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Eine Feuerwehraktion?

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Als „Feuerwehraktion“ bezeichnete der ÖVP-Unterhändler im Justizausschuß, Abg. Hauser, das neue Mietengesetz. Nun, da die nachteiligen Folgen eines halben Jahrhunderts falscher Mie'tenpolitik für die Mieter immer klarer zutage treten und sich zeigt, daß man mit Paragraphen allein das Dach über dem Kopf nicht sichern kann, daß die alte Mietengesetzgebung mehr und mehr zu einem Bombengeschäft für Spekulanten wird, mußten Notmaßnahmen getroffen werden, um zu verhindern, daß immer mehr Menschen, darunter in erster Linie wirtschaftlich Schwache, einfach auf die Straße gesetzt werden.

Nun litt der von der Regierung vorgelegte Entwurf an einem inneren Widerspruch: Auf der einen Seite sollte durch reine Verbotsmaßnahmen der Demolierungsflut ein Riegel vorgeschoben werden, auf der anderen Seite wurde die Novelle mit sozialistischer Gesellschaftspolitik vollgestopft, die gerade das bewirken mußte, was die Verbote angeblich verhindern wollen, nämlich den Verfall des Althausbestandes.

Die Unterhändler der Opposition hatten alle Mühe, den Vertretern der Regierungspartei wenigstens die ärgsten Substanzvernichtungsmaßnahmen auszureden, da nur dann die neuen Schutzmaßnahmen für die Mieter zum Tragen kommen können. Darüber hinaus auch noch positive Maßnahmen zur Sicherung und Verbesserung der erhaltungswürdigen Althaussubstanz den Sozialisten abzuringen, war kaum möglich. Ob die nicht zu übersehenden Tatsachen, die immer deutlicher erkennen lassen, daß das Wohnungsproblem nicht allein durch Demolierung und Neubau zu lösen ist, bei der SPÖ einen Umlernprozeß einleiten wird — wie Häuser hofft — oder ob die Gesell-sohaftspolitiker, die — ungetrübt von allen wirtschaftlichen Überlegungen — von der totalen Wohnungsgleichheit und der totalen Abhängigkeit des Individuums von der Gesellschaft träumen, sich gleich durchsetzen werden, wird die Zukunft weisen.

Die Tatsache, an die wir uns im Moment zu halten haben, ist jedenfalls das „Bundesgesetz über die Änderung mietrechtlicher Vorschriften und über Mietzinsbeihilfen“. Seine wichtigsten Bestimmungen sind:

1. In allen Fällen, in denen Wohnungen in Arthäusern wegen „wirtschaftlicher Abbruchreife“ gekündigt werden, müssen den gekündigten Mietern Ersatzwohnungen beigestellt werden. So richtig und dringend notwendig dies auch ist, so fragt sich doch, wer letzten Endes die Kosten für die Wohnungsbeschaffung zahlen muß. Wahrscheinlich der Erwerber der Neuwohnung oder aber der Steuerzahler, sollte sich der Staat entschließen, die sonst unerschwinglichen Neuwohnungen herunterzusubventionieren.

2. Die bei Reparaturarbeiten nach 7 des Mietengesetzes zulässige Mietzinserhöhung wird nach oben begrenzt, aber nicht in starrer Relation zum sogenannten „Friedenszins“ — wie dies der anfängliche sozialistische Entwurf vorsah —, sondern in Relation zu den Kosten einer vergleichbaren geförderten Neubauwohnung.

3. Um die Mieter im Falle eines -7-Verfahrens weiter zu entlasten, werden die Hauseigentümer noch stärker zu Kasse gebeten: Sie müssen künftig die Mietzinsreserve der letzten 7 Jahre zur Verfügung stellen und weitere Einnahmen, die bisher von der Verrechnung ausgenommen waren, in die Reserve einzahlen. Da gleichzeitig wie bisher die Repara-' turen auf die zehn kommenden Jahre aufgeteilt werden, bedeutet dies faktisch einen Verzicht auf die hauptsächlichen Mietzinseinnahmen 17 Jahxe hindurch.

4. Angesichts der rapid steigenden Baukosten ändert dies alles nichts daran, daß die (^-Erhöhungen in Zukunft sogar größer statt kleiner als bisher sein werden. Aus diesem Grund sollen wirtschaftlich schwache Mieter einen Rechtsanspruch auf Mietzinsbeihilfe aus Bundesmitteln haben, wenn in einem -7-Verfahren der Hauptmietzins auf mehr als das Vierfache erhöht wird.

5. Die Rechte der Mieter werden erweitert. Jeder Mieter kann künftig die Vornahme ganz wichtiger Reparaturen, zwei Drittel der Mieter können Erhaltungsarbeiten und unter bestimmten Voraussetzungen Verbesserungsarbeiten erzwingen.

6. Bei der Neuvermietung von Substandard-Wohnungen ist keine freie Mietzinsvereinbarung mehr statthaft, sondern nur der vierfache Friedenszins zulässig. Die bisher frei vereinbarten Mieten für Substandard-Wohnungen werden eingefroren. Motiviert wird diese Maßnahme vor allem damit, daß die Ausbeutung der Gastarbeiter vermieden werden soll. Dies wird allerdings mit dieser Maßnahme kaum gelingen, da gerade die ganz schlechten Quartiere in den meisten Fällen nicht woh-nungs-, sondern bettenweise vermietet werden.

7. Für bestimmte Verbesserungsarbeiten in seiner Wohnung steht dem Mieter unter gewissen Voraussetzungen in Zukunft ein Recht auf Entschädigung im Falle des Auszuges zu.

Vordergründig bringt dieses Gesetz zweifellos Verbesserungen für den Mieter. Das fundamentale Problem ist aber, daß viele Wohnungen heute schlechter ausgestattet sind, als sie sein müßten. So notwendig prinzipiell der Mieterschutz ist, in seiner bisherigen Form hat er den Mieter nicht gegen den Verfall seines Wohnhauses geschützt.

Dazu kommt noch ein weiteres Problem: Die Ansätze zu einem wirtschaftlicheren Denken, wie sie in den Mietennovellen von 1968 und 1973 vorhanden sind, werden so lange keine Früchte zeigen, als die nach wie vor bestehende rechtliche Unsicherheit vor Investitionen in Althäuser abschreckt.

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