6845755-1976_20_01.jpg
Digital In Arbeit

Es gibt keine „Hausherrenrente“

Werbung
Werbung
Werbung

Wie peinlich es für eine Regierung sein kann, mit den eigenen oppositionellen Phrasen von einst konfrontiert zu werden, erlebt die Regierung Kreisky heute. Im jahrzehntelangen Kampf um den ersten Platz im Staat hat die sozialistische Partei unbekümmert um die realen Möglichkeiten unerfüllbare Forderungen aufgestellt und sachliche Lösungen durch ein Sperrfeuer populärer, aber unrealistischer Parolen sabotiert. Sie muß nun, nachdem sie sich auf diese Manier in die Regierungsverantwortung katapultiert hat, sehen, wie sie mit ihren eigenen Phrasen fertigwird.

Eine von diesen politisch überstra-pazienten Materien war bekanntlich das Bundesheer, dessen Funktionsfähigkeit durch die unrealistische Sechs-Monate-Parode der Wahl-kömpfe von 1970 und 1971 in gefährlicher Weise in Frage gestellt wurde, so daß sidh jetzt die Regierung gezwungen sieht, mit höchst fragwürdigen Mitteln zu reparieren, was sie seibat ruiniert hat So sehr auch der Wille zur Korrektur begangener Fehler Respekt verdient, so bedauerlich ist es, daß es der Regierung an Courage fehlt, sioh von der Sechs-Monate-Parole offen zu distanzieren, den begangenen Fehler einzugestehen und die Konsequenzen zu ziehen.

Ein weiterer politisch zermarterter

Komplex ist das Mieten- und Wohnungsproblem. Auch hier stimmen die Fakten so gar nicht mit den Dogmen überein, auch hier mußte bereits etliches Wasser in den Propagandawein gegossen werden.

Es begann mit dem Versprechen der Sozialisten, jährlich 5000 Wohnungen mehr zu bauen, das in Inflation, öffentlichen Finanznöten und Rawnordnunigsproblematik sang-und klanglos untergegangen ist, das schließlich auch keine Zahlentricks mehr retten konnten. Es ging fort mit dem Versprechen, das (^-„Unrecht“ zu beseitigen. Nicht nur, daß der 7 des Mietengesetzes — welcher die Erhöhung des Mietzinses im Falle von Reparaturen unter gewissen Vonaussetzjungen vorsieht — beibehalten wurde, er wird nunmehr auch bei kommunalen Wohnungen angewendet, was bisher vermieden worden war. Das Argument, daß der Gemeindemieter, dem die Wohnung aus Steuerimitteln geschenkt wurde, vom Steuerzahler nicht auch noch die Bezahlung der Instandhaltungs-kosten verlangen kann, ist zweifellos stichhaltig — nur: wie verträgt es sioh mit der früher so vehement aufgestellten Behauptung, daß der 7 nur der Bereicherung des .Hausherrn“ diene, also ein Unrecht am Mieter 6ei?

Der diffizilste Sprung über den eigenen Schatten steht noch bevor: der Ersatz des völlig obsoleten Kronenzinses für Altmieter durch eine neue Berechnungsbasis, die zugleich auch in vielen Fällen eine Anhebung der bisherigen Zinse nicht wird vermeiden lassen. Nachdem die SPÖ zu Zeiten der Koalitionsregierung jeden derartigen Versuch abgelehnt und den Kronenzins, an dem „nicht ge-

rüttelt“ werden darf, in jedem Wahlkampf ausgeschlachtet hat, nachdem sie die ÖVP im Wahlkampf 1966 in den Rütlischwur gehetzt hat, an den Altmdeten nichts zu verändern, sieht sie sich nun selbst gezwungen, Modifikationen vorzunehmen.

Daß dies innerparteilich möglicherweise noch schwerer zu verkraften sein wird als die Wehrgesetznovelle, steht außer Zweifel. Die Qualität der Regierung Kreisky wird sich aber nicht zuletzt darin erweisen, wie konsequent und gründlich sie diesen Härtetest durchsteht.

An sich ist das Problem klar, und es sollte unter vernünftigen Menschen darüber keine Debatte geben: daß heute, nachdem gerade die Pro-fessiondstenieistunigen — speziell für die lohnintensiven Reparaturen — enorm gestiegen sind und bestimmt schon das mehr als lOOfache Niveau von 1914 erreicht haben, die Mietzinse von damals — mögen sie auch noch so überhöht gewesen sein — nicht mehr ausreichen können, um Häuser auch bloß notdürftig instand-zuhalten, ist evident.

Aber wo Interessen sprechen, muß die Vernunft schweigen. Und da es viele Interessenten an niedrigen Mieten gibt, ließ und läßt sich die absurde Parole, daß die geringste Erhöhung der Mieten über das Niveau von 1914 bereits eine Renaissance der „Hausherrenrente“ bedeutet, noch immer gut verkaufen. Die Regierung wird daher ihr ganzes — zweifellos vorhandenes — propagandistisches Geschick einsetzen müssen, um die von der eigenen Partei kreierten Slogans zu demaskieren und den Weg für eine vernünftige Neuordnung freizumachen.

Allerdings kann und darf eine Mietenreform nicht ausschließlich aus einer Zinserhöhung bestehen. Daß noch weitere „flankierende'* Maßnahmen erforderlich sind, steht außer Frage. Das Problem ist nur, um was für Maßnahmen es sich dabei handelt und wie sie durchgeführt werden. Denn die Einstellung weiter Kreise — nicht nur der Regierungspartei — zur Mietenrefonm ist ausgesprochen schizophren: auf der einen Seite hat man zweifellos das sachlich richtige1 Ziel im Visier, eine Modernisierung und Revitalisierung der erhaltungswürdigen Althäuser zu fördern, auf der anderen Seite möchte man das gesellschaftspolitische Ziel einer kalten Enteignung des Hausbesitzes nicht aufgeben.

Nun sind aber diese beiden Zielsetzungen inikompatibel: eine Moder-nisieruing der Althäuser ist nur möglich, wenn man deren Besitzern auch gestattet, die Mittel dafür zu verdienen, wenn man ihnen finanzielle Anreize für Investitionen konzediert und wenn man gewisse Garantien gegen zukünftige kalte oder heiße Enteignungsgesetze gewährt.

Wir müssen uns endlich darüber klar werden daß das Bestreben, das

Wohnungsproblem allein durch den Neubau zu lösen, irreal und auch städtebaulich höchst fatal ist — und wir müssen bereit sein, daraus die Konsequenzen zu ziehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung