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Ein Baustein in der politischen Gestaltung Österreichs

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Das Wohnungseigentum ist in Oesterreich mit dem Bundesgesetz vom 16. Juni 1948, BGBl. Nr. 130, eingeführt worden. In dieser Form ist es für Oesterreich neues Rechtsgebiet, doch hat schon in früheren Jahren eine ähnliche Rechtsinstitution in einzelnen Bundesländern bestanden, die aber keine besondere praktische Bedeutung erlangt hat. Nach dem zitierten Bundesgesetz kann also jede eigentumsfähige Person an einer Wohnung (Stockwerk) oder an einem Geschäftslokal Eigentum erwerben. Dieses Spezial-eigentum an den „eigenen vier Wänden“ wird noch ergänzt durch Miteigentum an jenen Gebäudeteilen, die allen Wohnungseigentümern gemeinsam sind, also an Grund und Boden, auf dem das Gebäude steht, an Keller, Hausflur, Stiegenhaus und Dachboden. Das Wohnungseigentum setzt sich also aus dem Alleineigentum an der Wohnung und dem Miteigentum an den übrigen allgemeinen Gebäudeteilen zusammen. Es macht — so wie bei der bisher sehr gebräuchlichen Form des Miteigentums — bestimmte Vereinbarungen der Hauseigentümer, betreffend die gemeinsame Hausverwaltung, notwendig, und es ist möglich, daß man aus den Erfahrungen, die man im Laufe der Zeit gerade aus diesem Tatbestand machen wird, später einmal zu einer gesetzlichen Regelung über solche gemeinsame Verwaltungsaufgaben kommen wird. Soweit nur ganz allgemein über die rechtliche Konstruktion des Wohnungseigentums.

Wesentlicher ist es aber, einiges über die moralische Seite des Wohnungseigentums zu sagen.

Das Ziel der meisten arbeitenden Menschen ist es seit eh und je, durch jahrelange Arbeit soviel zu ersparen, um sich als Lohn für diese Arbeit einmal ein eigenes Heim schaffen zu können. War es bisher das nur für wenige Begüterte erreichbare eigene Haus, so ist es jetzt, neben dem besonders am flachen Land leichter erwirtschaftbaren Siedlungsheim, besonders für den Städter die im Eigentum stehende eigene Wohnung. Das W o h-nungseigentumersetztsomitfür denStädterdaseigeneWohnhaus bzw. das Siedlungshaus. Es ist verständlich, daß die Siedlungstätigkeit im wesentlichen auf das flache Land beschränkt bleibt, weil dort die Grund- und Baukosten niedriger sind und überhaupt die Erwerbung eines solchen Siedlungshauses, an dessen Bau unter anderem selbst mitgearbeitet werden kann, leichter ist als für den Städter. Mit dem Wohnungseigentum ist also dem Stadtbewohner ein Weg geöffnet worden, auf dem auch er an Wohnraum Besitz und Eigentum erhalten kann; ja es ist vielfach überhaupt der einzige Weg zur Erlangung wertbeständigen Eigentums.

Diese Tatsache ist von hoher kultureller und politischer Bedeutung. Besitz und Eigentum sind die materiellen Grundlagen für ein größtmögliches Maß an persönlicher Sicherheit nnd damit auch an persönlicher Freiheit.

Wenn es nun möglich ist, mit dem Wohnungseigentum dem in großer Masse ansonsten Besitzlosen zu Eigentum zu verhelfen, so haben wir damit nicht nur rein juristisch, sondern vielmehr auch kulturell und politisch ein neues Mittel gefunden, das — und das wird sich schon in absehbarer Zeit zeigen — auf die persönliche Haltung dieser neuen Eigentümer wesentlichen Einfluß nehmen wird. Von vielen hieher gehörigen Beispielen sei nur eines erwähnt: Menschen, die Eigentum haben, sind immun gegen das Gift des politischen Extremismus.

Man sollte also meinen, daß alle aufbauwilligen Kräfte in Oesterreich das Wohnungseigentum mit allen zu Gebote stehenden Mitteln fördern. Leider herrschen hier innerhalb der verantwortlichen politischen Kreise starke Gegensätze. Während die Oesterreichische Volkspartei den Wert des Wohnungseigentums in allen seinen Belangen deutlich erkannt hat und daher für weitgehende Förderung desselben eintritt, steht die Sozialistische Partei dieser Einrichtung höchst reserviert gegenüber. Vor allem lehnt sie die Förderung des Wohnungseigentums im Zuge des Wohnungswiederäufbaues kriegszerstörter Wohnhäuser ab.

Die sozialistische Argumentation basiert dabei auf der Auffassung, daß es nicht angängig sei, die Mittel des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds, die als 75jäh-riges zinsenloses Darlehen zur Verfügung gestellt werden, für die Begründung des Wohnungseigentums zu yerwenden, denn ein 75jähriger zinsenloser Kredit sei tatsächlich eine Art Geschenk des Staates an den Kreditnehmer, und somit sei also eine im Wohnungseigentum vergebene Wiederaufbauwohnung ein Geschenk aus öffentlichen Mitteln zugunsten des Wohnungseigentümers. Die öffentlichen Mittel seien aber nicht dazu da, um einzelnen ein Geschenk zu machen. Demgegenüber sei die Förderung des sogenannten „sozialen“ Wohnungsbaues — also des Wohnungsbaues, wie ihn die Gemeinden betreiben — richtiger, denn hier verbleiWe das aus öffentlichen Mitteln errichtete Wohnhaus im Eigentum der Gemeinde, und es würde somit aus öffentlichen Mitteln nicht Privatvermögen, sondern Gemeindevermögen geschaffen. Soweit die sozialistischen Einwände.

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