6737774-1966_28_16.jpg
Digital In Arbeit

Wohnungseigentum für alle

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist ja keine Frage, daß das Wohnungs- eiigentum bei der nun endlich kommenden Neuregelung der gesamten Wohnnaumwirt- schaft eine besondere Rolle spielen wird. Vor allem geht es uns um eine Verbreiterung der Möglichkeiten für den Erwerb von Eigentumswohnungen, die im Ausbau des Förderungssystems den Abschluß einer Entwicklung bringen soll, die unmittelbar nach dem Krieg mit dem Wiederaufbau bombenzerstörter Häuser begannen hat.

Ich darf die Geschichte dieser ersten Phase des mungseigentums ab 1948 (dem Jahr des hnhauswiederaufbau- und des Wohnungseigentumsgesetzes) als bekannt voraus- setzen. Damals war die Koppelung der Bestimmungen beider Gesetze die Stemstunde einer Idee, die in geradezu idealer Weise zwei Kardinalforderungen dieser Zeit erfüllte: Die Notwendigkeit des Wiederaufbaues der zerstörten Wohnhäuser, verbunden mit der Möglichkeit, an den darin befindlichen, neu errichteten Wohnungen das persönliche Eigentum, gekoppelt mit dem Mitbesitz am Baugrund und an den gemeinsamen Teilen des Hauses, zu erwerben. Dazu kam die nicht minder ideale Art der Finanzierung. In diesen Jahren der Anfänge des Wiederaufbaues war eine private Finanzierung der Baukosten undenkbar. Daher übernahm der Staat diese Aufgabe, indem er aus einem Fonds die vollen Baukosten zinsenlos, zunächst mit einer Laufzeit von 100 und kurz danach von 75 Jahren, vorstreckte. Die sich aus so längen Rückzahlungsfristen ergebenden Monatsraten waren beziehungsweise sind so gering, daß sie an die neuen Wohnungseigentümer keine unzumutbaren Anforderungen stellten. Sie sind nicht höher als Mietzinse, die letztlich nichts anderes darstellen als die „Leih- oder Benützungsgebühr“ für ein fremdes Eigentum.

Diese fast kostenlose Art der Begründung von Wohnungseigentum zu in Europa einmaligen Bedingungen nähert sich nun im

22. Jahr nach dem Kriege ihrem Ende. Die wirtschaftliche Lage hat sich längst konsolidiert, Löhne und Gehälter haben ein Niveau erreicht, das die finanzielle Mithilfe präsumtiver Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung ihres Einkommens, dann der Familiengröße — kurz unter strengster Bedachtnahme auf die betont familienfördernden Grundsätze meiner Partei — durchaus gestattet. Der Weg von der alleinigen Finanzierung durch die Allgemeinheit, das heißt aus dem Steuertopf, zur Individualhilfe durch den Staat ist frei geworden. Die näheren Bedingungen werden wir den Sommer über verhandeln, und ab dem Herbst werden die fertigen Gesetzesentwürfe, hoffentlich unter Mitwirkung einer „konstruktiven Opposition“, im vollen Rampenlicht der Öffentlichkeit zur Diskussion stehen. Nach einem halben Jahrhundert immer chaotischer werdender Zustände hoffen wir, durch diese Generalreform nach Überwindung einiger Umstellungsschwierigkeiten eine sozial und wirtschaftlich gleichermaßen gerechte Ordnung bringen zu können.

Was nach diesen 22 Jahren aber in alle Zukunft bleiben wird, ist die erstrangige Bedeutung des Wohnungseigentums. Wir haben es von allem Anfang an als einen unserer Beiträge zur Vermögensbildung in den Händen des so oft zitierten „kleinen Mannes“ angesehen. Für uns stand 1945 fest, daß eine Wiederholung der krassen Klassengegensätze aus der Zeit der Ersten Republik und früher, die ja letzten Endes der Nährboden für das Wuchern marxistischen Gedankengutes gewesen sind, nur durch breiteste Eigentumsstreuung überwunden werden kann. Das Problem, vor allem für die städtische Bevölkerung, bestand also in der Eröffnung von Möglichkeiten des Eigentumserwerbs an wertbeständigem Besitz. Denn immer waren es die kleinen Leute, die außer den Gegenständen des täglichen Bedarfs bestenfalls ein Sparkonto besaßen, das nach den wirtschaftlichen Katastrophen der Weltkriege I und II einmal durCh die Inflation und das nächste Mal durch das Währungsschutzgesetz aus 1947 wertlos geworden war. Die Ersparnisse eines ganzen arbeitsreichen Lebens zerflossen so in nichts, während jene Glücklichen, die „echte Werte“, wie Bauernhöfe auf dem Lande, Grundstücke oder Produktionsanlagen in Städten und Industriezentren besaßen, relativ glimpflich über die Runden solcher aus den Fugen geratener Zeitläufe kamen.

Diesen „Meinen, ungeschützten Leuten“ wollten wir mit dem Wohnungseigentum helfen. Wenn man schon aus Raumgründen in den Städten Grund- und Wohnungseigeritum nicht in die Horizontale verbreitern konnte, so stand der Ausdehnung des persönlichen Eigentums an Grund und Boden in die Vertikale kein Hindernis entgegen. Das ist denn auch mit der gesetzlichen Verankerung des Wohnungseigentums geschehen. Wir haben also das Wohnungseigentum von Anfang an in allererster Linie als unseren christlich- demokratischen Beitrag zur damals höchst aktuellen Forderung nach Entproletarisierung der Massen angesehen. Daß er nebenbei zusätzlichen Wohn raum schuf, möchten wir als erfreuliche Zusatzerscheinung werten, die eigentliche Bedeutung des Wohnungseigentums aber ist in diesen eben erwähnten psychologischen und sozialpädagogischen Bereichen zu suchen.

Dort fällt ja schließlich auch die Entscheidung über den künftigen Weg der Sozialpolitik überhaupt. Wir bejahen das bisherige Bemühen, unsere Mitbürger durch Sicherheitsmaßnahmen vor allen Wechselfällen des Lebens zu schützen. Von den Kinderbeihilfen bis zur Dynamik der Pensionen spannt sich ein weiter Bogen bis zur sozialpolitischen Per fektion unserer Tage, an der meine Partei in der Vergangenheit initiativ mitgewirkt hat und die sie in den kommenden, mindestens vier Jahren der Alleinverantwortung bewahren beziehungsweise weiter ausbauen will. Was sich jedoch im guten Sinn ändern soll, ist unser Bestreben, den im Grunde fürsorgerischen Charakter der Sozialpolitik durch Maßnahmen für die Vermögensbildung breitester Bevölkerungsschichten zu ergänzen. Die soziale Sicherheit herkömmlicher Art soll das eine, der persönliche Besitz das andere Standbein sein, auf dem das Gebäude der alles umfassenden sozialen Gesetzgebung ruht. Das Wohnungseigentum ist ein Beispiel für das, was wir damit meinen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung