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Empirischer Beweis

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Als großes Umdenken der Sozialisten und Einschwenken auf ihre Linie feierte die ÖVP die jüngsten Novellen zum Wohnungsverbesse-rungs- und Wohnbauförderungsge-setz. Sicherlich stellen sie eine gewisse Annäherung an die Intentionen des ehemaligen Bautenministers Kocina dar, die seinerzeit auch in der Volkspartei selbst — speziell in der Gruppe um den ehemaligen Abgeordneten Prinke — auf Widerstand stießen. Sicherlich stellen die Novellen einen Fortschritt in die richtige Richtung dar, aber sie sind isoliert und ein Fremdkörper in der bestehenden Gesetzesszenerie, so daß ihre Wirksamkeit zweifelhaft ist.

Prinzipiell ist es natürlich begrüßenswert, daß der Katalog der durch das Wohnungsverbesserungsgesetz zu fördernden Modernisierungsarbeiten erweitert und die Modalitäten der Darlehensaufnahme erleichtert wurden, desgleichen, daß die Wohnbauförderung nunmehr auch auf den Altbau ausgedehnt werden soll. Bedeutet dies doch eine erste Abweichung von zwei fatalen Fehlkonzeptionen, denen wir die noch immer fortdauernde Wohnungsnot — trotz zweier Jahrzehnte rasanten. Wohlstandswachstums — verdanken: erstens der Ansicht, daß die Wohnung und auch der steigende Wohnkomfort fast umsonst sein müssen, und zweitens der Versuch, den Wohnungsfehlbestand — und zwar nicht nur den quantitativen, sondern auch den qualitativen — allein durch den Neubau abzudecken.

Allerdings werden dazu die jetzt verabschiedeten Gesetze nicht ausreichen, da diese konträr zur generellen Tendenz der Wohnungsgesetzgebung sind und daher nur sehr beschränkt zur Geltung kommen können. Die ganze bisherige Mietengesetzgebung — sieht man von einigen rudimentär gebliebenen Ansätzen in den beiden Mietrechtsände-rungsgesetzen ab — ist ja darauf ausgerichtet, den Althausbestand auszuhungern, seine Modernisierung zu verhindern und ihn dem langsamen Verfall preiszugeben. Hier wären neue Weichenstellungen notwendig, natürlich bei gleichzeitiger Vermeidung echter sozialer Härten.

In den Novellen zum Wohnungs-verbesserungs- und Wohnbauförde-rungsgesetz wird diese Problematik vollkommen ignoriert und einfach von dem Standpunkt ausgegangen, die Sanierung des Althausbestands sei einzig und allein eine Sache der verbesserten Kreditgewährung. In Wirklichkeit ist das Problem viel komplexer, weshalb die neuen Sanierungsbestrebungen sehr bald mit den mietenrechtlichen Realitäten in Kollision geraten müssen.

Auf der einen Seite werden nämlich dem Hauseigentümer nunmehr günstigere Darlehen für Verbesserungsarbeiten angeboten, auf der anderen Seite ist er für den Fall einer daraus resultierenden Mietzinserhöhung, ja nur der, Verwendung der vorhandenen Mietzinsreserve für diese Zwecke auf den Konsens sämtlicher Mieter angewiesen. Daß dieser in der Praxis nur in sehr seltenen Fällen erreicht werden kann, liegt auf der Hand.

Das zweite Problem ist, daß die Gesamtsanierung eines Hauses — und nur diese ist in den meisten Fällen snnvoll — sehr häufig eine Neueinteilung der Bestandsobjekte zur Voraussetzung hätte. Auch hier schiebt das Mietengesetz einen Riegel vor, der z. B. eine Zusammenlegung von Wohnungen unmöglich macht — es sei denn, es tritt der unwahrscheinliche Fall ein, daß zwei nebeneinanderliegende Wohnungen gleichzeitig frei werden.

Diese und ähnliche legistische Handikaps werden eine durchgreifende Sanierung der Atihäuser verhindern, weshalb bestimmt in einigen Jahren von sozialisticher Seite zu hören sein wird, der private Hsfus-besitz habe die . gebotene' Chance nicht genützt, er habe versagt. Daß

er die Chance infolge der Gesetzessituation häufig gar nicht nützen kann, wird ignoriert.

Zweifelsohne wird ■ es immer Grenzfälle geben, in denen trotz dieser Schwierigkeiten Sanierungen doch möglich sein werden. Vor allem gibt es aber einen bestimmten Personenkreis, dem diese Möglichkeiten tatsächlich zugute kommen. Dies sind die Mieter selbst, die Darlehen im Rahmen des Wohnungs-verbesserungsgesetzes erhalten können, es sind die Wohnungseigentümer und die Eigenheimbesitzer, welche nach beiden Gesetzen Finanzierungsmittel erlangen können.

Allerdings konnte die Kreditvergabe für Wohnungs- und Einfamilienhausbesitzer erst in letzter Minute von der Opposition in das Gesetz eingeschleust werden. Die Regierungsvorlage wollte nur die Miethäuser in den Genuß der Wohnbaudarlehen kommen lassen — dies offensichtlich einer ganz bestimmten Gruppe zuliebe, nämlich den kommunalen Wohnbauten, bei denen gleichfalls schon ein, großer Verbesse-rungsbedarf besteht, und die nun auf diese Weise in den Genuß zusätzlicher Bundesmittel kommen

Karikatur: Deiz sollen. Gemeinden und ihnen nahestehende Institutionen haben aber bekanntlich in der Praxis unvergleichlich mehr Möglichkeiten — und auch Druckmittel —, um die Zustimmung der Mieter zu ihren Modernisierungskonzepten zu erreichen. Sie weden daher die eigentlichen Nutznießer der neuen Gesetze sein.

Sollte hingegen die Sanierung des Atwohnungsbestandes auf eine breitere Basis gestellt werden, dann wären nicht nur mietenrechtliche, sondern auch steuerrechtliche Maßnahmen notwendig. Denn in der nunmehrigen Situation können zwar der modernisierungswillige Mieter, Wohnungs- und Hauseigentümer zinsgünstige öffentliche Darlehen bekommen, aber die Steuervorteile, welche die Erwerber einer Neuwohnung haben, bleiben ihnen versagt. Auch diesbezüglich müßten die Gesetze novelliert werden.

Die beiden kürzlich beschlossenen Wohnbaunovellen bringen also gewiß Fortschritte. Sie allein können aber nicht genügen, denn die Sanierung der Althäuser ist eben mehr als eine bloße Kreditfrage.

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