswohnungen noch immer ungeheuer groß. Weitere etwa 20.000 Bewerber sind angemeldet, wobei es besonders erfreulich ist, daß die Mehrzahl der Interessenten junge Menschen sind, deren Sehnsucht nicht einer Miet-, sondern einer Eigentumswohnung gilt.

Das heißt doch wohl, daß die Eigentumswohnung als Zukunftstyp in der Wohnbaupolitik gelten darf. Es muß allerdings — und darum sind wir besonders besorgt — ein soziales Wohnungseigentum sein, und deshalb bemühen wir uns stets, die Bedingungen für den Erwerb einer solchen Wohnung auch für Durchschnittsbürger so tragbar als möglich zu gestalten. Ich möchte da gaT keinen Zweifel lassen, daß es nach diesem Grundprinzip auch später einmal, wenn die fast abnormal günstigen Bedingungen nach den Wiederaufbaugesetz-Bestimmungen ausgelaufen sein werden, ähnliche, erschwingliche Kreditmöglichkeiten zum Erwerb von Wohnungseigentum für „kleine Leute“ geben muß. Das Wohnungseigentum hat eine eminent wichtige sozialpolitische Aufgabe zu erfüllen. Es soll Menschen Besitz und Besitzrechte erwerben helfen, die andernfalls ewig abhängig bleiben. Es soll das Selbstbewußtsein und das Selbstvertrauen stärken, es soll y auf lange Sicht gesehen — aus hunderttausenden „Habenichtsen“ in den großen Städten Besitzende machen, die ihr Eigentum mit staatlicher Hilfe redlich erwerben, es pflegen, verschönern und — notfalls auch gegen alle verteidigen, die dem anonymen Staatsbesitz das Wort reden und glauben, die

Menschen müßten ewig abhängig sein, sie dürften nie wirklich Besitzende und damit Freie werden.

So gesehen, dient unsere Arbeit einem doppelten Zweck: In erster Linie wohl, wie alle anderen Baumethoden auch, der Bekämpfung der würgenden Wohnungsnot durch die Errichtung möglichst vieler Wohnungen und in zweiter Hinsicht der Durchsetzung neuer, moderner, christlicher, sozialpolitischer Ziele, die nach unserer festen Überzeugung nur in der Begründung von möglichst viel persönlichem Eigentum für möglichst viele Bürger unseres Vaterlandes bestehen können.

Der Erreichung dieses Zieles haben wir christliche Sozialpolitiker in der ÖVP uns mit Haut und Haaren verschrieben. Ihm galt und gilt unsere weitere Arbeit.

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