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Gezähmte Baulöwen

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Zu den Paradoxa der wohnwirtschaftlichen Szenerie in Österreich gehörte es bisher, daß die Mieter von mietengeschützten Wohnungen gegenüber Hauseigentümern und Verwaltern viel mehr Rechte hatten als die meisten Wohnungseigentümer gegenüber ihren Verwaltern, welche eigentlich ihre Angestellten sein sollten, in Wirklichkeit aber souverän regierten. Der Grund dafür war, daß sich die „Baulöwen“ oder — wie. sie im Gesetzestext heißen — die „Wohnungseigentumsorganisatoren“ in den mit den „WohnungseigentumsbewerDe^n“ abgeschlossenen Verträgen so ^Wele Rechte ausbedungen haben, daß die Verfügungsgewalt der Eigentümer drastisch und zumeist auf unbeschränkte Zeit beschnitten war. Im Gegensatz zum Mietrecht, welches nämlich fast durchweg zwingendes Recht ist, war das Wohnungseigentumsrecht weitgehend nachgiebiges Recht, welches den Organisatoren die beliebige Gestaltung der Verträge gestattete.

Diese Möglichkeit wurde von den Baulöwen auch intensiv genützt, indem sie sich zusätzlich zum Kaufpreis noch viele lukrative Vorteile sicherten. Zu diesen gehören unter anderem unkündbare Verwaltungsverträge, Mietverträge und Nutzungsvorbehalte hinsichtlich verschiedener Teile der Liegenschaft (beispielsweise für Garagen, welche den Wohnungseigentümern oder auch Außenstehenden auf sehr profitable Weise vermietet wurden). Außerdem sicherten sie sich die Vergabe oder Durchführung von künftigen Instandhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten bzw. von diversen Vermittlungsaufträgen, was entweder fette Provisionen brachte oder die Verrechnung besonders hoher Preise in Eigenregie ermöglichte.

Des weiteren enthielten die Verträge zumeist Vorkaufs- oder Wiederverkaufsklauseln, welche die Wohnungseigentümer zwangen, im Fall der Veräußerung der Wohnung diese den Organisatoren entweder unbeschadet der Inflation zum seinerzeitigen Kaufpreis oder zumindest weit unter dem tatsächlichen Marktpreis zu verkaufen. Darüber hinaus wurden noch allerlei Konventionalstrafen und Reuegelder vereinbart, mit denen „renitente“ Wohnungseigentümer zur Räson gebracht werden konnten.

Ein weiterer Trick der Baulöwen, der häufig zu grotesken Konsequenzen führte, war es, die Eintragung ins Grundbuch jahrelang — zumindest aber bis nach der Fertigstellung der Wonhnung — hinauszuzögern. Dies brachte es mit sich, daß im Fall eines der — bekanntermaßen nicht seltenen — Konkurse der Organisatoren die gesamte Liegenschaft zur Konkursmasse kam und die Wohnungswerber weder Geld noch Wohnung mehr sahen. Darüber hinaus war es möglich, den

Bewerbern während der Bauzeit unter allen möglichen Titeln Nachforderungen zu stellen und bis dahin die Einverleibung des Eigentums, ja selbst den Bezug der fertiggestellten Wohnung zu verweigern, so daß diese ohne langwierige Uberprüfungen zu zahlen gezwungen waren.

Diese lukrativen Zusatzgeschäfte der Baulöwen schränkt das Wohnungseigentumsgesetz 1975 (WEG 1975) weitgehend ein. Den vollen Nutzen haben allerdings nur diejenigen, die in Zukunft Verträge abschließen. Immerhin werden verschiedene Vereinbarungen generell als rechtsünwirksam erklärt, was auch den bisherigen Wohnungseigentümern gestattet, den Kopf noch nachträglich aus der Schlinge der Organisatoren zu ziehen.

Eine wichtige weitere Verbesserung auf einem anderen Gebiet ist es, daß nunmehr beide Ehegatten und nicht bloß einer als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen werden können. Dies kann im Fall von Scheidungen dem unschuldigen Partner zugute kommen. Weiter sichert es im Fall des Ablebens eines Ehepartners dem überlebenden die Wohn- und Besitzrechte gegenüber den eigenen Kindern oder den Kindern des (der) Verstorbenen aus einer früheren Ehe sowie gegenüber sonstigen pflichtteilberechtigten Angehörigen — ein Problem, welches bisher leider nur allzuoft zu ungerechten Härten führte.

Dieses Gesetz bereinigt echte Unzulänglichkeiten und Mißstände, welche sich in der Praxis aus dem WEG 1948 herauskristallisierten. Daß das alte Gesetz nicht perfekt war, ist ihm nicht vorzuwerfen — ist doch damals legistisches Neuland betreten worden. Daß es aber dreißig Jahre dauerte, bis die längst notorischen Mißstände saniert wurden, stellt im Zeitalter der Novel-lierungsinflation den beiden Großparteien kein gutes Zeugnis aus.

Daß es jetzt doch zur längst fälligen Novellierung auch des WEG kam und daß vor allem zahlreiche realistische und den effektiven Bedürfnissen der Wohnungseigentümer wirklich entsprechende Bestimmungen aufgenommen wurden, ist in erster Linie ein Verdienst des Abgeordneten Walter Häuser.

Bedauerlicherweise ist es ihm infolge des massiven Widerstands der Sozialisten nicht gelungen, die Vorteile des neuen Gesetzes auch den Bewohnern von Genossenschaftswohnungen zukommen zu lassen. Diese sind weiterhin diskriminiert. Sie können weder, wie Hauser pro-poniert hat, Eigentum an ihrer Wohnung erwerben noch können sie sich der Zwangsverwaltung durch die Genossenschaften entziehen, und im Fall eines Auszugs bekommen sie nur einen Teil jener Baukostenzuschüsse refundiert, welche sie seinerzeit geleistet haben, wobei sie keine Möglichkeit einer direkten Weitergabe ihrer Wohnrechte haben. Vielleicht wird es in künftigen Gesetzen möglich sein, auch die Dis-kriminerung der Genossenschaftsmieter zu eliminieren.

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